Drucksache 18 / 20 453 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gaby Gottwald (LINKE) vom 06. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2019) zum Thema: Plant IG Metall Neubau gegen Sanierungsziele in südlicher Friedrichstadt? und Antwort vom 27. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20453 vom 06. August 2019 über Plant IG Metall gegen Sanierungsziele in südlicher Friedrichstadt? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Gleichwohl ist er bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um Stellungnahme gebeten. Sie ist in die Antwort einbezogen. Frage 1: Welche Kenntnis hat der Senat über die Neubauplanung der IG Metall (IGM) an der Neuenburger Straße/ Ecke Lindenstraße im Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt in Friedrichshain-Kreuzberg? Frage 2: Trifft es nach Information des Senats zu, dass die IGM hier in einem siebengeschossigen Neubau 24 Mietwohnungen plant, die für bis zu 10 Euro pro Quadratmeter nettokalt angeboten werden sollen? Antwort zu 1 und 2: Im Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt beabsichtigt die IG Metall eine Standorterweiterung auf ihrem Grundstück Neuenburger Straße 5, 6, 7, und 8. Das Neubauvorhaben wird von der IGMET, dem treuhänderischen Immobilienverwalter der IG Metall, entwickelt. Der sechs- und siebengeschossige Neubaukomplex ist für eine Büro- und Wohnnutzung vorgesehen. Die Wohnnutzung ist in dem siebengeschossigen Gebäudeteil im Bereich der Neuenburger Straße 7 und 8 geplant. Dort sollen 24 Mietwohnungen entstehen, die für unter 10 Euro pro Quadratmeter nettokalt angeboten werden. 2 Frage 3: Inwieweit trifft es nach Informationen des Senats zu, dass die IGM – wie im Protokoll der 6. Sitzung des Sanierungsbeirates des Sanierungsgebietes Südliche Friedrichstadt vom 19.06.2019 zu entnehmen ist – in diesem Komplex in der Erdgeschosszone Gewerbeeinheiten plant und keine mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen errichten will, wie bewertet der Senat dies und inwiefern verstößt die IGM damit aus Sicht des Senats a. gegen die nach den Wohnungsbauförderungsbestimmungen 2018 ( WFB 2018) geforderten sozialen Sanierungszielen, welche einen Anteil von mindestens 30% der Wohngeschossfläche an mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum festlegt, und b. gegen den Rahmenplan, der für den betreffenden Baukörper eine reine Wohnnutzung vorsieht? Antwort zu 3: Nach Auskunft des Bezirks trifft es zu, dass die IG Metall in der Erdgeschosszone Gewerbeeinheiten plant und Wohnungen in Abweichung von dem Bezirksamtsbeschluss V_133_2018 vom 23.01.2018 errichten möchte. Die Wohnungsbauförderungsbestimmungen 2018 (WFB 2018) enthalten keine Regelungen zu Sanierungsgebieten, aus denen die Bezirke in ihrer Zuständigkeit die Konkretisierung sozialer Sanierungsziele ableiten können. Insofern gibt es keinen Verstoß gegen die WFB 2018. Der Rahmenplan sieht für das benannte Grundstück als Hauptnutzung Wohnen vor. Die Neubauplanungen der IG Metall mit einem Anteil von 30% Wohnnutzung weicht vom Rahmenplan ab. Nach Auskunft des Bezirks ist allerdings die hohe Lärm- und Verkehrsbelastung zu beachten, die keine guten Wohnverhältnisse an der Lindenstraße entstehen lassen. Frage 4: Erfordert die Umsetzung der Pläne einen Beschluss des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg zur Änderung der Sanierungsziele und hat der Senat Kenntnis von dem – laut o.g. Protokoll der 6. Sanierungsbeiratssitzung – bereits vorliegenden Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung? Antwort zu 4 Die Umsetzung der Pläne der IG Metall erfordert einen Beschluss des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg zur Änderung der Sanierungsziele. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat Kenntnis, dass dem Bezirksamt ein Antrag auf sanierungsrechtliche Genehmigung vorliegt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist für die Prüfung von Bauvorhaben im Rahmen der sanierungsrechtlichen Genehmigung und Konkretisierung der Sanierungsziele zuständig. Frage 5: Welche Kenntnis hat der Senat darüber, ob der Bezirk den Änderungswünschen für den Neubau mit überwiegender Bürofläche ohne Berücksichtigung der Auflagen für einen Anteil an mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen nachkommen will? Antwort zu 5: Nach Kenntnis des Senats beabsichtigt der Bezirk eine Angleichung der Sanierungsziele mit den aktuellen Planungen für das Neubauvorhaben der IG Metall. Nach Auskunft des Bezirks steht eine abschließende Entscheidung dazu noch aus. 3 Frage 6: Inwiefern ist der Senat selbst in den Genehmigungsvorgang einbezogen und kann Einfluss darauf nehmen? Antwort zu 6: Der Senat ist nicht in das Genehmigungsverfahren einbezogen. Frage 7: Die Gebietsvertretung kritisiert laut o.g. Protokoll, „dass die IG Metall trotz der gesellschaftlichen Funktion als Vertreter von Arbeitnehmern keinen mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum errichtet“. Teilt der Senat diese Kritik und welche Signale könnte aus Sicht des Senats an andere Bauträger aussenden, ausgerechnet eine Gewerkschaft von Pflichten zu befreien, mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum zu schaffen, zumal in einem Sanierungsgebiet, das dieses Ziel vorschreibt? Antwort zu 7: Die Bezirke sind angehalten, die übergeordneten Ziele für eine sozial verträgliche Stadterneuerung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Konkretisierung der Sanierungsziele und die Erarbeitung und Fortschreibung der Sanierungsplanung gemäß Rundschreiben IV 1/2017 zu beachten. Ziffer 1 des Rundschreibens enthält unter anderem: „…Dabei steht die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung im Vordergrund, das heißt von einkommensgerechten Angeboten nach den konkreten gebietsspezifischen Erfordernissen…“. Frage 8: Welche Gründe sind dem Senat bekannt, warum die IGM eine Förderung für mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum verweigert und hält er den Verweis der Gewerkschaft auf die aktuell hohen Baukosten für stichhaltig, die laut o.g. Protokoll „bereits eine Miete von unter 10 Euro/m2 nur durch eine Querfinanzierung aus den Gewerbemieten möglich machen“? Hat diese Kalkulation Bestand vor der Tatsache, dass die IGM Eigentümerin des zu bebauenden Grundstücks ist? Antwort zu 8: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg prüft und genehmigt das Bauvorhaben der IG Metall. Daher obliegt ihm die Klärung von Angaben zur Planung. Nach Auskunft des Bezirks stellt sich der Sachstand folgendermaßen dar: „Zur Begründung der Abweichung von einem Anteil von mindestens 30 % der Wohngeschossfläche als mietpreis- und belegungsgebundener Wohnraum (Bezirksamtsbeschluss V_133_2018 vom 23.01.2018) ist dem Bezirksamt Folgendes bekannt: Die Notwendigkeit und die Dringlichkeit der Schaffung von „bezahlbarem Wohnraum" im Bereich des Sanierungsgebiets Südliche Friedrichstadt ist der IG Metall durchaus bewusst. Daher sollen auf dem Baugrundstück auch in einem 7-geschossigen Baukörper an der Neuenburger Straße 24 Wohneinheiten im sog. „preisgedämpften Segment" (Kaltmiete unter 10 €/ m²) entstehen. Wenn diese fertiggestellt sind, befinden sich auf dem Areal der IG Metall/ IGEMET dann insgesamt 69 Wohnungen. Die Wohnungen sollen im Rahmen der Kriterien einer noch zu treffenden städtebaulichen Vereinbarung mit dem Bezirksamt insbesondere an „Normal-Verdiener", also z.B. Pflegepersonal, Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Mitarbeiter der Stadtwerke, Arbeiter, Angestellte auf Sachbearbeiterebene und Alleinerziehende vermietet werden, also an Mieter/innen, deren Haushaltseinkommen zu hoch für eine geförderte Wohnung, aber zu niedrig für eine (Neubau-)Wohnung mit den üblichen Markt-Mietkonditionen ist. Da für die IG Metall/ IGEMET ein einträchtiges Zusammenleben der Mietparteien von hoher Bedeutung und Wichtigkeit ist, will sie auch selbst darüber entscheiden, wer in ihre Wohnungen einzieht. 4 Eine monatliche Kalt-Miete von 6,50 €/ m² ist dabei für die IG Metall/ IGEMET, die ihre Mitgliedsgelder treuhänderisch verwaltet und nur im Rahmen der Satzung verwenden darf, nicht darstellbar, weil bereits die Kostenmiete (ohne Berücksichtigung des Grundstücks) bei den derzeitigen Baukosten bei mind. 10 € liegt. Eine nicht unerheblich darunter liegende Miete würde automatisch zu einer Abwertung der Immobilie, also zu einer bilanztechnischen Vernichtung von IG Metall-Vermögen und damit zu einem treuwidrigen Verhalten der Verantwortlichen führen.“ Frage 9: Welche Kenntnis hat der Senat über den Bedarf an preiswertem Wohnraum im Sanierungsgebiet Südliche Friedrichstadt und wie korrespondiert dieser mit dem Bauvorhaben der IGM? Antwort zu 9: Zur Konkretisierung der sozialen Sanierungsziele in der Südlichen Friedrichstadt hat der Bezirk eine Studie in Auftrag gegeben, in der der Wohnraumbedarf für verschiedene Einkommensgruppen ermittelt wurde. Diese Studie ist dem Senat bekannt. Sie erwähnt unter anderem, dass bei Wohnungsneubau größtmögliche Anteile an preisgünstigem Wohnraum vorzusehen sind. Sie erwähnt auch die Notwendigkeit, breite Schichten der Bevölkerung und einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Berlin, den 27.08.2019 In Vertretung Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen