Drucksache 18 / 20 454 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm (LINKE) vom 07. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2019) zum Thema: Antiziganistische Vorfälle in Berlin 2017/2018 und Antwort vom 20. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 7 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20 454 vom 07. August 2019 Antiziganistische Vorfälle in Berlin 2017/2018 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele antiziganistische Vorfälle hat der Senat seit der Einführung des Unterthemas Antiziganismus beim Themenfeld „Hasskriminalität“ in Berlin verzeichnet? (Bitte einzeln nach Delikt, Datum und Bezirk aufschlüsseln.) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Frage bildet der bundeseinheitlich geregelte Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD- PMK). Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren eingeleitet oder an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, der Tathandlungen, der Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Um die Fallzahlen übersichtlich und in Teilbereichen vergleichbar darzustellen, erfolgt die Unterteilung in die Deliktsarten Gewaltdelikte, Propagandadelikte und sonstige Delikte. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstandssowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Propagandadelikte sind Verstöße gegen § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) und gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). Die sonstigen Delikte beinhalten alle weiteren Strafrechtsnormen des Strafgesetzbuches sowie der Strafrechtsnebengesetze. Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen − gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil − einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Bis zur Veröffentlichung des Berichts „Politisch motivierte Kriminalität in Berlin 2018“ werden ausschließlich die Fälle ausgewertet, die die Grundlage für die Veröffentlichung des Seite 2 von 7 Kurzüberblicks zur PMK in Berlin 2018 bildeten. Diese tragen daher den Erhebungsstand 11. Februar 2019 und sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Antiziganistische Vorfälle in Berlin 2017 – 2018 Straftatbestände Tatzeit Ortsteil Phänomenbereich § 130 StGB Volksverhetzung 02.01.2017 Kreuzberg PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 08.02.2017 Mitte PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 01.03.2017 Tempelhof PMK -rechts- § 224 StGB Körperverletzung 06.04.2017 Neukölln PMK -AI- § 185 StGB Beleidigung 09.04.2017 Neukölln PMK -AI- § 130 StGB Volksverhetzung 22.04.2017 Friedrichshain PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 13.10.2017 Weißensee PMK -rechts- § 185 StGB Beleidigung 21.10.2017 Neu- Hohenschönhausen PMK -rechts- § 185 StGB Beleidigung 09.01.2018 Mitte PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 12.02.2018 Prenzlauer Berg PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 18.03.2018 Neukölln PMK -rechts- § 241 StGB Nötigung/Bedrohung 25.03.2018 Altglienicke PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 28.03.2018 Tempelhof PMK -nicht zuzuordnen- § 130 StGB Volksverhetzung 09.04.2018 Halensee PMK -rechts- § 86a StGB Propagandadelikt 09.05.2018 Pankow PMK -rechts- § 185 StGB Beleidigung 29.06.2018 Pankow PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 08.07.2018 Adlershof PMK -rechts- § 185 StGB Beleidigung 27.08.2018 Altglienicke PMK -rechts- § 130 StGB Volksverhetzung 28.08.2018 Kreuzberg PMK -rechts- § 185 StGB Beleidigung 02.10.2018 Kreuzberg PMK -rechts- Seite 3 von 7 2. Mit welchen konkreten Methoden der Aus- und Fortbildung und welchen allgemeinen Maßnahmen werden Mitarbeiter*innen der Berliner Sicherheitsbehörden im Umgang mit antiziganistischer Hetze und/oder Gewalt sensibilisiert? Bitte einzeln nach Maßnahmen aufschlüsseln. Zu 2.: Alle Polizistinnen und Polizisten werden in der Aus- und Fortbildung über das Wertesystem des Grundgesetzes aus gesellschaftlicher und rechtlicher Perspektive unterrichtet. So wird beispielsweise der Bereich „Antidiskriminierung“ in der Unterrichtseinheit zum Thema „Vorurteile“ intensiv behandelt und in Rollenspielen mit anschließender Auswertung thematisiert. Im Fach Politische Bildung wird das Thema „Antidiskriminierung“ ebenfalls erörtert, beispielsweise in Unterrichtseinheiten zur Diversitätskompetenz und darüber hinaus insbesondere dann, wenn die Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit als Grundrechte thematisiert werden. In der Seminarreihe zur Interkulturellen Kompetenz für die Auszubildenden für den mittleren Polizeivollzugsdienst wird unter Einbeziehung externer Referentinnen und Referenten umfassend an der Weiterentwicklung der entsprechenden Fähigkeiten der Teilnehmenden gearbeitet. Neben der Pflicht zur Gleichbehandlung werden auch berufsethische Aspekte thematisiert, wie das Rechtsstaatsprinzip im Wertekontext des Grundgesetzes und die Bedeutung für das polizeiliche Handeln. Im Bachelorstudiengang Gehobener Polizeivollzugsdienst findet eine Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung und Vorurteile sowohl in Veranstaltungen des Pflichtbereiches als auch in Wahlpflichtbereich, also in den Vertiefungsmodulen, statt. Dazu gehören beispielsweise die Themen Wahrnehmung – soziale Wahrnehmung einschließlich der Entstehung von Vorurteilen und Diskriminierung sowie die Vorstellung einzelner Normen. Unter dem Titel „Diversity – Vielfalt aktiv gestalten“ werden im Rahmen der Fortbildung für Führungskräfte Inhouse-Seminare des Diversity-Büros der Polizei Berlin durchgeführt. Dort werden durch die Auseinandersetzung mit eigenen Wahrnehmungen, Werten und Verhaltensweisen ein verbessertes Bewusstsein für Diskriminierungsmechanismen geschaffen sowie Hintergründe über die Entstehung und Wirkung von Vorurteilen vermittelt. Weiteres ist auch der Antwort zu Frage 3 zu entnehmen. 3. Wie werden darüber hinaus Mitarbeiter*innen anderer öffentlicher Behörden in Berlin zum Thema Antiziganismus sensibilisiert? Über wie viele der antiziganistischen Vorfälle 2017/18 hat die Polizei Berlin eine öffentliche Meldung herausgebracht? (Bitte einzeln nach Meldung aufschlüsseln.) Zu 3.: Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung bietet im Rahmen der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) - Akademie Fortbildungen für Verwaltung und Zivilgesellschaft zur Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt an. Neben allgemeinen Diversity-Trainings wurde im laufenden Jahr eine Fortbildung mit dem Schwerpunkt Antiziganismus angeboten. Darüber hinaus wird über das Berliner „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ beim Träger Amaro Foro e. V. das Projekt "Diversity-Kompetenz als Schlüsselqualifikation in Leistungsbehörden und Sozialberatungsstellen – Schwerpunkt: Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit für Roma" gefördert. Zielgruppe der hier angebotenen Fortbildungen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialberatungsstellen und Leistungsbehörden. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat sich 2017 und 2018 erfolgreich für das Modul „Interkulturelle Trainings“ im Rahmen des Programms ROMACT Transnational Cooperation and Capacity Building (ROMACT T.C.C.) beworben. Die Sensibilisierungsworkshops sollen dazu führen, dass Ressentiments Seite 4 von 7 und Diskriminierung gegenüber der Minderheit abgebaut werden und sind insbesondere an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regelinstitutionen (z.B. Verwaltungen, Schulen, Polizeidirektionen, Ordnungs-, Jugend-, Sozialämter) gerichtet. Bisher wurden insgesamt 13 Workshops in den Bezirken Mitte, Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Marzahn-Hellersdorf und Treptow- Köpenick durchgeführt. Insbesondere die Nachfrage aus den Polizeidirektionen ist sehr hoch. Eine automatisierte Auswertung zum Inhalt von polizeilichen Veröffentlichungen ist nicht möglich. 4. Wie viele antiziganistische Vorfälle kamen aus dem extrem rechten Spektrum? (Bitte einzeln nach Delikt, Datum und Organisation aufschlüsseln.) Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Welche konkreten Maßnahmen und Beratungsstellen mit welchen Beratungsangeboten gibt es in Berlin für die Opfer, die von Antiziganismus betroffen sind? Zu 5.: Über das „Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ fördert der Berliner Senat beim Träger Amaro Foro e.V. das Projekt „Dokumentation von antiziganistisch motivierten Vorfällen. Stärkung der Opfer von Diskriminierung“, das vom Träger im Jahr 2019 in Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) umbenannt wurde. Neben der systematischen Erfassung von antiziganistisch motivierten Vorfällen bietet das Projekt Begleitung und Verweisberatung für Betroffene zu Antidiskriminierungs- und Opferberatungsinstanzen und / oder Anwältinnen oder Anwälten an oder unterstützt Opfer bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Eine Verweisberatung erfolgt in der Regel durch die Träger, die im Rahmen des Aktionsplans zur Einbeziehung ausländischer Roma Sozialberatung anbieten. Dieses Angebot richtet das Projekt auch an Zeuginnen und Zeugen, die Vorfälle melden. Des Weiteren bietet auch die Berliner Opferberatungsstelle ReachOut Unterstützung und Beratung für Opfer und mittelbar Betroffene antiziganistischer Vorfälle. Die Psychologische Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt (OPRA) bietet eine Spezialisierung auf psychologisch fundierte Beratung sowie auf die Behandlung psychischer Folgen einer Traumatisierung durch rechte Gewalterfahrungen an. Schließlich ist beim Träger Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) angesiedelt. Das ADNB bietet u.a. Einzelfallberatung, Rechtsberatung und Begleitung für Betroffene rassistischer Diskriminierung an. Sowohl ReachOut als auch OPRA und das ADNB werden über das Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gefördert. 6. Hat der Senat Kenntnisse darüber, wie häufig diese Beratungsangebote von Betroffenen in den Jahren 2017 und 2018 wahrgenommen wurden? Zu 6.: Im Projekt „Dokumentation von antiziganistisch motivierten Vorfällen. Stärkung der Opfer von Diskriminierung“ wurden im Jahr 2017 über 60 und im Jahr 2018 ca. 50 Beratungsfälle betreut. Das Projekt ADNB des TBB weist für das Jahr 2017 Beratungen für acht Betroffene aus, die explizit antiziganistisch diskriminiert wurden, in 2018 für fünf Betroffene. Das Projekt OPRA führt die Diskriminierungsmerkmale für Seite 5 von 7 die von dort betreuten Klientinnen und Klienten nicht auf. Das Projekt ReachOut erfasst in seiner Aufzählung von Beratungsfällen „Rassismus“ als übergreifendes Diskriminierungsmerkmal. Antiziganismus als Motiv wird nicht gesondert ausgewiesen. 7. Hat der Senat Kenntnisse über antiziganistische Vorfälle an Berliner Schulen? Zu 7.: Bezogen auf die Diskriminierungsdimension Rassismus gegen Sinti und Roma sowie Antiziganismus wurden bei der Antidiskriminierungsbeauftragten der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, folgende Fallzahlen bekannt: Schuljahr 2016/2017 2017/2018 2018/2019 Fälle 12 16 23 8. Gibt es Bestrebungen, Bildungs- und Sensibilisierungsprogramm an Berliner Schulen zu implementieren? a. Wenn ja, welche Bildungs- und Sensibilisierungsprogramm gibt es für Lehrkräfte und Schüler*innen, an deren Schule sich antiziganistische Vorfälle ereignet haben? Bitte einzeln aufschlüsseln. b. Wenn nein, warum nicht und gibt es in diesem Zuge Bestrebungen, Programme an Berliner Schulen zu implementierten, um Lehrende und Schüler*innen bezüglich des Themas Antiziganismus zu sensibilisieren? Zu 8. a. und b.: Die Regionale Fortbildung für Lehrkräfte bietet nachfrageorientiert und bedarfsgerecht Veranstaltungen zu dem Thema an. Dazu gehört beispielsweise die Begleitung in Schulentwicklungsprozessen für Grundschulen mit dem Schwerpunkt „Den Schulalltag mit und für Roma- und Sinti-Kinder“ meistern. Für Lehrkräfte der Sekundarstufen gibt es Fortbildungen in Kooperation mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, welche Materialien für den Unterricht zum Widerstand von Sinti und Roma gegen den Nationalsozialismus in den Mittelpunkt stellen. Im Rahmenlehrplan für Berlin und Brandenburg sind die Akzeptanz von Vielfalt und die interkulturelle Bildung als verpflichtende fachübergreifende Themen verankert. Zur pädagogischen Prävention von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, beispielsweise in Form von Antiziganismus, wird in Berlin ein breiter Ansatz gewählt. Dabei wird grundlegend auf die Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt, die Erziehung zur Gewaltfreiheit und Toleranz und die Ermutigung zur kritischen Reflektion über eigene Vorurteile abgezielt. 9. Wie viele Übergriffe gab es 2017/18 dezidiert auf wohnungslose Sint*ezza und Rom*nja in Berlin und durch wen? (Bitte einzeln nach Delikt, Bezirk, Datum und Tatmotiv aufschlüsseln.) Zu 9.: Eine automatisierte Auswertung von Daten im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. 10. Welche Erkenntnisse hat der Senat über ein gezieltes Vorgehen von organisierten extrem Rechten (NPD, Dritter Weg, Kameradschaften, etc.) in Bezug auf antiziganistische Hetze und in welcher Form geschieht das? Zu 10.: Antiziganismus ist ein elementarer Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie. Sinti und Roma sind seit ihrer Verfolgung im Dritten Reich durchgängig Feindbild von Rechtsextremisten geblieben. Diese verwenden in ihrer Agitation in der Regel den Seite 6 von 7 diskriminierenden Begriff „Zigeuner“, den sie pauschal mit organisierter Kriminalität und gesellschaftlicher Randständigkeit in Verbindung bringen. Die NPD behauptet beispielsweise aktuell auf ihrem Facebook-Profil in mehreren Berichten über ihre so genannte „Schutzzonenkampagne“, dass Sinti und Roma („Zigeuner“) insbesondere in touristischen Innenstadtbereichen Eigentumsdelikte und andere Straftaten begehen würden. Die NPD schürte darüber hinaus mit ihrem Wahlslogan „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ antiziganistische Ressentiments. Aktuelle antiziganistische Kampagnen weiterer rechtsextremistischer Gruppierungen oder Parteien sind dem Senat nicht bekannt. 11. Wie steht der Senat zu der zivilgesellschaftlichen Forderung über die Einrichtung einer zentralen Monitoringstelle für antiziganistische Vorfälle? Zu 11.: Die in der Antwort zu Frage 5 genannte Beratungsstelle DOSTA erfüllt aktuell die Aufgabe der Darstellung antiziganistischer Vorfälle und deren Einordnung in Berlin. 12. Wie plant der Senat, bestehende Strukturen wie Vereine, die sich gegen Antiziganismus auf Landesebene einsetzen, zu stärken? Zu 12.: Der Berliner Senat beabsichtigt, auch weiterhin Mittel für Maßnahmen gegen Antiziganismus im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zur Verfügung zu stellen. 13. Die polizeiliche Kriminalstatistik 2017 verzeichnet für das Land Berlin die meisten Tatverdächtigen für das Phänomen „Trickdiebstahl in Wohnungen“ als Sint*ezza und Rom*nja. Wie beurteilt der Senat diese Einteilung und hat der Senat darüber hinaus Kenntnisse, auf welche Weise polizeistatistische Erhebungen zu diesem Phänomen zustande kommen? 14. Kann der Senat ausschließen, dass die Polizei bei bestimmten Tatverdächtigen für bestimmte Deliktsbereiche „Sinti und Roma“ oder andere ethnische Gruppen als Gruppenzugehörigkeit erhebt? Wenn ja, wie kann dies ausgeschlossen werden? Wenn nein, auf welche Weise, bei welchen Deliktsbereichen, durch Beamte welcher polizeilichen Untergliederungseinheit und auf welcher Rechtsgrundlage wird eine solche Gruppenzugehörigkeit erhoben? Zu 13. und 14.: Im Polizeilichen Landessystem für Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) erfolgt keine Erfassung der ethnischen Zugehörigkeit von Tatverdächtigen. Die angesprochenen Aussagen bezogen sich auf Erkenntnisse, die sich unmittelbar aus der konkreten Vorgangsbearbeitung ergaben und entstammten nicht der Erfassung und Auswertung einer Minderheitenzugehörigkeit. So bezeichneten sich Tatverdächtige in Vernehmungen beispielsweise selbst als Angehörige dieser ethnischen Gruppe. Dem Senat ist durchaus bewusst, dass der notwendige Schutz einzelner Bevölkerungsgruppen vor Diskriminierung sowie der Bildung von Vorurteilen und Ressentiments einerseits und das legitime Informationsbedürfnis staatlicher Stellen, wie beispielsweise von Polizei, Jugend- und Sozialarbeit andererseits, ein Spannungsfeld darstellen. In Abwägung der verschiedenen Interessen hat sich der Senat entschieden, in der Veröffentlichung zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2018 auf die Erwähnung dieser ethnischen Zugehörigkeit zu verzichten. 15. Am 18. Juni 2018 schoss ein Mann in einem Wohnblock in Friedrichshain auf ein siebenjähriges Roma-Mädchen. Nach seiner Festnahme wurde er als geistig verwirrt eingestuft und aus der Haft entlassen. Wie beurteilt der Senat diese Tat und sieht er einen antiziganistischen Hintergrund? Welche Kenntnisse hat der Senat darüber hinaus über den aktuellen Stand der Ermittlungen? Seite 7 von 7 Zu 15.: Nach dem Eindruck der Polizei stand als Motiv für die Tat die als Lärmbelästigung empfundene Geräuschkulisse im unmittelbaren Wohnumfeld des Täters im Vordergrund. Dieser Einschätzung zur Motivlage des Täters hat sich die Staatsanwaltschaft nach selbstständiger Würdigung der sich aus der Ermittlungsakte ergebenden Sachverhaltsfeststellungen angeschlossen. Nach Anklageerhebung wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, weil der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten entgegensteht. Berlin, den 20. August 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport