Drucksache 18 / 20 462 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 29. Juli 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. August 2019) zum Thema: Linksextremismus in Berlin – Übergriffe auf Einsatzkräfte (IV) und Antwort vom 21. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Aug. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20462 vom 29. Juli 2019 über Linksextremismus in Berlin – Übergriffe auf Einsatzkräfte (IV) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Begriff „Friedrichshainer Nordkiez“ ist keine eindeutig definierte Ortsbezeichnung. Der jeweilige Bezugsraum zu den abgefragten Daten wird in den Antworten zu den jeweiligen Fragen angegeben. 1. Wie viele und welche konkreten Gewaltdelikte wurden in den letzten neun Jahren im Friedrichshainer Nordkiez und insbesondere in der Rigaer Straße sowie in der Liebigstraße verzeichnet? (Aufstellung nach Deliktsarten und Jahren erbeten.) Zu 1.: Für die vorliegende Abfrage wurden die Straßen „Rigaer Straße“ und „Liebigstraße“ als Abfrageparameter ausgewertet. Bezogen auf das Thema dieser Schriftlichen Anfrage „Linksextremismus“ werden nachstehend die der PMK – links (Politisch motivierte Kriminalität“ – links) zuzuordnenden Gewaltdelikte der letzten neun Jahre dargestellt. Grundlage für die nachfolgende Beantwortung der Frage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD- PMK). Dabei handelt es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen und nicht um Einzelstraftaten. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – ggf. bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es Seite 2 von 7 sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. Insgesamt sind für die Rigaer Straße und die Liebigstraße 306 Gewaltdelikte der PMK – links zu verzeichnen. Gewaltdelikte sind Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte, Landfriedensbrüche, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung und Widerstands- (einschließlich tätlicher Angriff) sowie Sexualdelikte einschließlich der Versuche. Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Gewaltdelikte 13 52 17 6 28 61 67 44 18 (Quelle: Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der „Politisch motivierten Kriminalität“ (KPMD- PMK), LKA 511, 11. Februar 2019) Auf Grundlage der KPMD-PMK Auswertung werden, wie vorgenannt, Lebenssachverhalte dargestellt. Die tatsächliche Anzahl der Gewaltdelikte – ungeachtet einer politischen Motivation – wird nicht dargestellt. Um eine größtmögliche Bewertung zu ermöglichen, werden nachfolgend auch alle Gewaltdelikte der letzten neun Jahre für die relevanten Kontaktbereiche (KoB) des raumverantwortlichen Abschnitts 51 abgebildet. Die gewählten Kontaktbereiche bilden in etwa den angefragten Bereich ab. Bei den nachfolgend aufgelieferten Fallzahlen handelt es sich um Ergebnisse tagesaktueller, verlaufsstatistischer Auswertungen. Dadurch kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Jahr: Delikt: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Gewaltdelikte 215 286 209 155 200 272 273 209 173 darunter: Tötungsdelikte 1 1 1 0 0 3 0 0 0 Körperverletzungen 93 150 111 91 124 133 139 132 113 Branddelikte 62 63 28 17 23 42 32 16 10 Sprengstoffdelikte 3 4 5 16 3 11 10 4 4 Landfriedens - brüche 8 20 31 3 18 29 32 15 0 Gef. Eingriffe in den Schiffs-, Luft-, Bahn- 5 11 4 1 4 4 6 6 10 Seite 3 von 7 und Straßenverkehr Freiheitsberaubung 2 1 1 1 1 1 0 0 0 Raubdelikte 16 9 14 11 5 11 9 10 8 Erpressung 0 0 0 0 1 0 1 2 3 Widerstand gegen Vollstreckungs - beamte 17 26 9 9 15 27 36 17 16 Sexualdelikte 8 1 5 6 6 11 8 7 9 (Quelle: DWH-FI Abfrage, LKA St 14, mit Stand: 9. August 2019, Gewaltdelikte (gemäß Definition von LKA 5 KPMD) 2. Wie viele tätliche Angriffe wurden in den letzten fünf Jahren im Friedrichshainer Nordkiez auf Einsatzkräfte verübt und in wie vielen Fällen handelte es sich dabei um Angriffe mittels Bewurf mit Gegenständen wie Farbbeuteln, Flaschen oder Steinen? (Aufstellung nach Jahren und Monaten erbeten.) Zu 2.: Eine separate Erfassung der tätlichen Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen ist erst seit der im Rahmen des „52. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ vom 23. Mai 2017 erfolgten Neufassung der §§ 113 − 115 StGB und der damit verbundenen Änderung der bundesweiten Erfassungsschlüssel zum Jahresbeginn 2018 möglich. Der nachstehenden Tabelle ist die Anzahl der Einsatzkräfte, die im Jahr 2018 im Bezugsraum der KoB 5101, 5102, 5104 und 5105 Opfer eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen wurden, zu entnehmen. Monat / Jahr Anzahl der durch tätlichen Angriff gemäß §§ 114 − 115 StGB geschädigten Einsatzkräfte 03.2018 11 04.2018 1 09.2018 2 11.2018 3 2018 gesamt 17 (Quelle: DWH-FI, Abfrage vom 9. August 2019) Zur Darstellung der Jahre ab 2014 wurde zusätzlich ausgewertet, wie viele Dienstkräfte der Polizei Berlin sowie gleichgestellte Personen im Bezugsraum der zuständigen Kontaktbereiche in Ausübung ihres Dienstes als Geschädigte einer Körperverletzung registriert wurden. Die entsprechende Monatsübersicht ist in der nachfolgenden Tabelle enthalten. Seite 4 von 7 Monat/Jahr Anzahl der durch Körperverletzung geschädigten Einsatzkräfte 01.2014 2 04.2014 2 05.2014 2 06.2014 24 07.2014 4 08.2014 1 09.2014 6 10.2014 7 2014 gesamt 48 02.2015 1 04.2015 13 06.2015 1 07.2015 20 08.2015 4 09.2015 5 11.2015 14 12.2015 13 2015 gesamt 71 01.2016 4 02.2016 49 05.2016 8 06.2016 22 07.2016 47 10.2016 1 2016 gesamt 131 04.2017 5 05.2017 14 06.2017 4 07.2017 7 08.2017 16 09.2017 1 10.2017 7 11.2017 21 2017 gesamt 75 01.2018 1 02.2018 1 03.2018 1 04.2018 3 09.2018 1 11.2018 4 2018 gesamt 11 Summe 336 (Quelle: DWH-FI, Abfrage vom 9. August 2019) Seite 5 von 7 3. Welche und wie viele Strafanzeigen wurden in Folge dieser tätlichen Angriffe auf Einsatzkräfte gefertigt? Zu 3.: Die Anzahl der Strafanzeigen, die in Folge dieser tätlichen Angriffe gefertigt wurden, ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Jahr: 2014 2015 2016 2017 2018 Deliktsbezeichnung Körperverletzung (vorsätzliche einfache) 14 12 16 6 0 Gefährliche Körperverletzung 12 26 33 23 6 Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen 0 0 0 0 6 Gesamt 26 38 49 29 12 Quelle: DWH-FI (Data-Warehouse-Führungsinformation), Abfrage vom 9. August 2019 4. Wie viele Einsatzstunden leistete die Berliner Polizei seit Herbst 2015 im Friedrichshainer Nordkiez bis heute ab? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 4.: Zur Beantwortung der Frage wurde der kriminalitätsbelastete Ort (kbO) „Rigaer Straße“ ausgewertet, für den Einsatzkräftestunden (EkStd) statistisch erfasst werden, allerdings valide erst seit 2016. Daher erfolgt für das Jahr 2015 keine Darstellung. Im kbO „Rigaer Straße“ werden sowohl durch Mitarbeitende der raumverantwortlichen Direktion 5 als auch durch Dienstkräfte der Direktion Einsatz polizeiliche Maßnahmen (u.a. auch der Schutz von Versammlungen, Präsenzmaßnahmen) getroffen. Bei den aufgeführten Stunden handelt es sich um Einsatzkräftestunden. Zeitraum 2016 2017 2018 2019 (01.01.2019 – 31.07.2019) Direktion 5 4.436 3.747 1724,01 878,55 Direktion Einsatz 112.299 33.895,50 34.491,25 27.217 Summe 116.735 37.642,50 36.215,26 28.092,55 (Quelle: Polizei Management System (PolMan) - Ressourcenerfassung, Dir E, Stand: 9. August 2019, Dir 5, Stand: 9. August 2019) Die vorstehenden einsatzstatistischen Daten können mitunter Änderungen unterliegen, da die Meldungen aus organisatorischen Gründen mit bis zu vier Tagen Nachlauf Eingang in die PolMan-Ressourcendatenbank finden. Die abschließende Bewertung der eingangsstatistischen Daten erfolgt jeweils zum 15. des Folgemonats. Es kann auch zu veränderten Einsatzzahlen kommen, da ggf. Doppelerfassungen bereinigt oder Einzelmeldungen zu Verbundeinsätzen zusammengeführt werden müssen. Aufgrund von Datenanpassungen in der Anfangsphase der Erfassung sind die Werte für Januar und Februar 2016 nicht gänzlich valide zusammenzuführen. Seite 6 von 7 5. Wie oft kam es in den letzten neun Jahren im Friedrichshainer Nordkiez zu Widerstandshandlungen gegenüber Einsatzkräften durch Mitglieder der linksautonomen Szene? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 5.: Als Abfrageparameter wurden bei der Recherche in der KPMD-Datenbank diejenigen Sachverhalte der PMK – links zugrunde gelegt, denen das Unterthema „Polizei“ und als angegriffenes Objekt der Katalogbegriff „Polizei“ zugeordnet wurde. Zusätzlich wurden nur die Widerstandshandlungen gemäß § 113 StGB recherchiert. Für die Rigaer Straße und die Liebigstraße wurden in den letzten neun Jahren insgesamt 34 Widerstände der PMK – links gegen Polizeivollzugskräfte registriert. Diese verteilen sich auf die einzelnen Jahre wie folgt: Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Widerstand 1 9 1 1 1 5 12 3 1 (Quelle: KPMD-Datenbank, LKA 511, Stand: 11. Februar 2019) Entsprechend der Antwort zu Frage 1 wird nachfolgend ebenfalls der tatsächliche Belastungsverlauf aller Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte – ungeachtet einer politischen Motivation – für die relevanten Kontaktbereiche der letzten neun Jahre abgebildet. Jahr: Delikt: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 17 26 9 9 15 27 36 17 10 (DWH-FI Abfrage [für Daten 2018], LKA St 14, mit Stand: 9. August 2019) Seit 2018 werden auch Widerstandshandlungen gegen Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichgestellt sind, einbezogen. Der Wert für das Jahr 2018 ist daher nur eingeschränkt mit den Vorjahreswerten vergleichbar. Bei diesen aufgelieferten Fallzahlen handelt es sich um Ergebnisse tagesaktueller verlaufsstatistischer Auswertungen. Dadurch kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. 6. Konnten im Zusammenhang mit den unter Frage 5 genannten Widerstandshandlungen Tatverdächtige aus den Objekten a) Rigaer Straße 94 und b) Liebigstraße 34 ermittelt werden und mit welchem Ergebnis wurde dies strafrechtlich verfolgt? (Jeweils Aufstellung nach a) und b) erbeten.) Zu 6.: Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. 7. Wurden unmittelbar nach den Widerstandshandlungen polizeiliche Maßnahmen in den Szeneobjekten durchgeführt, um a) Tatverdächtige zu ermitteln und b) die Fortführung bzw. Wiederholung dieser Handlungen zu unterbinden? (Wenn ja, Aufstellung über die Maßnahmen und deren Ergebnisse erbeten.) Seite 7 von 7 Zu 7.: Grundsätzlich führt die Polizei Berlin nach derartigen Vorkommnissen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages sowohl Maßnahmen der Strafverfolgung als auch der Gefahrenabwehr durch. Eine statistische Erfassung dazu findet nicht statt. 8. Wie oft und wann wurden in den letzten neun Jahren Richterbeschlüsse für Wohnungsdurchsuchungen in der der a) Rigaer Straße 91 bzw. b) Liebigstraße 34 beantragt bzw. umgesetzt? (Aufstellung nach a) und b) erbeten.) Zu 8.: Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. 9. Wie ist die derzeitige Weisungslage für Einsatzkräfte unmittelbar nach Straftaten und für die Verfolgung auf frischer Tat? Zu 9.: Die bisherige Weisungslage der Polizei Berlin vom 10. Juli 2015 zum Entscheidungsvorbehalt bei einem gewaltsamen Eindringen in Objekte der linken Szene wurde mit Wirkung zum 7. Juni 2019 geändert. Die grundsätzliche Herangehensweise, bei planbaren, vorhersehbaren Zeitlagen zunächst auf dem Dienstweg eine Bewertung und Entscheidung der Behördenleitung einzuholen, bleibt bestehen. Die neue Weisungslage ermöglicht in Fällen von Eilbedürftigkeit schnelle Entscheidungen ohne Einbindung der Behördenleitung. Die vor Ort eingesetzten Polizeidienstkräfte nehmen Verbindung zum zuständigen Lagedienst der örtlichen Direktion auf. Dieser wiederum nimmt unverzüglich Verbindung zur durch die örtlich zuständige Direktionsleitung festgelegten Dienstkraft des höheren Dienstes mit Entscheidungskompetenz auf. Das Treffen regelmäßig gebotener vorbereitender polizeilicher Maßnahmen wie Anforderung weiterer Kräfte, Absperr- und Sicherungsmaßnahmen am jeweiligen Einsatzort eines Szeneobjekts hat typischerweise kurze Wartezeiten zur Folge. Fälle von gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, die nur durch sofortiges Einschreiten abzuwenden sind, bleiben von der aktualisierten Regelung unberührt. 10. Steht diese Weisungslage im Gegensatz zum geltenden Recht und wenn ja, in wie fern? Zu 10: Nein. Berlin, den 21. August 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport