Drucksache 18 / 20 486 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Bettina Jarasch (GRÜNE) vom 08. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2019) zum Thema: Diskriminierung von Schüler*innen an Berliner Schulen III und Antwort vom 28. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Sebastian Walter und Frau Abgeordnete Bettina Jarasch (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20486 vom 8. August 2019 über Diskriminierung von Schüler_innen an Berliner Schulen III ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Wie viele der Diskriminierungs-Vorfälle an Berliner Schulen, die der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung für die Schuljahre 2017/18 und 2018/19 bekannt gemacht wurden (sei es u.a. in Form von Mitteilung durch die jeweiligen Schulen, durch Eltern, Lehrer*innen, Schüler*innen, der Schulaufsicht, durch persönliche Beschwerden, durch Anzeigen, durch interne Erkenntnisse, durch Hinweise in sozialen Medien, durch öffentliche Berichterstattung oder durch Hinweise von Dritten usw. – siehe auch Schriftl. Anfrage 18/20089), konnten bis zum 30. Juni 2019 durch die Antidiskriminierungsbeauftragte der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung nicht bearbeitet werden? Zu 1.: Eine derartige Erhebung liegt nicht vor, da eine einfache Häufigkeitsauszählung nicht aussagekräftig ist. So können diverse Aspekte zu einer Verzerrung beitragen (bspw. gemeldete Fälle, die von den betreffenden Schulen bereits in eigener Verantwortung bearbeitet werden / wurden sowie weitere Mehrfachmeldungen und unterschiedliches Meldeverhalten). 2.) Wie viele der Vorfälle, die der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung für die Schuljahre 2016/17, 2017/18 und 2018/19 bekannt gemacht wurden (sei es u.a. in Form von Mitteilung durch die jeweiligen Schulen, durch Eltern, Lehrer*innen, Schüler*innen, der Schulaufsicht, durch persönliche 2 Beschwerden, durch Anzeigen, durch interne Erkenntnisse, durch Hinweise in sozialen Medien, durch öffentliche Berichterstattung oder durch Hinweise von Dritten usw. – siehe auch Schriftl. Anfrage 18/20089), in denen Schüler*innen in Berlin sexualisierte Gewalt (Belästigung, Übergriffe und andere Formen) erfahren haben, konnten bis zum 30. Juni 2019 durch die Antidiskriminierungsbeauftragte der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung nicht bearbeitet werden? Zu 2.: Siehe vorherige Antwort zu Frage 1. 3.) Wo finden sich im Senatsentwurf für den Doppelhaushalt 2020/21 die Mittel für die personelle Stärkung der Stelle der*des Antidiskriminierungsbeauftragten? Was sieht die personelle Stärkung konkret vor (bitte in VZÄ und nach Eingruppierung auflisten)? Welches Aufgabenprofil werden die neuen Stellen haben? Wie und Woran bemisst die Senatsverwaltung den Bedarf an personeller Stärkung dieser Stelle und sieht sie hier ggf. weiteren Bedarf? Zu 3.: Die Personalmittel für die Stelle der/des Antidiskriminierungsbeauftragte_n finden sich im Entwurf für den Doppelhaushalt 2020/21 wie folgt: 2020 2021 Kapitel / Titel Maßnahme Entwurf Ansatz (in EUR) Entwurf Ansatz (In EUR) 1000 / 42201 1 VZE A14 Anti-Mobbingbeauftragte*r 1 VZE A14 Mitarbeit Antidiskriminierungsbeauftragte*r (aufgeteilt auf zwei halbe Stellen) 68.410 68.410 71.310 71.310 1000 / 42801 1 VZE E15 Antidiskriminierungsbeauftragte*r 94.120 96.860 Die Aufgabenprofile gemäß der Stellenausschreibungen lauten wie folgt: Antimobbingbeauftragte/r für Schulen • Ansprechperson für Beschwerden und Meldungen mit Bezügen zu Mobbing an Schulen • Beratung von Ratsuchenden und Professionellen im Arbeitsfeld • Abstimmung mit dem Beschwerdemanagement und der/dem Antidiskriminierungsbeauftragten • Mitarbeit bei der Entwicklung von Konzepten zu Anti-Mobbingstrategien • Aufnahme, Bearbeitung und Dokumentation von Beschwerden mit Bezügen zu Mobbing • Clearing und Kooperation mit den SIBUZ. • Qualitätssicherung und Nachsteuerung im Arbeitsfeld 3 Mitarbeit bei der/dem Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen • Ansprechpartner/in für Beschwerden mit Bezügen zu Diskriminierungen, Antisemitismus und Rassismus, Intersektionalität, Inklusion, Mobbing, Anti- Mobbing-Prävention • Diskriminierungskritische Beratung nach den Standards der Antidiskriminierungsberatung • Mitarbeit bei der/dem Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen, Kollegiale Fallberatung • Diskriminierungs- und herrschaftskritische Bildung, Menschenrechtsbildung • Aufnahme, Bearbeitung und Dokumentation von Beschwerden im Arbeitsfeld • Mitarbeit bei der Erstellung von Handreichungen im Arbeitsfeld • Netzwerkarbeit im Arbeitsfeld • Antidiskriminierungsbeauftragte/r für Schulen. Leitung der Arbeitsgruppe Antidiskriminierung • Ansprechperson für Beschwerden und Meldungen mit Bezügen zu Diskriminierungen, Antisemitismus und Rassismus, Inklusion; Mobbing • Beratung von Ratsuchenden und Professionellen im Arbeitsfeld • Abstimmung mit dem Beschwerdemanagement, • Entwicklung von Konzepten und Strategien der diskriminierungskritischen sowie inklusiven Bildung und Professionalisierung, Anti-Mobbingstrategien, Menschenrechtsbildung • Fachliche Begleitung und Fachberatung in Schulen zur Professionalisierung von Lehrkräften und anderen Akteurinnen und Akteuren im Bildungskontext • Aufnahme, Bearbeitung und Dokumentation von Beschwerden mit Bezügen zu Diskriminierungen, Antisemitismus, Rassismus und Mobbing • Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteure und der SenBJF mit dem Ziel einer erhöhten Sensibilisierung im Bereich Diskriminierung, Antisemitismus, Rassismus und Mobbing • Qualitätssicherung und Nachsteuerung im Arbeitsfeld. Die zusätzlichen Stellen dienen dazu, dauerhafte und nachhaltige Strukturen zu schaffen und den Arbeitsaufwand zu bewältigen. 4.) In wie vielen Fällen wurden in den Schuljahren 2016/17, 2017/18 und 2018/19 dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber angestellten (!) Lehrer*innen ergriffen, die Schüler*innen diskriminierend behandelt, bzw. sexualisierter Gewalt ausgesetzt haben (bitte nach Art des Vorfalls und nach der Art der ergriffenen Maßnahmen aufschlüsseln)? Zu 4.: Die Ergreifung dienst- oder arbeitsrechtlicher Maßnahmen obliegt der Schulaufsicht. 5.) Welche arbeits- und dienstrechtlichen Maßnahmen stehen im Falle von diskriminierendem Verhalten oder im Falle von sexualisierter Gewalt durch Lehrer*innen zur Verfügung? 4 Zu 5.: Mögliche Maßnahmen im Disziplinarrecht sind gemäß §§ 6 ff. Disziplinargesetz Berlin (DiszG Bln) der Verweis, die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung und die Entfernung. Darüber hinaus gibt es das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 BeamtStG und gemäß § 41 DiszG (Bln) i.V. m. § 38 BDG die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge. 6.) Plant die für Bildung zuständige Senatsverwaltung, disziplinar- und arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Lehrer*innen, die aufgrund diskriminierenden Verhaltens und/oder sexualisierter Gewalt ergriffen wurden, zukünftig (anonym) zu dokumentieren? Wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Die Ergreifung dienst- oder arbeitsrechtlicher Maßnahmen obliegt der Schulaufsicht. 7.) Wie viele Diskriminierungsfälle dokumentierten zivilgesellschaftliche Beratungsstellen, die sich mit Diskriminierung an Schulen befassen, für den in Frage 1 genannten Zeitraum in Berlin? (Anmerkung der Fragesteller*innen: Die fachliche Bewertung der Erhebung durch die Senatsbildungsverwaltung (siehe Antwort auf Frage 6, Schriftl. Anfrage 18/20089) ist für die Beantwortung der Frage und für die Angabe der Zahlen unerheblich. Daher bitten die Fragesteller*innen um Antwort analog der Beantwortung der Frage 10 in der Drs. 18/16794). Zu 7.: Eine vollumfassende, systematische Datenerfassung aller in Berlin tätigen zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen liegt nach Kenntnis des Senats nicht vor. 8.) Wie erklärt sich die für Bildung zuständige Senatsverwaltung etwaige Unterschiede zwischen den von ihr und den von den zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen erhobenen Zahlen? Zu 8.: Etwaige Unterschiede können auf diverse Gründe in Hinsicht auf die Methodik statistischer Erhebungen zurückgeführt werden. 9.) Der Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass die für Bildung zuständige Senatsverwaltung plant, Schüler*innen als Ansprechpartner*innen für Diskriminierungsfälle zu benennen (vgl. Berliner Morgenpost, „Tatort Schule“, 24.7.19). Wie werden die Schüler*innen ausgewählt? Welche konkrete Aufgabe wird ihnen zugedacht? Wie werden sie auf die Erfüllung der Aufgaben vorbereitet? Sollen diese Schüler*innen die Funktion einer niedrigschwelligen, unabhängigen Beschwerdestelle erfüllen und wenn ja, hält die Senatsverwaltung das für eine Aufgabe, die (minderjährigen) Schüler*innen anvertraut werden kann? Wenn nein, wie gedenkt die Senatsverwaltung der gerade in der Berichterstattung der letzten Wochen häufig erhobenen Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle zu begegnen? 5 Zu 9.: Schüler und Schülerinnen als Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen bei Fällen von Diskriminierung ist ein Teil der Antidiskriminierungsstrategie und ist noch in der Entwicklung. Die Kernidee hierbei ist sowohl Schüler_innen zu sensibilisieren und aktiv miteinzubeziehen als auch ein zusätzliches niedrigschwelliges Angebot zu machen. Siehe darüber hinaus Ds.-Nr. 18/18763. Die Forderung nach der Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle neben der bereits existierenden Antidiskriminierungsstelle und eine damit verbundene Abkopplung von der Bildungsverwaltung erscheint nicht zielführend, da eine Doppelstruktur u.a. zu unklaren Rollen- und Kompetenzverteilungen führen kann. 10.) Der Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass die für Bildung zuständige Senatsverwaltung die Implementierung des Pilotprojekts „Pro Respekt“ mit Sozialarbeiter*innen an Schüler*innen plant, um struktureller Diskriminierung an Schulen entgegenzutreten (vgl. Berliner Morgenpost, „Tatort Schule“, 24.7.19). Wie ist das Pilotprojekt konzeptionell ausgestaltet? Welche Eingriffsrechte werden die Sozialarbeiter*innen im Schulalltag haben, um struktureller Diskriminierung entgegenzutreten? Wer wird mit dem Pilotprojekt betraut? Inwiefern sind der Träger und sein Personal mit Antidiskriminierungsberatung und -arbeit vertraut, bzw. wie garantiert die für Bildung zuständige Senatsverwaltung deren Qualifizierung? Werden die Sozialarbeiter*innen über die fachlich notwendige Ausbildung im Bereich Antidiskriminierung verfügen? Falls ja: wie sieht diese im Detail aus? Zu 10.: Das Programm „proRespekt - gewaltfreie Schule demokratisch gestalten“ verfolgt den begründeten Ansatz 30 Berliner Schulen personell und konzeptionell zu unterstützen. Für die Verstärkung der Gewaltprävention und -intervention sowie zur Vermittlung von Sozialkompetenzen sollen Respekt-Teams und Vorbilder (role models) die meist schon bestehenden Ansätze der Schulen nachhaltig unterstützen sowie die Weiterentwicklung initiieren. Der gewaltpräventive Ansatz dieses Programms setzt den Fokus zunächst auf schulische Entwicklungsprozesse. Kindern und Jugendlichen sollen Kompetenzen zum Umgang mit auftretenden Emotionen und bedrohlichen Situationen vermittelt werden. Zielgruppe des Programms sind aber auch Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal. Sie profitieren von unterschiedlichen Ansätzen und Methoden der Gewaltprävention in der täglichen pädagogischen Praxis. Einen besonderen Stellenwert haben hierbei Strategien gegen Mobbing und Umgang mit sexualisierter Gewalt. „proRespekt“ ist ein Programm zur Gewaltprävention und Intervention. Strategien gegen Diskriminierung stehen hierbei insbesondere dann im Fokus, wenn die am Programm beteiligte Schule dieses Ziel verfolgt. Für die Pilotierung sind drei Schulen in Reinickendorf ausgewählt worden. Das Programm wird durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gesteuert und durch eine Fachstelle/Kompetenzzentrum „proRespekt“ begleitet. Für die eingestellten proRespekt Coaches und proRespekt Piloten wird derzeit ein Qualifizierungskonzept entwickelt. 11.) Wie unterscheidet die für Bildung zuständige Senatsverwaltung in Definition und praktischen Ansätzen (zum Beispiel bei der Prävention) zwischen a) Diskriminierung, b) Mobbing und c) Gewalt an Schulen? Wie bildet sich diese Unterscheidung in den Aufgabenprofilen der*des 6 Antidiskriminierungsbeauftragten und der*des Antimobbingbeauftragten sowie in den Konzeptionen der verschiedenen Projekte und Programme ab? Zu 11.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie geht von folgenden Definitionen bzgl. Mobbing und Diskriminierung aus: Im weiteren Sinne bedeutet Mobbing, andere Menschen vorsätzlich ständig bzw. wiederholt und regelmäßig zu schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen, beispielsweise in der Schule, am Arbeitsplatz, im Sportverein oder im Internet. Typische Mobbinghandlungen sind die Verbreitung falscher Tatsachen, die Zuweisung sinnloser Arbeitsaufgaben, Gewaltandrohung, soziale Isolation oder ständige Kritik an der Arbeit. Grundsätzlich kann Mobbing jede Person treffen. Gleichzeitig gibt es aber auch einen engen Zusammenhang zu Diskriminierung: Wenn Menschen wegen rassistischer Zuschreibungen, ihres Geschlechts oder irgendeines anderen Diskriminierungsmerkmals gemobbt werden. Im Unterschied zum Mobbing gibt es für Diskriminierung ein bestimmtes Motiv, beim Mobbing ist dieses oft nicht ersichtlich, sondern jemand wird meist zum Gelegenheits- oder Zufallsopfer. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie folgt hier der Definition der UN Antirassismuskonvention. Diskriminierungen sind demnach: Unterscheidung(en), Ausschließung(en), Beschränkung(en) oder Bevorzugung(en), die zum Ziel oder zur Folge haben, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird. Dies beinhaltet im Gegensatz zum Mobbing auch Effekte von Handlungen und Prozessen, die keiner rassistischen bzw. diskriminierenden Absicht unterliegen. Die Aufgabenprofile der*des Antidiskriminierungsbeauftragten und der*des Antimobbingbeauftragten sind entsprechend verfasst worden (vgl. 3.). Die Notfallpläne für Berliner Schulen enthalten sowohl einen Notfallplan im Sinne eines Handlungsleifadens zu „Mobbing“ als auch zu verschiedenen Formen von Gewalt in der Schule, wie bspw. zu „schwere körperliche Gewalt“, „sexuelle Übergriffe“, „Beleidigung, Drohung, Tätlichkeit“ etc. Ein Ergänzungsblatt „Diskriminierung“, im Sinne weiterführender Informationen, findet sich ebenfalls im Notfallordner. Innerhalb des Landesprogramms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ wird das Themenfeld nicht differenziert. Mobbing und Diskriminierung werden im Rahmen der Gewaltprävention von den Schulsozialarbeiter*innen bearbeitet. Berlin, den 28.08.2019 In Vertretung Beate Stoffers Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie