Drucksache 18 / 20 489 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 07. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. August 2019) zum Thema: Horst Wessel und Silvio Meier und Antwort vom 29. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20489 vom 7. August 2019 über Horst Wessel und Silvio Meier Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Führungsfigur der Berliner SA Horst Wessel starb am 23. Februar 1930 nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit politischen Gegnern. Die Benennung zahlreicher Gebäude, Plätze und Berliner Strassen mit seinem Namen wurde nach 1945 rückgängig gemacht. Der Hausbesetzer Silvio Meier starb am 21. November 1992 nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit politischen Gegnern. Die Umbenennung eines Teiles der "Gabelsbergerstraße" in Friedrichshain- Kreuzberg in "Silvio-Meier-Straße" erfolgte am 26. April 2013. Frage 1: Entspricht die Umbenennung der "Gabelsbergerstrasse" in "Silvio-Meier-Straße" den Ausführungsvorschriften zu § 5 des Berliner Strassengesetzes, welche laut Auskunft des Senates zur Anfrage Drucksache 18/18473 "Umbenennung der Karl-Marx-Allee?" bei Personen mit NS- oder SED- Vergangenheit zur Anwendung kommen? Antwort zu 1: Die Umbenennung der „Gabelsbergerstraße“ in „Silvio Meier Straße“ entspricht den Ausführungsvorschriften zu § 5 des Berliner Straßengesetzes. Die angedeutete Analogie zur Umbenennung der Karl-Marx Allee geht fehl, da die Regelungen in Nr. 2 Abs. 2 Buchst. c in diesem Fall nicht einschlägig ist. Franz Xaver Gabelsberger ist bereits am 4. Januar 1849 verstorben und war, anders als z.B. Horst Wessel, kein geistig-politischer Wegbereiter und Verfechter der nationalsozialistischen Ideologie und Gewaltherrschaft. Er war auch kein Verfechter stalinistischer Gewaltherrschaft oder kommunistischer Unrechtsregime. 2 Frage 2: Wie wurde die Umbenennung begründet? Antwort zu 2: Die Umbenennung der Gabelsbergerstraße in Silvio-Meier-Straße lag in der Zuständigkeit des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin. Zur Begründung der Umbenennung verweist der Bezirk auf die Drucksache DS/2032/III der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. In dieser wird u.a. ausgeführt, dass eine Benennung im öffentlichen Raum sich damit verbinde, „den hohen Stellenwert von zivilgesellschaftlichem Engagement gegen Rechts als gemeinsamer Aufgabe aller DemokratInnen Ausdruck zu verleihen“. Frage 3: Mit der Verleihung des "Silvio-Meier-Preises" bezieht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in einer Pressemitteilung vom 06.06.2019 laut Eigensicht "klare Position gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung und will aktives, gewaltfreies Eintreten für Freiheit, politische und kulturelle Emanzipation unabhängig von Herkunft, Religion, sozialer Stellung oder sexueller Identität ermutigen und entsprechendes Handeln unterstützen und ehren." a. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass Silvio Meier für seine Positionen keineswegs nur "gewaltfrei eintrat", die für ihn tödlich endende Messerstecherei vielmehr auch durch gewaltsames Verhalten seinerseits provoziert worden war? Antwort zu 3 a: Der Senat ist der Auffassung, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf. Er hält die in der Frage enthaltende Unterstellung, dass die Tötung von Silvio Meier von diesem selbst und damit vom Opfer provoziert sei, für eine Verharmlosung eines brutalen Gewaltaktes, die sogar als dessen Legitimierung verstanden werden könnte. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nimmt wie folgt Stellung: „Silvio Meier war ein Mensch, der mutig für Freiheit und Demokratie eintrat. Er war in der Friedens-und Menschenrechtsbewegung der DDR aktiv sowie engagiert gegen Rechtextremismus. Am 21. November 1992 wurde im U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain der damals 27-jährige Silvio Meier von Neonazis erstochen.“ Frage 3 b: Der diesjährige "Silvio-Meier-Preis" wurde an eine Person vergeben, welche bei einer Messerstecherei im Görlitzer Park eingegriffen haben soll. Hat der Senat Kenntnis von den Umständen der Tat und den ggf. politischen Motiven der Beteiligten? Antwort zu 3 b: Der Senat hat keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Person, an die der Preis verliehen wurde, in die Messerstecherei eingegriffen hat. Zivilcourage und streitschlichtendes Engagement sind für den Senat kein Ausdruck einer politischen Gesinnung, sondern 3 sollten in jeder freien und demokratischen Gesellschaft Vorbild und Grund für Anerkennung sein. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg führt hierzu aus: „Der Silvio-Meier-Preis 2019 wurde unter anderem an Wahab Camara vergeben, der mutiges und entschlossenes Handeln zeigte, als er am 27.10.2018 bei einem Messerangriff auf einen jungen Mann am Görlitzer Park einschritt und dabei selbst zum Opfer wurde. Durch seine selbstlose Tat konnte Wahab Camara Schlimmeres verhindern. Im Moment seines Handelns stellte er das Leben des Opfers über seine eigene Person. Die Konsequenz, eine lebensgefährliche Verletzung, nahm er dabei selbstlos in Kauf.“ Der Senat ist im Übrigen der Auffassung, dass angesichts erstarkendem Rechtsextremismus, wachsendem Rassismus und diskriminierender Äußerungen im gesellschaftlichen, aber zunehmend auch im politischen und parlamentarischen Raum, das engagierte und gewaltfreie Eintreten für Freiheit, Demokratie und Antidiskriminierung gefördert werden sollte. Hierzu trägt auch der Silvio-Meier-Preis bei. Frage 4: Leistet die Verleihung des "Silvio-Meier-Preises" nicht der Idee Vorschub, dass politische Militanz gerechtfertigt ist, wenn sie von der „richtigen“ Seite kommt? Inwieweit trägt sie zur Unterhöhlung des staatlichen Gewaltmonopols bei? Antwort zu 4: Die Annahme, dass die Verleihung des Silvio-Meier-Preises „politische Militanz“ rechtfertigen könne, kann der Senat nur als abwegig bewerten. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg führt dazu aus: „Der Silvio-Meier-Preis ehrt Einzelpersonen, Gruppen, Initiativen oder Projekte, die sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aktiv gegen soziale Bevormundung, Entmündigung, Diskriminierung, soziale und kulturelle Ausgrenzung einsetzen oder eingesetzt haben. Es sollen auch herausragende Handlungen oder das Zeigen von Zivilcourage gegenüber rechtsextremistisch und rassistischer motivierter Gewalt oder Aktionen geehrt werden.“ Berlin, den 29.08.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz