Drucksache 18 / 20 508 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 12. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. August 2019) zum Thema: ...und dann sterben sie auf der Straße? – Welche Perspektiven gibt es in der Obdachlosen-, Drogen- und Suchthilfe? und Antwort vom 02. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20508 vom 12.08.2019 über ...und dann sterben sie auf der Straße? – Welche Perspektiven gibt es in der Obdachlosen-, Drogen- und Suchthilfe? ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorab sei darauf hingewiesen, dass die Fragenstellungen im Kontext der jeweiligen Leistungs- und Hilfesysteme - Wohnungslosenhilfe sowie Sucht- und Drogenhilfe - zu betrachten sind. So stehen bei Wohnungslosigkeit die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten im Vordergrund. Im Vordergrund stehen niedrigschwellige Leistungen zur Existenzsicherung sowie die Weitervermittlung in die Regelversorgung. Der Landesbeauftragte für Psychiatrie sowie die Landesdrogenbeauftragten – angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – koordinieren die Planung der gemeindepsychiatrischen Versorgung für psychisch kranke Menschen sowie präventive Maßnahmen und niedrigschwellige Angebote für Menschen mit problematischem Drogenkonsum. Die Angebote und Leistungen der Drogen- und Suchthilfe richten sich an drogenkonsumierende Menschen. Die Angebote für die jeweiligen Personenkreise werden somit in spezifischen Hilfesystemen erbracht, so dass die Beantwortung dieser Struktur folgt. 1. Welche Erfahrungen gibt es und wie stellen sich die konkreten Planungen zur Umsetzung folgender Einsatzmodelle in den Bereichen Drogen- und Suchthilfe sowie Obdachlosigkeit dar? 2 a) aufsuchende Fachangebote/ Fachdienste zusätzlich zu Streetworkern b) psychologisches Fachpersonal in den die Obdachloseneinrichtungen unterstützenden Ambulanzen Zu 1. a) und b): Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales fördert im Integrierten Sozialprogramm (ISP) mit Stand Oktober 2019 27 Projekte in mehreren Angebotsbereichen. Alle Projekte sind konzeptionell gesamtstädtisch und niedrigschwellig ausgerichtet. Alle Projekte dienen der Beratung in einer akuten Notlage für Wohnungsnotfälle. Das Leistungsspektrum umfasst Beratungs-, und Versorgungsangebote mit dem Ziel der Weitervermittlung in die Regelversorgung durch die Bezirksämter. Wie in den aktuellen Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik dargelegt, verfolgt der Berliner Senat auch in diesem Segment das Ziel, bedarfsgerechtes, zielgruppenspezifisches und diskriminierungsfreies Angebot für alle leistungsberechtigten Menschen vorzuhalten. Die Förderung erfolgt vorbehaltlich entsprechender Beschlussfassung durch den Haushaltsgesetzgeber im Doppelhaushalt 2020/2021 (Entwurf) im Umfang von rund 8.380.000,- Euro; nach dem Aufwuchs in Höhe von 3,9 Mio. Euro im Doppelhaushalt 2018/2019 ist ein weiterer Aufwuchs im kommenden Doppelhaushalt 2020/2021 vorerst nicht geplant. Gefördert werden Projekte in den Angebotsbereichen Beratungsstellen, Straßensozialarbeit, Medizinische Versorgung, Bahnhofsdienst, Notübernachtungen, weitere Angebote (Hygiene) sowie Infrastrukturangebot Kältehilfe. Der Finanzierungsumfang in Angebotsbereich „aufsuchende Straßensozialarbeit“ beträgt rd. 1 Mio. Euro mit rd. 23,5 VzÄ. Der Bereich wurde damit im Entwurf des Doppelhaushalts 2020/2021 mehr als verdoppelt. Straßensozialarbeit stellt ein Arbeitsfeld in der Sozialen Arbeit dar, um auf der Straße lebende Zielgruppen zu unterstützen, deren besondere Lebenslagen in der Regel mit sozialen Schwierigkeiten verknüpft sind. Zur Zielgruppe gehören vor allem Personengruppen wie Obdachlose, Drogenkonsumentinnen und Drogenkonsumenten und bzw. oder Prostituierte. Besonderheit der Zielgruppe ist, dass Beratungsstellen mit einer „Komm-Struktur“ diese nicht mehr oder nur gelegentlich erreicht. Die Zielgruppe ist auf eine aufsuchende Arbeit angewiesen, um notwendige Unterstützungsangebote zu erhalten. Die Straßensozialarbeit unterbreitet insbesondere psychosoziale Beratungs- und Versorgungsangebote zu gesundheitlichen Aspekten. Ziel ist die Vermittlung in die Regelversorgungen, um die vorhandenen Leistungsangebote in Anspruch nehmen zu können. Methodisch erfolgt dies über Kontaktaufnahme und Vertrauensaufbau, um die erforderlichen Ressourcen zu erschließen und mit eigener Motivation das o. g. Ziel zu verfolgen. Der Beratungsansatz ist der am stärksten niedrigschwellig arbeitende in der Sozialen Arbeit. Als Zugangsvoraussetzungen für die Beratung besteht lediglich die Bereitschaft, gewaltfrei miteinander zu kommunizieren. Bedarfs- und bzw. oder Identitätsprüfungen vorab erfolgen nicht. Die für Soziales zuständige Senatsverwaltung fördert im Rahmen des ISP vier Projekte der 3 Straßensozialarbeit, deren Wirkungskreis insgesamt gesamtstädtisch ist, und die sich konzeptionell auf obdachlose und wohnungslose auf der Straße lebende Menschen richten. Die Angebote der aufsuchenden Straßensozialarbeit haben im Leistungsspektrum auch enthalten, straffrechtlich relevantes Verhalten zu problematisieren. Dies kann im Rahmen der Beratung zur Existenzsicherung nicht im Fokus der Konzeption stehen. Eingesetzt werden ausschließlich staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Die Erfahrungen mit diesem methodischen Ansatz sind sehr gut, so dass nicht geplant ist, diesen Ansatz zu verändern. Im Bereich der Drogen- und Suchthilfe sind die Drogenkonsumräume und die Krisenwohnung die Einrichtungen, die mit obdachlosen suchtkranken Menschen zu tun haben. Die Drogenkonsumräume verfügen über Kompetenzen in der Sozialarbeit und in der Krankenpflege. Psychologisch ausgebildetes Personal ist nicht vorgesehen, ebenso wenig aufsuchende Fachangebote/Fachdienste. Die Krisenwohnung kann Plätze für eine kurzfristige Unterbringung anbieten, verfügt aber ebenfalls nicht über psychologisches Personal oder aufsuchende Fachdienste. 1 c) regelmäßige gemeinsame Einsätze interdisziplinärer Teams (Ordnungsamt, Polizei, Sozialarbeiter und eventuell auch von Fachärzten) auf öffentlichen Grünflächen und Straßenland sowie U-Bahnhöfen (hier mit Sicherheitsdienst der BVG) 1 d) Einrichtungen, die speziell mit den interdisziplinären Teams zusammenarbeiten und die Hilfsbedürftigen aufnehmen und auch medizinisch durch Ärzte versorgen Zu 1 c und d): In Berlin existieren keine „regelmäßige[n] gemeinsame[n] Einsätze interdisziplinärer Teams (Ordnungsamt, Polizei, Sozialarbeiter und eventuell auch von Fachärzten)“ im Sinne der Fragestellung. In Drogenkonsumräumen kann eine erste Wundversorgung und Maßnahmen der ersten Hilfe durchgeführt werden, bei weitergehendem Bedarf wird an ein Krankenhaus verwiesen. Die gemeinsamen Streifen der Polizei Berlin und der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dienen der Steigerung des Sicherheitsgefühls der Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr. Häufig ist zur Lösung psycho-sozialer Problematiken Kooperation, Vernetzung sowie eine interdisziplinäre Herangehensweise angezeigt. So können unterschiedliche Ansätze, Denkweise oder Methoden und bzw. oder Expertisen verschiedener Fachrichtungen eingesetzt werden. Interdisziplinäre Teams können in Abhängigkeit von der konzeptionellen Untersetzung ein Ansatz für künftige Angebote sein. 1 e) präventive Maßnahmen zur bestmöglichen Vermeidung von Straftaten insbesondere im Bereich Beschaffungskriminalität Zu 1 e): Die Wohnungslosenhilfe sowie die Straffälligenhilfe nehmen ihren allgemeinen Beratungsauftrag dahingehend wahr, als dass das Thema „Straffälligkeit“ auf Wunsch regelmäßig thematisiert und Gegenstand der Beratung ist. Darin einbezogen sind aktuelle Strafbefehle/Ersatzfreiheitsstrafen, Auflagen aus Verurteilungen, sowie weitere relevante Themen. Diese Beratungstätigkeit wirkt permanent auch präventiv, in dem die 4 Folgen strafbaren Handelns gemeinsam erörtert und Handlungsalternativen aufgezeigt und ggf. eingeübt werden können (z.B. gewaltfreie Kommunikation). Gesonderte Maßnahmen zur Prävention von Straftaten sind nicht Aufgabe der Drogenkonsumräume, allerdings bemüht sich das Personal um ein Einvernehmen mit dem sozialen Umfeld und weist seine Klientel auf die Risiken von Straftaten hin. 2. Von welchen zahlenmäßigen und örtlichen Bedarfen wird ausgegangen und welche Unterkünfte für Obdachlose sowie in der Drogen- und Suchthilfe wurden seit Beginn der Legislaturperiode 2011 neu eröffnet? (Bitte nach Art der Unterkunft, Kapazität sowie Finanzierung aufschlüsseln). 7. Erachtet der Senat die aktuellen Kapazitäten in den bisher genannten Einrichtungen als ausreichend? Wenn nein, was plant der Senat konkret an welcher Stelle, um die Kapazität zu erhöhen? 8. Mit wie vielen benötigten Plätzen rechnet der Senat in den nächsten Jahren, welche Kosten müssen dafür gestemmt und durch wen sollen diese nach Ansicht des Senats finanziert werden? 9. Wie kann nach Ansicht des Senats die Akzeptanz durch die Bedürftigen deutlich erhöht werden, damit sie die Notübernachtungen aufsuchen, was plant der Senat hinsichtlich der Weiterentwicklung von bedarfsgerechten und nutzerfreundlichen Unterkünften? Zu 2., 7. bis 9.: Bei der konzeptionellen Ausgestaltung der Einrichtungen und Dienste verfolgt der Berliner Senat mit den durchführenden Trägern, ein qualitativ hochwertiges, bedarfsgerechtes Angebot bereitzustellen und permanent weiterzuentwickeln. Die hohen Nutzungszahlen belegen unzweifelhaft die hohe Akzeptanz seitens der Nutzerinnen und Nutzer. Die Kapazitäten der niedrigschwelligen Notübernachtungen der Wohnungslosenhilfe im ISP sind seit dem Jahr 2015 von rd. 80 Plätzen auf rd. 300 Notschlafplätze ausgebaut worden. Die zurzeit bedarfsdeckenden Aufwüchse der Jahre 2016-2019 werden nunmehr konsolidiert. Die Auslastung im Jahr 2018 lag bei rd. 90 Prozent. Für den Doppelhaushalt 2020/2021 ist kein weiterer Ausbau geplant. Der Berliner Senat überprüft kontinuierlich, ob ggf. eine Anpassung der Kapazitäten angezeigt ist. Darüber hinaus nehmen die Bezirke die ordnungsbehördliche Aufgabe der Unterbringung obdachloser Menschen war. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) war mit der Belegungskoordination beauftragt worden, die durch die zentrale Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) wahrgenommen wurde. Im Zuge der mit der Errichtung des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) einhergehenden Reorganisationsmaßnahme wurden die Aufgaben der BUL an das LAF übertragen. Die bereitgestellten Unterkünfte werden überbezirklich belegt und unterliegen einem unter allen Bezirken abgestimmten Mindeststandard. Darüber hinaus verfügen einige Bezirke über bezirkseigene Einrichtungen. Sind alle vorhandenen Unterkünfte belegt, wird auf sonstige Unterkünfte wie z. B. Hostels o. ä. zurückgegriffen. Die zuständige Stelle im Bezirksamt weist der bedürftigen, wohnungslosen Person inkl. den Haushaltsangehörigen einen freien Unterkunftsplatz nach. Der Fachdienst im bezirklichen Sozialamt hat nach der Unterbringung darauf hinzuwirken, dass die 5 wohnungslosen Personen alle Möglichkeiten zur Beseitigung der Wohnungslosigkeit erhalten. Dies beinhaltet bei Erfüllung der sozialleistungsrechtlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff. SGB XII. Aufbauend auf den Grundstrukturen der BUL werden derzeit im Rahmen des Projektes zur Umsetzung der gesamtstädtischen Steuerung (GStU) Strukturen geschaffen, um eine gesamtstädtische Kapazitätsplanung sowie eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Unterbringung gewährleisten zu können. Im Drogen- und Suchthilfebereich wurden seit dem Jahr 2011 keine neuen Unterkünfte für suchtkranke obdachlose Menschen geschaffen. Die Krisenwohnung vom Notdienst für Suchtmittelgefährdete und – abhängige Berlin e. V. ist mit 15 Plätzen die einzige Einrichtung dieser Art. Sie wird derzeit mit 210.500 Euro jährlich gefördert. 3. Wo und wie viele Kranken- und Pflegebetten gibt es für obdachlose Menschen in Berlin, durch wen werden sie finanziert und wie viele zusätzliche sollen wann neu eingerichtet werden? Grundsätzlich ist es das Ziel des Berliner Senats, dass die gesundheitliche Versorgung so weit wie möglich durch das Regelsystem abgedeckt ist. Einer Versorgung im Regelsystem auf Basis individueller Rechtsansprüche ist daher bei allen Überlegungen zur Fortentwicklung des Hilfesystems der Vorzug vor zuwendungsfinanzierten Angeboten zu geben. Ergänzend fördert der Berliner Senat in Kooperation zwischen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung das niedrigschwellige Modellprojekt „Krankenwohnung“. Bei der Zielgruppe handelt es sich um wohnungslose, vorwiegend auf der Straße lebende Menschen ohne eigene Häuslichkeit. Die Patientinnen und Patienten sind in der Regel nicht krankenversichert oder haben einen ungeklärten Versicherungsstatus. Die Krankenwohnung mit 15 Plätzen bietet wohnungslosen Menschen nach einer ambulanten Erstversorgung oder im Krankenhaus einen Platz zum Auskurieren. Träger ist der Caritasverband im Erzbistum in Berlin e.V. Ein Team bestehend aus Pflegefachkräften, Hilfskräften und einer Sozialarbeiterin betreuen und versorgen die wohnungslosen Menschen. In Zusammenarbeit mit externen ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzten kann die medizinische Versorgung und Verpflegung der Wohnungslosen sichergestellt werden. In der Bundespflegestatistik werden bezogen auf den besonderen Personenkreis obdachloser Menschen keine Daten zu vollstationären Pflegeeinrichtungen erfasst. Vereinzelt leben ehemals wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in nicht spezialisierten Pflegeheimen oder in Pflegeheimen mit einem Sonderwohnbereich für verhaltensauffällige Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Behinderungen. Die Finanzierung erfolgt über die Pflegeversicherung und die Hilfe zur Pflege. Das Land Berlin fördert die Investitionskosten. Es gibt keine Sonderfinanzierungen für die vollstationäre Pflege obdachloser Menschen. 6 Quantifizierte Bedarfsschätzungen zu benötigten Pflegebetten liegen aus der Wohnungslosenhilfe aktuell nicht vor. Grundsätzlich werden spezialisierte Pflegeheime, in denen wohnungslose Menschen regelhaft versorgt werden, angestrebt. Einige Träger haben signalisiert, ein Engagement in diesem Bereich zu prüfen. 4. Sind neue Hygienecenter mit erweiterten Standards zum Wohl der Betroffenen geplant, wenn ja wo? Zu 4.: Der Ausbau des Teil-Segments „Hygienecenter“ ist nicht geplant. 5. Wie ist der aktuelle Sachstand bezüglich des Angebots für Tagesaufenthalte in Notübernachtungen, wie viele gibt es inzwischen, wie viele sind geplant und wie werden diese durch wen finanziert? Zu 5.: „Tagesaufenthalte in Notübernachtungen“ als Versorgungskategorie sind nicht bekannt. Die Angebote der niedrigschwelligen gesamtstädtischen Notübernachtungen im ISP sind zu 8. ausgeführt. Weitere Kapazitäten stellen die Bezirke im Rahmend der „Kältehilfe“ zur Verfügung. Die „Kältehilfe“ ist ein Sonderprogramm zur Bereitstellung von Notschlafplätzen für Menschen, die die Angebote der Regelversorgung nicht oder noch nicht in Anspruch nehmen. Die Kältehilfe bietet eine unbürokratische Übernachtungsmöglichkeit für Menschen ohne Unterkunft während der kalten Jahreszeit von Oktober bis April. Der Senat setzt dabei die in den Richtlinien der Regierungspolitik 2016-2021 festgelegten 1000 Plätze regelmäßig um. 6. Wie ist der Sachstand bezüglich einer mobile Sommerhilfe für obdachlose Menschen? Zu 6.: Der Begriff „mobile Sommerhilfe“ ist nicht definiert. Die aufsuchende Straßensozialarbeit im ISP leistet seit 30 Jahren ganzjährig eine mobile Beratung und Unterstützung, u. a. mit Versorgungsangeboten. Bislang liegt kein Antrag eines Trägers vor, der hier einen (weitergehenden) Bedarf angezeigt hat. Sollte dies der Fall sein, wird dieser konzeptionell und fiskalisch geprüft. Der Senat ist gleichwohl offen für eine fachliche Diskussion qualifizierter Vorschläge. 10. Welche Erfahrungen hat der Senat in welchem Umfang mit bisher erprobten Maßnahmen, wie z.B. Betreutes Wohnen oder Housing First, gemacht und wo liegen bei diesen die Vor- und Nachteile, welche wird der Senat zukünftig unterstützen und welche warum nicht? Zu 10.: Betreutes Wohnen ist in mehreren Feldern der Sozialen Arbeit ein Sammelbegriff zur Bereitstellung einer Wohnung mit Mietvertrag oder Untermietvertrag zur Erbringung personenbezogener Hilfen. Die persönliche Hilfe ist gemäß § 11 Satz 2 SGB I normiert und stellt in Verbindung mit dem SBG XII die gesetzliche Grundlage dar. In der Wohnungslosenhilfe ist Betreutes Wohnen ein etabliertes Hilfeangebot zur Überwindung der sozialen Schwierigkeiten. Das Betreute Wohnen wird sowohl stationär in Einrichtungen als auch ambulant in Wohnraum durchgeführt. Die Frage nach Vorund Nachteilen stellt sich nur insofern, als dass die Leistungserbringer durch die Lage 7 am Wohnungsmarkt zunehmend Schwierigkeiten haben, als Hauptmieter Trägerwohnungen anzumieten. Das Betreute Wohnen ist auch in der Drogen- und Suchthilfe ein unverzichtbares Angebot für obdachlose suchtkranke Menschen vor und nach einer absolvierten Therapie. Housing First ist ein im Oktober 2018 gestartetes Modellprojekt. Housing First biete allen Obdachlosen bzw. Wohnungslosen ohne weitere Vorbedingungen eine Wohnung mit eigenem Mietvertrag sowie sozialpädagogische Unterstützung und Beratung. Das Beratungsangebot ist fakultativ. Dies stellt den Unterschied zu den Maßnahmen der Sozialgesetzbücher dar. Mit diesem konzeptionellen Ansatz sollen Zielgruppen erreicht werden, für die in dem SGB geforderte Mitarbeit bzw. Mitwirkung eine zu hohe Hürde darstellen könnte. Ein Modellprojekt wird von der Berliner Stadtmission und Neue Chance gGmbH als gemeinsame Projektpartnerschaft, sowie ein weiteres vom Sozialdienst katholischer Frauen e. V. Berlin umgesetzt. Über einen Zeitraum von drei Jahren sollen bis zu 80 wohnungslose Menschen mit einer eigenen Wohnung versorgt werden. Das Modellvorhaben wird wissenschaftlich begleitet, so dass ab Mitte 2021 auf der Grundlage der Evaluation der Erfolg bewertet und ggf. über eine Fortführung des Vorhabens entschieden werden kann. 11. Wie viele Obdachlose – gesichert und Dunkelziffer geschätzt – verstarben jährlich seit dem Jahr 2000, die nicht in einer Einrichtung untergebracht waren? (Bitte jährlich und Ort so genau wie möglich angeben, an dem sie aufgefunden wurden.) Zu 11.: Es besteht keine Datenerhebung, wie viele Menschen in Unterkünften und Einrichtungen für wohnungslose Menschen verstorben sind. Der Berliner Senat beteiligt sich nicht an der Diskussion zur Dunkelziffer von Sachverhalten. Unter den Drogentoten des Jahres 2018 betrug der Anteil an Menschen ohne festen Wohnsitz 14 %. 12. Inwieweit wird der Umgang und die Hilfe für drogenabhängige und psychisch kranke Obdachlose als Aufgabe primär von nicht staatlichen Einrichtungen und Institutionen gesehen, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise gibt es hier eigene öffentliche Maßnahmen? Wie hat sich die finanzielle, personelle und strukturelle Ausstattung des Landes Berlin und der 12 Bezirke dahingehend seit 2011 entwickelt? Zu 12.: Das psychiatrische Versorgungssystem richtet sich mit seinen Diensten und Angeboten in nicht unerheblichem Umfang an psychisch kranke und suchtmittelabhängige wohnungslose bzw. obdachlose Menschen. Zunächst seien hier die Leistungen der bezirklichen Sozialpsychiatrischen Dienste im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu benennen, die im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages auch aufsuchend und nachgehend tätig werden können. Im nichtstaatlichen Bereich, den Leistungen der Eingliederungshilfe, zielen die Maßnahmen primär auf die Realisierung von Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ab. 8 Deren Ausbau und Entwicklung seit 2011 bis heute sehr dynamisch erfolgte. Nachfolgende Tabelle verdeutlicht den nicht unerheblichen Anstieg: Plätze 2011 Plätze 2012 Plätze 2013 Plätze 2014 Plätze 2015 Plätze 2016 Plätze 2017 Plätze 2018 Plätze 2019 Wohnen (amb. und stat.) 4.824 7.657 7.572 8.351 8.927 9.324 9.917 10.245 10.446 Tagesstätten 772 969 998 1066 1090 1097 1111 1115 1107 Gesamtplätze 5.596 8.626 8.570 9.417 10.017 10.421 11.028 11.360 11.553 Bereits heute bestehen Angebote der Eingliederungshilfe im Umfang von mehreren hundert Plätzen explizit für wohnungslose Menschen im Leistungsspektrum §§ 53, 54 SGB XII und der Anteil wohnungsloser Menschen in den bezirklichen Steuerungsgremien Psychiatrie/Sucht liegt im Jahresdurchschnitt bei rund 21 Prozent. Im Drogen- und Suchthilfebereich wurden mit freien Trägern seit Beginn, also seit 1978, gute Erfahrungen gemacht. Mit dieser Aufgabenteilung bestehen seit Jahrzehnten sowohl in der Wohnungslosenhilfe als auch in der Drogen- und Suchthilfebereich gute Erfahrungen. Berlin, den 02. September 2019 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales