Drucksache 18 / 20 534 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tino Schopf (SPD) vom 13. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. August 2019) zum Thema: Barrierefreiheit in Berlin – auch für Gehbehinderte (II)? und Antwort vom 29. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tino Schopf (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20534 vom 13. August 2019 über Barrierefreiheit in Berlin – auch für Gehbehinderte (II)? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Verwaltung: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher alle Berliner Bezirke, die Deutsche Bahn AG (DB AG) und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden in der Antwort an den entsprechend gekennzeichneten Stellen wiedergegeben. Frage 1: Wie viele Aufzugsanlagen an S-Bahn, U-Bahn und Regional- bzw. Fernbahnhöfen, auf die viele Gehbehinderte angewiesen sind, sind derzeit Defekt bzw. außer Betrieb (bitte tabellarisch getrennt nach den drei Sparten angeben)? Antwort zu 1: Die BVG teilt hierzu mit: „Die BVG betreibt derzeit 168 Aufzüge an 118 U-Bahnhöfen. Mit Stand 16.08.2019 12:00 Uhr sind davon drei Aufzüge an drei U-Bahnhöfen aufgrund von Baumaßnahmen oder einer Kompletterneuerung außer Betrieb. Zudem standen wegen kleinerer Reparaturen beziehungsweise Störungsbeseitigungen zwei Aufzüge an zwei U-Bahnhöfen mit einer Dauer von jeweils weniger als 24 Stunden nicht zur Verfügung.“ Die DB AG teilt hierzu mit: S-Bahn U-Bahn Regio/Fernverkehr Summe Gesamt 16 11 3 = 30 Stand 21: 08.2019 14:45 Uhr 2 Frage 2: Wie viele Stunden dauert es üblicher Weise, bis Aufzugsstörungen an U-, S- und Regionalbahnen nach einer entsprechenden Kundenmeldung überprüft und auf den einschlägigen Internetportalen von S-Bahn/DB bzw. BVG eingestellt werden und welche Ziele hat der Senat diese Response-Zeiten bis wann zu verkürzen? Antwort zu 2: Die BVG teilt hierzu mit: „Nach Eingang einer Störmeldung durch eine Kundin oder einen Kunden über die Informationssäule wird durch die Leitstelle unser Betriebspersonal verständigt, welches sich unverzüglich vor Ort begibt. Je nach Standort des Personals erfolgt eine Rückmeldung an die Leitstelle innerhalb von 20 Minuten. Diese nimmt dann die entsprechende Eintragung auf dem Internetportal der BVG vor. Die Informationen für die Auskunftssysteme werden derzeit noch manuell in einem Informationssystem erfasst. Die BVG arbeitet bereits daran, den Prozess vollständig zu automatisieren, so dass Aufzugstörungen in Echtzeit abgerufen werden können.“ Die DB AG teilt hierzu mit: „Unsere Aufzüge sind alle mit einem sogenannten ADAM-Baustein ausgestattet. Sobald ein Aufzug gestört ist, wird dies LIVE gemeldet. Eine Eintragung auf der S-Bahn- Homepage erfolgt automatisiert etwa 5 bis 10 Min später. Sollte dieser Baustein in Einzelfällen nicht funktionieren, gehen wir zusammen mit unserem Dienstleister DB Services dem nach und ergründen das Problem und beheben dieses umgehend.“ Frage 3: Wie ist es zu erklären, dass auf der Internetseite der S-Bahn zwar einzelne Störungen auf U-Bahnhöfen angezeigt werden, aber deutlich weniger als zeitgleich bei der BVG selbst, die dafür keine Störungen bei S-, Regional- und Fernbahnhöfen anzeigt? Frage 4: Gibt es eine Handy-App die alle Aufzugsstörungen anzeigt und ab wann gibt es eine Internetseite, die Aufzugsstörungen an allen Berliner Bahnhöfen zeitnah und in einer Ansicht darstellt? Antwort zu 3 und 4: Die BVG teilt hierzu mit: „Grundsätzlich zeigt die BVG auf ihrer Websites ihre eigenen Aufzugstörungen an, stellt sie aber über elektronische Schnittstellen auch Dritten zur Verfügung. Aufzugstörungen aller Betreiber in Berlin werden zum Beispiel auf der Seite brokenlifts.org zusammengeführt und übersichtlich dargestellt.“ Die DB AG teilt hierzu mit: „Mit den Sozialhelden wurde unter Federführung vom Verkehrsverbund Berlin- Brandenburg (VBB) im Jahr 2016 die Homepage brokenlifts.org so weiterentwickelt, dass die Aufzüge / Defekte von BVG und Bahn auf einer Plattform angezeigt werden können. Die S-Bahn-Homepage greift direkt auf die Daten der defekten BVG-Aufzüge, welche seitens der BVG bereitgestellt werden, zu. Einen derartigen Hinweis, dass es Abweichungen auf der S-Bahn-Homepage gibt, sind bisher nicht bekannt.“ 3 Frage 5: Wie viele Parkplätze für Behinderte, die nicht einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet sind, gibt es in Berlin (bitte Anzahl pro Bezirk angeben) und wie soll sich diese Zahl pro Bezirk fortentwickeln (ebenfalls in Tabelle darstellen?) Antwort zu 5: Vorab der Hinweis, dass blaue Parkausweise für Menschen mit Behinderung personenund nicht autobezogen sind. Insofern kann der Ausweis immer dann zum Einsatz kommen, wenn die berechtigte Person selbst fährt oder sich als Mitfahrer im Auto befindet. Parkplätze für Behinderte, die einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet sind, existieren nicht. Gleichwohl wurden für die Beantwortung der Frage die Bezirke abgefragt, da davon ausgegangen wird, dass sich die Frage auf allgemeine, nicht personenbezogene Schwerbehindertenparkplätze bezieht. Die in der Tabelle dargestellten Werte basieren daher auf Auskunft der Bezirke (in alphabetischer Reihenfolge). Bezirk Behindertenstellplätze Entwicklung Charlottenburg- Wilmersdorf Hierzu kann keine Aussage getroffen werden. Eine statistische Erhebung findet hierüber nicht statt. Friedrichshain-Kreuzberg 155 orientiert sich am Bedarf Marzahn-Hellersdorf Die vollständige Zahl aller Behindertenparkplätze ist nicht ermittelbar. Lediglich die Anzahl der seit 2004 angeordneten Behindertenparkplätze ist mit 189 bekannt nach Bedarf Mitte 210 stetige Erhöhung, durch wachsenden Parkdruck Neukölln 111 die Zahl wächst kontinuierlich Pankow 571 Die Fortentwicklung ergibt sich aus dem Bedarf Reinickendorf 84 Es ist nicht abzusehen, wie sich diese Anzahl fortentwickeln wird Spandau 99 Entwicklung orientiert sich am örtlichen Bedarf Steglitz-Zehlendorf Die Anzahl der allgemeinen Schwerbehindertenparkplätze im Bezirk Steglitz-Zehlendorf wird nicht gesondert gezählt. Eine Entwicklung für die Zukunft kann nicht prognostiziert werden. Tempelhof-Schöneberg 225 bei Neubauvorhaben wird der Fachbereich Bauaufsicht und Untere Denkmalschutzbehörde durch die Vorgaben der 4 Bauordnung Berlin bei Parkplätzen für Behinderte tätig. In einem B- Planverfahren erfolgt keine planungsrechtliche Umsetzung Treptow-Köpenick 164 keine Aussage möglich. Die Prüfung der Anordnung weiterer solcher Parkplätze erfolgt auf Antrag Inhaberinnen und Inhaber eines blauen oder orangefarbenen Parkausweises dürfen auch im eingeschränkten Halteverbot bis zu drei Stunden parken. Voraussetzung ist, dass in unmittelbarer Nähe keine andere Parkgelegenheit existiert und das abgestellte Fahrzeug den fließenden Verkehr nicht einschränkt. Frage 6: Wer ist für die Einrichtung neuer Parkplätze für Behinderte ohne Fahrzeugzuordnung in Berlin zuständig und auf welcher Basis wird hierfür der Bedarf z.B. in einzelnen Bezirken ermittelt? Antwort zu 6: Die Einrichtung neuer allgemeiner Schwerbehindertenparkplätze ist immer eine Einzelfallentscheidung, die auf Antrag genehmigt wird. Bei begründetem Bedarf werden sie durch die örtliche Straßenverkehrsbehörde angeordnet und durch das bezirkliche Straßen- und Grünflächenamt eingerichtet Die Anordnung solcher Stellplätze erfolgt insbesondere dort, „… wo der erwähnte Personenkreis besonders häufig auf einen derartigen Parkplatz angewiesen ist, z. B. in der Nähe von Behörden, Krankenhäusern, Orthopädischen Kliniken“ (Auszug aus VwV zu § 45 StVO). Frage 7: Wie kann bzw. sollte die Überquerung von Wohn- und Nebenstraßen von Gehbehinderten insbesondere mit Rollator bzw. Rollstuhl in Berlin erreicht werden, wenn durch beidseitig parkende Autos oft mehr als hundert Meter weit kein Überqueren der Fahrbahn möglich ist? Frage 8: Welchen Höchstabstand sollten Fußgängerfurten bzw. FGÜ bzw. Fußgängerüberführungen an LSA zu einander haben, um nicht nur für Gehbehinderte (auch Kinderwagen, Fahrradfahrende oder Abfallentsorger) an durchgängig beparkten Fahrbahnrändern Barrierefreiheit und Teilhabe zu gewährleisten? Frage 11: Könnte durch ein verdichtetes Angebot von Sitzgelegenheiten der Höchstabstand von Fußgängerfurten oder LSA, die auf die Gehgeschwindigkeit von Gehbehinderten und außergewöhnlich Gehbehinderten eingerichtet sind verlängert werden, wenn ja, auf welchen zumutbaren Höchstabstand? 5 Antwort zu 7, 8 und 11: Im Land Berlin sind mit Rundschreiben vom 3. Dezember 2007 für den Bereich der kommunalen Straßen die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) als verbindliche Richtlinien eingeführt worden. Sie liefern konkrete Vorgaben für die Planung, den Entwurf und die Gestaltung von Erschließungsstraßen sowie angebauter Hauptverkehrsstraßen. Dabei lassen die Richtlinien etlichen Entscheidungsspielraum für das planerische Handeln unter den jeweiligen Randbedingungen des Einzelfalls. So ist hier zwar festgehalten, dass an angebauten Straßen Anlagen für den Fußgängerverkehr überall erforderlich sind und diese Anlagen sowohl den Längs-, als auch den Querverkehr umfassen. Eine definierte Wegestrecke zwischen Querungsmöglichkeiten, die im Übrigen nicht nur Lichtsignalanlagen, sondern auch Gehwegvorstreckungen, Mittelinseln und Fußgängerüberwege umfassen, ist hier bewusst nicht genannt. In dem aktuell in der Mitzeichnung der Senatsverwaltungen befindlichen Entwurf zum ersten Gesetz zur Änderung des Berliner Mobilitätsgesetzes heißt es: „Grundsätzlich sollen für Personen mit Mobilitätseinschränkungen in ausreichend geringen Abständen barrierefreie Querungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die sicher genutzt werden können. Dabei sollen insbesondere die unterschiedlichen Anforderungen berücksichtigt werden, die sich infolge der Nutzung verschiedener Hilfsmittel ergeben.“ (Entwurf § 55, Absatz 2 MobG). „Die zu querende Strecke soll nicht länger als nötig sein. Zur Verringerung der Strecke tragen beispielsweise Gehwegvorstreckungen bei.“ (Entwurf § 55, Absatz 3 MobG). Diese Soll-Vorschrift zur Einrichtung von ausreichend barrierefreien Querungsmöglichkeiten wird im Fußverkehrsplan konkretisiert. In Ausnahmefällen sind Querungen in größeren Abständen möglich. Frage 9: Wird der Senat zur Unterstützung von Gehbehinderten die Bezirke veranlassen und Mittel dafür bereitstellen, dass mehr Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum entstehen, wenn nein, warum nicht? Frage 10: In welchem Höchstabstand (in Metern) sollten nicht nur Gehbehinderten im stark frequentierten Innenstadtbereich aus Sicht des Senats Sitzgelegenheiten zum Pausieren angeboten werden? Antwort zu 9 und10: Die Anordnung und Anzahl von Sitzgelegenheiten wirkt sich qualitativ auf die Nutzung des öffentlichen Freiraums aus. Der Höchstabstand ist dabei jedoch individuell festzulegen, da mögliche, sinnvolle und notwendige Orte identifiziert werden müssen, um Sitzgelegenheiten zu errichten, die an nicht-kommerzielle Zwecke gebunden sind. Aus diesem Grund kann der Senat Empfehlungen an die Bezirke richten, mehr Sitzgelegenheiten zu errichten, da die Bezirke als Baulastträger eigenverantwortlich handeln. Die Sitzgelegenheiten können aus den Bezirkshaushalten finanziert werden. 6 Frage 12: Wann wird der Senat den Referentenentwurf bzw. den Senatsentwurf zum Fußverkehrsteil des Berliner Mobilitätsgesetzes vorlegen? Antwort zu 12: Die Senatsvorlage zum ersten Gesetz zur Änderung des Berliner Mobilitätsgesetzes befindet sich aktuell in der Mitzeichnung der Senatsverwaltungen und wird im Anschluss, voraussichtlich im September 2019, in den Senat und Rat der Bürgermeister eingebracht. Nach Beschluss im Senat, voraussichtlich Ende September / Anfang Oktober 2019, wird die Gesetzesvorlage ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Frage 13: Wird der Senat im angekündigten Fußverkehrsteil des Berliner Mobilitätsgesetzes die verschiedenen angesprochenen Punkte für die Barrierefreiheit von gehbehinderten Menschen und außergewöhnlich gehbehinderten Menschen hinreichend regeln und durch welche Vorschriften ist dies konkret im Gesetz vorgesehen? Antwort zu 13: Das übergreifende Ziel „Mobilität für alle“ ist bereits in § 3 MobG aufgenommen und § 4 Absatz 2 stellt klar: „Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote sollen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensbedingungen, insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, barrierefrei im Sinne von § 2 Absatz 6 gestaltet werden.“ Weitere relevante Passagen finden sich auch im Abschnitt 2 zur Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Im Abschnitt Fußverkehr wird das Ziel der Barrierefreiheit fußverkehrsspezifisch konkretisiert. In der Fassung vom 28. März 2019, die über die Internetseite https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/mobilitaetsgesetz/ heruntergeladen werden kann, sind unter anderem folgende Absätze relevant: · § 38 (6) · § 50 (2) · § 50 (3) · § 50 (5) · § 50 (7) · § 50 (8) · § 53 · § 55 (1) bis (4) · § 57 (1) und (2) Genauere Erläuterungen zu den aufgeführten Passagen finden sich in dem ebenfalls in der Unterlage enthaltenen Begründung. Frage 14: Wird Behinderten bzw. den sie vertretenden Verbänden im Mobilitätsgesetz ein Rechtsanspruch eingeräumt, innerhalb einer bestimmten Frist die Umrüstung einer Lichtsignalanlage oder die Einrichtung einer Fußgängerfurt zu verlangen, der die Teilhabe sichert, wenn nein, warum nicht? 7 Antwort zu 14: Ein Recht in dem in der Frage aufgeworfenen Umfang ist nicht vorgesehen. Zum einen enthält das Berliner Mobilitätsgesetz kein spezifiziertes Verbandsklagerecht, zum anderen fehlt den in Bezug genommenen Maßnahmen der im Sinne der Schutznormtheorie geforderte subjektiv-öffentliche Rechtscharakter. Frage 15 Für wie wichtig hält der Senat die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum als Grundlage der sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe insbesondere, aber nicht nur, von gehbehinderten und außergewöhnlich gehbehinderten Menschen? Antwort zu 15: Dem Senat ist die soziale, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe aller Menschen ein wichtiges Anliegen. Dies drückt sich u. a. dadurch aus, dass in der Planung des öffentlichen Raumes im Normallfall der „Design for all“-Ansatz umgesetzt wird. Berlin, den 29.08.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz