Drucksache 18 / 20 554 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) vom 15. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. August 2019) zum Thema: Ausbildung von Notfallsanitätern – Fachkräftemangel bekämpfen, um Leben zu retten und Antwort vom 02. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20554 vom 15. August 2019 über Ausbildung von Notfallsanitätern – Fachkräftemangel bekämpfen, um Leben zu retten ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Abgeordneten: Vor dem Hintergrund, dass der Fachkräftemangel in Deutschland und auch in Berlin sich auch auf den Leben rettenden Beruf des Notfallsanitäters und der Notfallsanitäterin erstreckt, ist es besonders wichtig, Nachwuchs auszubilden und hierfür die notwendigen Berufsschulen mit ausreichend Lehrpersonal vorzuhalten und auszubauen. Um weitere Platzkapazitäten schnellstmöglich einzurichten, ist es von Nöten, die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Schule bzw. ihre Erweiterung in den Blick zu nehmen. Das Notfallsanitätergesetz regelt hierfür die Rahmenbedingungen und wird in Berlin auf Landesebene durch das Gesundheitsschulanerkennungsgesetz (im Folgenden GeSchulAnerkG) und die Verordnung zur Durchführung des Gesundheitsschulanerkennungsgesetzes (im Folgenden „GesSchulAnerkV“) konkretisiert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 Notfallsanitätergesetz muss eine Schule eine hauptberufliche Leitung „durch eine entsprechend qualifizierte Fachkraft mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung“ vorweisen. Das Ges- SchulAnerkG stellt in § 2 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 GesSchulAnerkV weitergehende Anforderungen an die pädagogische Eignung auf: So müssen Schulleiterinnen und Schulleiter neben ihrer fachlichen Ausbildung eine pädagogische Qualifikation vorweisen, die einen pflege-, medizin- oder gesundheitspädagogischen Hochschulabschluss, der einen angemessenen Anteil an pädagogischen Inhalten umfasst , vorweisen. Aus welchem Grund hat sich das Land Berlin dafür entschieden, diese sehr weitergehenden Voraussetzungen im Hinblick auf die pädagogische Qualifikation für die Position des Schulleiters bzw. der Schulleiterin aufzustellen? Stimmt der Senat nicht auch der Auffassung zu, dass auch Personen eine Schule gut leiten können, die keinen pädagogischen Hochschulabschluss besitzen, dafür aber entweder pädagogische Qualifikationen anderweitig erworben haben und/ oder besondere organisatorische oder verwaltende Kompetenzen aufgrund eines anderen Hochschulabschlusses mitbringen? Zu 1.: Die Position der Schulleitung ist u. a. verantwortlich für die Entwicklung von Lehrplänen, den Unterrichtseinsatz von Lehrkräften und die Koordinierung der Ausbildungsabschnitte. Darüber hinaus ist sie an der Zulassung von Schülerinnen und Schülern zur Ausbildung - 2 -2 und an der Einstellung von Lehrkräften beteiligt. Die Vielfalt dieser Aufgaben setzt Kompetenzen der Schulleitung sowohl in dem jeweiligen Berufsfeld selbst als auch in der Ausbildungsgestaltung voraus. Der Senat hat vor Erlass der Gesundheitsschulanerkennungsverordnung (GesSchul- AnerkV) eine intensive rechtliche Prüfung vorgenommen und ist zu der Auffassung gelangt , dass sich die statuierten Voraussetzungen aufgrund des überragenden Gemeinschaftsgutes des Gesundheitsschutzes als geeignet, erforderlich und angemessen darstellen . Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer Ausbildung auf verantwortungsvolle Aufgaben im Gesundheitswesen vorbereitet. Der erfolgreiche, den Anforderungen des Berufes entsprechende Abschluss der Ausbildung ist die Voraussetzung dafür, später qualifiziertes Personal in Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens einsetzen zu können. Zudem haben sich die Regelungen des Gesundheitsschulanerkennungsgesetzes und seiner Durchführungsverordnung, welche die Voraussetzungen für die staatlich anerkannten Schulen des Gesundheitswesens festlegen, in Bezug auf die Qualifikation der Schulleitung bewährt und dazu beigetragen, dass die Ausbildungen an den Gesundheitsschulen in den Gesundheitsberufen in Berlin eine hohe Qualität aufweisen. In der Praxis bereiten diese Anforderungen in der Regel keine Schwierigkeiten. Auch ist darauf hinzuweisen, dass § 1 Abs. 1 der GesSchulanerkV nicht ausschließlich einen pflege-, medizin- oder gesundheitspädagogischen Hochschulabschluss verlangt. Vielmehr genügt alternativ gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 b) GesSchulAnerkV unter bestimmten Voraussetzungen ein Weiterbildungslehrgang zur Heranbildung von Lehrkräften in Medizinalfachberufen nach dem Weiterbildungsgesetz vom 3. Juli 1995 (GVBl. S. 401) oder ein in Inhalt und Umfang gleichwertiger Weiterbildungslehrgang. Ein pädagogischer Hochschulabschluss ist also nicht zwingend erforderlich. Mit dieser Alternative ist den Schulen bei der Einstellung ihrer Leitung ein größerer Spielraum eröffnet. Die Einstellung einer in fachlicher Hinsicht besonders qualifizierten Schulleitung und damit die Möglichkeit einer verstärkten fachlichen Profilbildung der Schule wird erleichtert. 2. Welche Maßstäbe legt der Senat an die vorgenannte pädagogische Eignung an und wie gestalten sich die Anforderungen im Einzelnen? Wie bemisst sich insbesondere der „pädagogische Anteil“ im Rahmen eines Hochschulstudiums? Zu 2.: Ausschlaggebend für den angemessenen Umfang pädagogischer Inhalte ist der in dem Studiengang enthaltene Anteil der lehrerbildenden Berufswissenschaften, insbesondere der Erziehungswissenschaft, der Pädagogik und der Fachdidaktik. Diese Fächer sollen in dem Studiengang den Umfang von mindestens 80 ECTS (European Credit Transfer System ) haben. Die Festlegung bleibt hinter der entsprechenden Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zu der Hochschulausbildung von Lehrkräften für allgemein- und berufsbildende Schulen zurück. Neben einem Diplom- und Masterabschluss ist auch ein Bachelorabschluss ausreichend, soweit der Anteil der lehrerbildenden Berufswissenschaften einen angemessenen Umfang hat. - 3 -3 3. Aus welchem Grund „können“ gem. § 3 Abs. 2 GeSchulAnerkV Schulleiterinnen und Schulleiter bis zu einem Umfang einer halben Stelle auf die Zahl der Lehrkräfte angerechnet werden? Weshalb hat sich der Senat hier lediglich für eine „Kann“-Bestimmung entschieden? Aus welchen Gründen und in welchen Fällen wird hier das Ermessen ausgeübt und anderweitig entschieden? 4. Die in Nummer 3 genannte Vorschrift regelt weiter, dass eine Anerkennung erfolgen kann, wenn Schulleiterinnen und Schulleiter an der Schule auch als Lehrkraft tätig sind. Wird hierbei eine quantitative Betrachtung vorgenommen und wenn ja, auf welchen Umfang wird hierbei abgezielt? Welche Unterlagen sind für eine etwaige Prüfung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales einzureichen? Zu 3. und 4.: Die rechtliche Ausgestaltung des § 3 Abs. 2 GesSchulAnerkV trägt der Verantwortung der Schulleiterinnen und Schulleiter für ihre Leitungsaufgaben Rechnung und schließt daher eine gleichzeitige Anrechnung als eine in Vollzeit tätige Lehrkraft aus. Schulleiterinnen und Schulleiter können vielmehr, nach Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles , und lediglich bis zum Umfang einer halben Stelle auf die Zahl der Lehrkräfte angerechnet werden, wenn sie an der Schule auch als Lehrkraft tätig sind. Dabei ist in geeigneter Form nachzuweisen, dass die Schulleiterin/der Schulleiter tatsächlich als Lehrkraft tätig ist, das heißt vorwiegend, dass sie/er unterrichtet. Eine zwingende (automatische) Anrechnung jeder Schulleitung auf den Lehrer-Schüler- Schlüssel würde dem grundlegenden Ziel zuwiderlaufen, die angestrebte Qualität der hochwertigen Ausbildung an einer Schule des Gesundheitswesens in Berlin zu gewährleisten . So kann beispielsweise bei großen Schulen mit hohen Schülerzahlen der mit der Schulleitung verbundene organisatorische und fachliche Aufwand gegen eine Anrechnung sprechen, um eine verantwortungsvolle und zuverlässige Ausführung der Leitungsaufgaben gewährleisten zu können. 5. § 3 Abs. 1 GesSchulAnerkV definiert die Anzahl der Lehrkräfte, die für eine Schule tätig sein müssen. Ist es richtig, dass für die Anerkennung einer Schule nur Lehrkräfte angerechnet werden, die in Voll- oder Teilzeit fest angestellt sind? Werden Honorarkräfte damit nicht anerkannt? Vor dem Hintergrund, dass es für viele Lehrkräfte attraktiv ist, als Honorarkraft an unterschiedlichen Schulen ein bestimmtes Fach zu unterrichten und in diesem Bereich Fachkräftemangel besteht: Aus welchem Grund werden diese weitergehenden Anforderungen aufgestellt? Aus welchem Grund geht der Senat über die Bundesgesetzgebung hinaus und erschwert die Fachkräftegewinnung und damit auch Kapazitätserweiterung der Schulen? Zu 5.: Sowohl das GesSchulAnerkG als auch die GesSchulAnerkV unterscheiden zwischen Lehrkräften und Fachdozenten/-innen. Der Lehrer-Schüler-Schlüssel regelt nur die nicht unterschreitbare Mindestausstattung einer Schule mit Lehrkräften. Das Gesetz und die Verordnung gehen davon aus, dass diese Lehrkräfte an ihrer jeweiligen Schule bzw. dem jeweiligen Träger (der ggf. mehrere Schulen unterhält) in Vollzeit oder Teilzeit fest angestellt sind. Dies dient u. a. der Absicherung der arbeitsrechtlichen Stellung der Lehrkräfte, der Bildung des Schulkollegiums, einem verlässlichen und kontinuierlichen Schulbetrieb und der Sicherstellung des Direktionsrechts der Schulleitung. Die anspruchsvolle dreijährige Ausbildung mit einer abschließenden Staatsprüfung erfordert auch für die Auszubildenden verlässliches Lehrpersonal, vertraute Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie eine verbindliche Unterrichtsplanung. Schließlich muss die Schule für die Auszubildenden sicherstellen, dass die staatlichen Prüfungen ordnungsgemäß auf der Grundlage der Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsordnung durch Lehrkräfte der Schule als Fachprüferinnen und Fachprüfer durchgeführt werden, die die Auszubildenden überwiegend unterrichtet haben. - 4 -4 Honorarkräfte können und sollen in ausreichendem Umfang neben den Lehrkräften als Fachdozentinnen und Fachdozenten (ggf. auch an unterschiedlichen Schulen) unterrichten . In diesen Fällen sind die einschlägigen fachlichen Qualifikationen und die pädagogische Geeignetheit zu erbringen. 6. § 31 Notfallsanitätergesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen bereits tätige Lehrkräfte weiter als Lehrkräfte im Sinne des Gesetzes anerkannt sind. Ist der Senat der Auffassung, dass unter § 31 Nr. 2 Notfallsanitätergesetz lediglich Lehrkräfte fallen, die einen festen Vertrag als Lehrkraft hatten? Oder fallen hierunter auch die früheren Lehrbeauftragten Rettungsdienst, die einen Arbeitsvertrag als Lehrkraft an einer Schule für Rettungsassistenten hätten erhalten können, jedoch nur als Honorarkraft tätig waren. Falls nein, ist dem Senat bewusst, dass es damit zu einer rein zufälligen Anerkennung kommt, je nach dem, mit welchem Vertragsverhältnis eine Person an einer Schule tätig war und dass damit nicht die Qualifikation der Person, sondern die Form der Tätigkeit entscheidet? Beabsichtigt der Senat für diese Fälle eine eigene Übergangsregelung zu schaffen? Zu 6.: Nach hiesiger Auslegung genügt gemäß § 31 Abs. 3 Nr. 2 NotSanG, dass die Betroffenen an einer staatlich anerkannten Rettungsassistentenschule unterrichtet haben. Die konkrete vertragliche Ausgestaltung (feste Lehrkraft/Honorarkraft) ist dabei nicht relevant. Einer Übergangsregelung bedarf es daher nicht. 7. Plant der Senat zur Sicherung ausreichender Nachwuchskräfte eine Regelung entsprechend § 4 Absatz 7 Gesundheitsberufeschulverordnung (GBSchV) Brandenburg zu schaffen? Hierin werden zur Sicherung der Ausbildung in den Gesundheitsberufen und zur Gewinnung geeigneter Lehrkräfte größere Spielräume eröffnet , um Nachwuchslehrkräfte anzuerkennen, die noch nicht über alle Voraussetzungen der anerkannten Lehrkräfte verfügen. Zu 7.: Dem Ziel der Sicherung ausreichender Nachwuchskräfte wird bereits gegenwärtig durch die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 c) GesSchulAnerkV Rechnung getragen. Diese Regelung gestattet, ähnlich wie in § 4 Abs. 7 GBSchV - Brandenburg, in begrenztem Umfang den Einsatz von Lehrkräften, die das erforderliche Studium oder die erforderliche Weiterbildung berufsbegleitend absolvieren. Nach gegenwärtiger Rechtslage wird dementsprechend auch als Lehrkraft anerkannt, wer bei Beginn seiner Lehrtätigkeit ein pflege-, medizin- oder gesundheitspädagogisches Hochschulstudium oder einen Weiterbildungslehrgang zur Lehrkraft begonnen hat und innerhalb von drei Jahren nach Beginn seiner Lehrtätigkeit abschließt, solange drei Viertel der Lehrkräfte der jeweiligen Schule über die erforderliche berufliche und pädagogische Qualifikation verfügen. Berlin, den 02. September 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung