Drucksache 18 / 20 584 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) vom 16. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2019) zum Thema: Mikroplastik durch Reifenabrieb als Belastung für Umwelt und Natur – was tut der Senat? und Antwort vom 02. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20584 vom 16. August 2019 über Mikroplastik durch Reifenabrieb als Belastung für Umwelt und Natur - was tut der Senat? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Ist bei der kürzlich erfolgten Sanierung der Kanalisation in der Artemisstraße dafür Sorge getragen worden, dass das Regenwasser nicht mehr ungefiltert in das Tegeler Fließ geleitet wird? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 1: Bei der Artemisstraße handelt es sich wegen der Lage im Wohngebiet um eine Straße mit geringem täglichen Verkehrsaufkommen. Aufgrund der geringen verkehrlichen Belastung der Artemisstraße wurden bei der damaligen Umsetzung des Teilstücks des Regenwasserkanals Straßeneinläufe mit integriertem Schlammraum vorgesehen, um den Rückhalt sedimentierfähiger Stoffe im Straßeneinlauf zu ermöglichen. Frage 2: Ist dem Senat bekannt, wieviel Mikroplastik durch Reifenabrieb von den 90 Reinickendorfer Straßen ungefiltert in das Tegeler Fließ geleitet wird? Wenn nicht, wie hoch wird die Zuleitung von Mikroplastik geschätzt? Frage 3: Wie bewertet der Senat die Studie des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT „Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik“, wonach Reifenabrieb den größten Teil des Mikroplastiks in der Umwelt ausmacht? 2 Antwort zu 2 und 3: Zu den Frachten an Reifenabrieb liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Untersuchungen zur Quantifizierung von Reifenabrieb und der Eintrag in die aquatische Umwelt über den Straßenabfluss sind zur Zeit noch Stand der Forschung. Dies gilt ebenso für die hierfür notwendige Laboranalytik. Hierzu werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) verschiedene Forschungsprojekte gefördert (MiWa - Mikroplastik im Wasserkreislauf, RUSEKU, RAU - Reifenabrieb in der Umwelt), die die Senenatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz begleitet. Daher kann zur Zeit weder der Reifenabrieb noch der Anteil an Mikroplastik verlässlich bestimmt oder abgeschätzt werden. Die Einschätzung, wonach Reifenabrieb den größten Teil des Mikroplastiks in der Umwelt ausmacht, wird nach aktuellem Kenntnisstand geteilt. Die Daten gehen u.a. zurück auf Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (Kocher, B. 2010: BASt-Bericht V188). Ähnliche Ergebnisse liegen beispielsweise für die Niederlande vor (Verschoor et al. 2014; in Umweltbundesamt Dokumentation 05/2017). Für eine abschließende Bewertung und Bilanzierung sind jedoch die Ergebnisse der laufenden Forschungsprojekte abzuwarten. Frage 4: Wie gedenkt der Senat auf wissenschaftliche Studien zur Umweltbelastung durch Reifenabrieb zu reagieren? Antwort zu 4: Unabhängig von den in Aussicht stehenden konkreten Forschungsergebnissen zur Belastung des Regenabflusses mit Reifenabrieb und Mikroplastik ist die Belastung der Gewässer, vor allem durch stark befahrene Straßen, Gegenstand aktueller systematischer Untersuchungen und Hotspot-Analysen als Grundlage für ein „Gewässergütebauprogramm Trennsystem“. Aktuell wird für die Klassifizierung der Belastungsintensitäten von Straßenabflüssen maßgeblich die durchschnittliche tägliche Verkehrsdichte (DTV) herangezogen. Sollten die Forschungsergebnisse zudem weitere sytematische Kriterien für die Klassifizierung von Belastungsintensitäten (z.B. Fahrdynamikkennziffern, Flottenangaben) bereit stellen, so werden diese künftig ebenfalls bei der Belastungsanalyse berücksichtigt. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wird perspektivisch auch eigene Messungen im Regenabfluss vornehmen, sobald die methodischen Fragen von Probenahme, Aufbereitung und Analytik im Rahmen laufender Forschungsvorhaben geklärt sind. Zielstellung ist es, in Schwerpunktgebieten zentrale und dezentrale Maßnahmen zum Rückhalt von Partikeln planerisch vorzubereiten. Zudem erhoffen wir uns aus dem durch das BMBF geförderten Forschungsprojekt „RAU - Reifenabrieb in der Umwelt“. (Koordination: Technische Universität zu Berlin; Projektpartner: Berliner Wasserbetriebe) auch ergänzende Aussagen zur Effizienz verschiedener Behandlungsanlagen als Grundlage für die Maßnahmenoptimierung. Frage 5: Wie verträgt sich die ungefilterte Ableitung von verschmutztem Straßenabwasser in das Tegeler Fließ mit den Regelungen in § 8 Nr. 9 der Verordnung zum Schutz der Landschaft des Tegeler Fließes im Bezirk Reinickendorf und § 8 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung über das Naturschutzgebiet Tegeler Fließ im Bezirk Reinickendorf, wonach die Zuleitung von Regenwasser in das Tegeler Fließ nur zulässig ist, wenn der 3 Schulzweck des Landschaftsschutz- bzw. Naturschutzgebietes nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt wird? Frage 6: Wie kann es sein, dass es nach den beiden Verordnungen jedermann verboten ist, das Fließ zu verunreinigen, das Einleiten von Regenwasser aus der öffentlichen Straßenentwässerung aber erlaubt wird? Antwort zu 5 und 6: Die Einleitung von Regenwasser aus der öffentlichen Straßenentwässerung verträgt sich nur soweit und solange mit dem Schutzzweck der in Frage 5 zitierten Verordnungen, soweit dieser dadurch nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt wird. Deshalb enthalten die o.g. Verordnungen zum Schutz des Natura-2000-Gebietes die Zielstellung, die stoffliche Belastung der in das Gebiet eingeleiteten Abwässer aus der Straßenentwässerung und die Häufigkeit der Noteinleitungen aus den Abwasserpumpwerken zu reduzieren. Die Planung und Umsetzung der dafür erforderlichen Maßnahmen ist aufwändig und komplex und erfolgt durch die zuständigen Behörden langfristig im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten. Frage 7: Welche Maßnahmen hat die Wasserbehörde ergriffen, um der in § 8 Nr. 9 der Landschaftsschutzverordnung und § 8 Abs. 1 Nr. 8 der Naturschutzverordnung normierten Verpflichtung nachzukommen, Nachrüstungen zur Verbesserung der Wasserqualität im Tegeler Fließ durchzuführen? Antwort zu 7: Zur Reduzierung der vorhandenen Gewässerbelastungen aus Niederschlagswassereinleitungen werden derzeit die Einzugsgebiete der Regenwasserkanalisation ermittelt, die die Hauptbelastungsquellen darstellen. Bei der daraus abzuleitenden Priorisierung der sehr zahlreichen erforderlichen Maßnahmen werden auch die Lage in Schutzgebieten, der Status als Badegewässer und die damit verbundenen Verpflichtungen berücksichtigt. Durch das seit Beginn 2018 geltende Gebot zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung und die Einleitbegrenzung (BReWa-Be) werden zusätzliche Belastungen der Gewässer vermieden. Siehe auch Antwort zu Frage 4. Berlin, den 02.09.2019 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz