Drucksache 18 / 20 588 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 16. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. August 2019) zum Thema: Wohnungsnot lindern – Dachgeschossausbau erleichtern und Antwort vom 09. Sep. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/ 20588 vom 16. August 2019 über Wohnungsnot lindern - Dachgeschossausbau erleichtern Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der Freistaat Bayern plant momentan den Dachgeschossausbau genehmigungsfrei zu stellen und sieht darin bundesweit ein Potential von mindestens einer Million zusätzlicher Wohnungen (vgl. diesbezüglich auch die Studie der TU Darmstadt: Tichelmann/Groß/Günther 2015 S. 4). In Berlin wären dabei (nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) 52.000 Wohnungen alleine durch den Dachausbau in Gebäuden der Gründerzeit und der 1920er und 30er Jahre zu gewinnen. Frage 1: Warum wird das durch Dachgeschossausbau erreichbare Potential an Wohnraum nicht abgerufen? Was sind die Hindernisse? Antwort zu 1: Der relativ geringe Anteil von Dachgeschossausbauten am gesamtstädtischen Neubauvolumen in Berlin hat vielfältige Gründe: Grundsätzlich befindet sich der größte Anteil der Potenziale für Dachgeschossausbau im Besitz von privaten Eigentümern, die eigenständig über eine Umsetzung baulicher Maßnahmen entscheiden. In Gebäuden mit Wohnungseigentum (WEG) müssen beispielsweise alle Parteien einem Ausbau zustimmen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Beim Dachgeschossausbau sind zahlreiche bauplanungsrechtliche- und bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen (Rettungswege, Brandschutz, Abstandsflächen, Anforderungen an Belichtung, Besonnung und Belüftung etc.), zum Teil auch denkmalpflegerische Anforderungen. Frage 2: Was hat der Senat bisher zur Erleichterung des Dachgeschossausbaus unternommen? 2 Antwort zu 2: In Berlin greift bereits das Genehmigungsfreistellungsverfahren bis zur Hochhausgrenze. Das heißt, auch Dachraumausbauten im Geltungsbereich von Bebauungsplänen unterfallen diesem Verfahren (vgl. Vormerkungen: Planungen des Freistaates Bayern zur Genehmigungsfreistellung von Dachgeschossausbau). Frage 3: Wie aus einer anderen Anfrage (Drucksache 18/ 14 815) hervorgeht, ist dem Senat die widersprüchliche Rechtsprechung des VG Berlin über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen des Baunutzungsplanes bezüglich der Geschossflächenzahl bekannt. Gedenkt der Senat rechtliche Änderungen herbeizuführen, um das Wohnraumpotential von Dachausbauten zu heben? Falls nein, warum wird hier keine politische Entscheidung getroffen, anstatt eine langwierige Entscheidung durch die Rechtsprechung abzuwarten und damit Rechtsunsicherheit in Kauf genommen? Antwort zu 3: Dem Senat stehen keine rechtlichen Änderungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zuständig für Befreiungen von den Festsetzungen des Baunutzungsplans 1958/1960 sind die Bezirke. Dabei sind die Bezirke aufgrund der Grundprinzipien des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung (AZG) frei in ihren Verwaltungsentscheidungen (siehe auch das geänderte Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB). Nur in den gesetzlich geregelten Fällen kann der Senat gegenüber den Bezirken sein Eingriffsrecht wahrnehmen. In den meisten Fällen der Dachausbauten wird auch im Widerspruchsverfahren der Bezirk zuständig sein, denn der Senat entscheidet in Widerspruchverfahren nur bei Vorhaben mit einer Geschossfläche von mehr als 1500 m² (vgl. § 88 Absatz 1 Nummer 2 Bauordnung für Berlin (BauO Bln). Die meisten Dachgeschossausbauten haben eine Geschossfläche von unter 1500 m². Auch eine flächendeckende Aufhebung oder Überplanung des Baunutzungsplans 1958/1960 für alle ehemaligen West-Bezirke ist für den Senat aus rechtlichen und politischen Gründen nicht möglich, denn dann würden den West-Bezirken keine Flächen zur eigenständigen Überplanung zur Verfügung stehen. Deshalb soll nach den Richtlinien der Regierungspolitik der Baunutzungsplan sukzessive durch Bebauungspläne ersetzt werden, für die hauptsächlich die Bezirke zuständig sind. Eine bezirkliche Überplanung aller Flächen des Baunutzungsplans 1958/1960 ist jedoch aus Kapazitätsgründen für die Bezirke nicht möglich. Sollten im Einzelfall die Festsetzungen des Baunutzungsplans 1958/1960 funktionslos geworden sein, ist aus Sicht der betroffenen Bezirke die Anwendung des § 34 BauGB als Planersatzvorschrift ausreichend. Die Anwendung des § 34 BauGB führt in der Regel nicht zu einem Zulässigkeitsrahmen, der die Aufstellung von Bebauungsplänen erforderlich macht. Frage 4: Sieht man einen qualifizierten Unterschied zwischen dem Ausbau von Dachgeschossen und dem durch den Senat befürworteten und geförderten Ausbau von Wohnflächen über Supermärkten und wenn ja, welchen? Antwort zu 4: Das starke Bevölkerungswachstum in Berlin erfordert insgesamt eine Erhöhung des Wohnungsangebots durch Neubau, vor allem aber eine bedarfsgerechte Ausweitung des 3 Angebots an bezahlbarem Wohnraum. Sowohl Dachgeschossausbau als auch der Neubau von Wohnungen über Einzelhandelsflächen leisten einen Beitrag zur Schaffung zusätzlicher Wohnungen und sind wichtiger Bestandteil einer flächensparenden Stadtentwicklung. Dachgeschossausbau ist in Berlin seit mehr als 30 Jahren fester Bestandteil der Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft, während der Wohnungsneubau über Einzelhandelsflächen ein vergleichsweise neues Handlungsfeld darstellt. Berlin, den 09.09.2019 In Vertretung Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen