Drucksache 18 / 20 793 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thorsten Weiß (AfD) vom 21. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. August 2019) zum Thema: Wirtschaftlichkeit der Kita-Eigenbetriebe und Antwort vom 12. Sep. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Thorsten Weiß (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20 793 vom 21. August 2019 über Wirtschaftlichkeit der Kita-Eigenbetriebe ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Personelle Unterdeckung und Überbelegungen Auf Seite 10 des Berichts zu 1841 heißt es: „Die Platz- und Personalsituation ist weiterhin angespannt. Im Einzelfall werden temporäre Überbelegungen durch die Kitaaufsicht genehmigt.“ Frage: In wie vielen Fällen kam es zu temporären Überbelegungen? In der graphischen Darstellung auf Seite 11 wird das von den Kita-Eigenbetrieben in den Einrichtungen vorzuhaltende Fachpersonal (Personal-Soll) dem von den Kita-Eigenbetrieben gemeldeten arbeitswirksamen Personal (Personal-Ist) gegenübergestellt. Die personelle Unterdeckung zum Stichtag lag bei den fünf Eigenbetrieben zwischen 16 und 82 Stellen. Frage: Was bedeutet es in praxis, wenn in einer Einrichtung auch nur eine Stelle fehlt? Wie wirkt sich dies auf die Gruppengröße und die Gestaltung des pädagogischen Alltags und die Bildungsqualität aus? Können Sie uns dies veranschaulichen? Zu 1.: Zeitlich befristete Überbelegungen sind genehmigungspflichtig. Genehmigungen können auf Antrag durch die Einrichtungsaufsicht und -beratung erteilt werden. Im Jahr 2018 wurden 46 Überbelegungen bei den Kindertageseinrichtungen der Kita- Eigenbetriebe genehmigt (Erfassung ab April 2018). Im Jahr 2019 wurden aktuell 22 Überbelegungen genehmigt. Auswirkungen auf die Praxis stehen in engem Zusammenhang u.a. mit der Einrichtungsgröße , der konzeptionellen Ausrichtung des Trägers sowie der Dauer der per- 2 sonellen Unterbesetzung. In der Regel muss der pädagogische Alltag nicht umgestellt werden, da grundsätzlich mehrere Erzieherinnen und Erzieher für eine Gruppe zuständig sind. Je nach Ausgangslage kann auf eine personelle Unterbesetzung mit dem Zusammenlegen von Gruppen, der Öffnung der Alltagsgestaltung sowie Anpassung der geplanten Angebote an die neue Gruppensituation reagiert werden. In Einzelfällen , insbesondere bei längerfristigen Personalausfällen, kann eine Reduzierung der Öffnungszeiten zum Erhalt der pädagogischen Qualität erforderlich sein. 2) Fachkräftemangel Laut Bericht „wird erwartet, dass sich bei der Besetzung freier bzw. frei gewordener Stellen aufgrund des Fachkräftemangels zeitweise Vakanzen ergeben werden, die den Personalaufwand senken.“ S. 101 Frage: Was unternehmen die Kita-Eigenbetriebe selbst gegen den Fachkräftemängel? Und inwiefern könnten die fünf Kita-Eigenbetriebe das Personal in der eigentlich notwendigen Höhe denn überhaupt finanzieren? 5) Kostenblattfinanzierung und „Ausgleich struktureller Benachteiligungen“ Zur Kostenblattfinanzierung heißt es (S. 110): „Nach wie vor werden die Personalkosten im pädagogischen Fachbereich über das Kostenblatt nicht auskömmlich finanziert. […] Hierin ist ein strukturelles Problem des Eigenbetriebes zu erkennen, welches einer grundsätzlichen Lösung durch das Land Berlin bedarf.“ S. 110. Frage: Wie sieht diesbezüglich Ihre Forderung aus? Sind die Finanzierungsystematik und die pauschalierten Parameter des Kostenblatts dazu geeignet, die tatsächlichen Kosten für die Leistungserbringen zu refinanzieren? Die strukturellen Sonderbelastungen der Kita-Eigenbetriebe gegenüber Freien Trägern aufgrund tarifvertraglicher Bindungen im Bereich des pädagogischen Personals werden durch das Land Berlin teilweise finanziell ausgeglichen. Bezüglich des Ausgleichs struktureller Benachteiligungen möchte ich Sie um Darstellung aus Ihrer Sicht und um Bewertung der Sinnhaftigkeit dieser Finanzierungsweise bitten. Info: Der Eigenanteil, den die Kita-Träger stemmen müssen, sinkt schrittweise von sieben (2017) auf fünf Prozent im Jahr 2021. Dies wurde 2017 in der neuen Rahmenvereinbarung zur Finanzierung und Leistungssicherung in Tageseinrichtungen zwischen Senat, Wohlfahrtsverbänden und DaKS festgehalten . Die Liga der freien Wohlfahrtspflege lobte diverse Punkte des neuen Vertrages, übte aber auch Kritik: Viele Kosten sind in der aktuellen Regelung nicht abgebildet, der Eigenanteil der Träger müsse ab 2021 weiter abgesenkt werden. Frage: Soll ab 2021 der Trägeranteil weiter abgesenkt bzw. letztlich abgeschafft werden? Zu 2. und 5.: Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werden von den Kita-Eigenbetrieben verschiedenste Maßnahmen ergriffen. Beispielhaft seien folgende genannt: - Nachbesetzung von befristeten Stellen durch Personaldienstleister (Zeitarbeitskräfte ) - Nutzung der Möglichkeiten der Teilzeitausbildung für Erzieherinnen und Erzieher - Beschäftigung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern - Mentorenprogramme für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - Einsatz von zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Personalgewinnung und –entwicklung - Werbung auf Fachmessen (z.B. Berlin-Tag) 3 Die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen erfolgt seit dem 01.01.2006 einheitlich für die Kindertagesstätten freier und kommunaler Träger auf der Grundlage des Kindertagesförderungsgesetzes (KitaFöG) in Verbindung mit der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) im Rahmen des Kita-Gutscheinsystems. Die in den Kostenblättern der RV Tag festgeschriebenen Kostensätze enthalten Personal - und Sachkosten, die zu 94 % erstattet werden. Sie staffeln sich nach dem Betreuungsumfang und dem Alter der betreuten Kinder ggf. zuzüglich etwaiger Zuschläge für die Förderung von Kindern mit Behinderung, von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache und von Kindern, die in Wohngebieten mit sozial benachteiligenden Bedingungen leben. Die Zuschläge werden zu 100 % finanziert. Eine Querfinanzierung zwischen Personal-und Sachkosten ist möglich. Die für die Kita-Eigenbetriebe zuständigen Bezirke erhalten darüber hinaus finanzielle Mittel für den Ausgleich struktureller Nachteile der Kita-Eigenbetriebe. Dies sind: Mittel für den Ersatz der Personalausgaben der zu den Kita-Eigenbetrieben versetzten Personalüberhangkräfte (Kapitel 4021/Titel 67146), Mittel für den Ersatz von VBL-Sanierungsgeldern an die Kita-Eigenbetriebe (Kapitel 4021/ Titel 67148) und Mittel für den Ersatz von sonstigen besonderen Personalausgaben an die Kita- Eigenbetriebe – hier Besitzstände aus dem BAT/BAT-O hinsichtlich ehemaliger Vermittlungsgruppenleiter/innen und Vergütungsgruppenzulage (Kapitel 4021/Titel 67169). Diese Gesamtfinanzierung ermöglicht es den Kita-Eigenbetrieben, das gesetzlich vorgeschriebene Personal-Soll entsprechend TV-L zu entlohnen. Die RV Tag gilt bis zum 31. Dezember 2021. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 RV Tag werden rechtzeitig im Jahr 2021 neue Verhandlungen über die Anpassung von Personalund Sachkosten zwischen den Vertragspartnern aufgenommen. Die genaue Verhandlungsthematik bleibt den Verhandlungen vorbehalten. 3) Querfinanzierungen zwischen Personal- und Sachkostenbereich Um Löcher zu stopfen, kommt es zu Mittelverschiebungen zwischen dem Personal- und Sachbereich. Fehlende Beträge werden z.B. bei der Instandhaltung eingespart (Vgl. S. 101). Frage: Was bedeuten diese Mittelverschiebungen mittel- und langfristig für die bauliche Instandhaltung und die sachliche Ausstattung? Eine aus zufälligen Spenden zusammengewürfelte Ausstattung, wie es gang und gäbe ist, entspricht ja nicht den Kriterien qualitätsgesicherter Pädagogik. 6) Mieten Bei den fünf Kita-Eigenbetrieben des Landes Berlin schwanken die durchschnittlichen Nettokaltmieten immens. (Zwischen 3,56€ und 12,70€ pro Quadratmeter, abgedeckt werden nur 5,50€ Stand 2017). Das Problem der Mieten betrifft insbesondere auch die Freien Träger. Kitas in Gegenden mit hohen Mietlagen sind in ihrer Existenz bedroht. Frage: Ist die Finanzierungssystematik bezüglich der Mieten aus Ihrer Sicht geeignet oder reformbedürftig ? Wenn ja: Welche Finanzierungssystematik würden Sie präferieren, um den Mietanteil in der Kitafinanzierung der örtlichen Lage der Kitas anzupassen? 4 Zu 3. und 6.: Die in den Kostenblättern der RV Tag enthaltenen Kostensätze werden auf pauschaler Grundlage ermittelt und regelmäßig fortgeschrieben. Die Finanzierungssystematik sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Querfinanzierung zwischen Personal- und Sachkosten vor. So kann auf unterschiedliche Strukturen und Anforderungen flexibel reagiert werden. Aufgrund des stetigen Anstiegs des Mietniveaus wurde im Ergebnis der letzten RV Tag-Verhandlungen vereinbart, den Basiswert für die Sachkosten innerhalb der Laufzeit der RV Tag zusätzlich um insgesamt 10,4% anzuheben (jeweils 3% in den Jahren 2018 und 2020 und jeweils 2% in den Jahren 2019 und 2021). Die Finanzierungssystematik auf Grundlage des Kostenblattes trägt zur größtmöglichen Flexibilität des Mitteleinsatzes bei. 4) Kitasanierungsprogramm und Instandhaltungsrückstau Die zusätzliche Bereitstellung von Mitteln aus dem Kitasanierungsprogramm soll zum weiteren Abbau des Instandhaltungsrückstaus beitragen. Bei der Umsetzung dieses Programms stoßen die Eigenbetriebe – laut Bericht – aber an „planungs-, steuerungs- und kontrolltechnische Kapazitätsgrenzen“. Dafür müsse zunehmend auf externe Planungs- und Steuerungsbüros zugegriffen und damit verbundene Risiken eingegangen werden. Fehlende Angebote auf Ausschreibungen führten zu Einschränkungen und Verzögerungen beim Bauablauf, dies wiederum führt zu Kostensteigerungen und Erhöhung des Eigenmittelfinanzierungsanteils. Das damit verbundene Risiko steigender Abschreibungen könne ertragsseitig nicht mehr durch entsprechende Auflösung der Fördermittelsonderposten kompensiert werden. Die Darstellung ausgeglichener Wirtschaftspläne gehe damit zukünftig zu Lasten anderer Ausgabepositionen. (S. 160) Frage: Können Sie uns die Probleme hinsichtlich des Instandhaltungsrückstaus noch näher erläutern? Wie hoch ist der Instandhaltungsrückstau in den Kitas, stehen dafür genügend Mittel bereit? (Vgl. S. 117) Wie kann der Instandhaltungsrückstau aus Ihrer Sicht am besten abgebaut werden? Zu 4.: Derzeit liegen keine auf einheitlicher Grundlage ermittelten Kosten für den Instandsetzungs - bzw. Erhaltungsbedarf der Kindertageseinrichtungen bei den 5 Kita- Eigenbetrieben vor. Im Jahr 2016 bezifferten die Kita-Eigenbetriebe den Sanierungsbedarf auf insgesamt rund 150 Mio. EUR auf der Basis einer in 2015 erfolgten Baubestandserfassung und einer groben Kostenschätzung. Die Kita-Eigenbetriebe haben sich seitdem in unterschiedlicher Weise um den Abbau des damals aktuellen Sanierungsstaus bemüht. Sie haben rückgemeldet, dass die Programme des Bundes und des Landes Wirkung entfalten. Dazu zählen u.a. das zwischenzeitlich abgeschlossene Bundesprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2017-2020“, das Landesprogramm „Auf die Plätze, Kitas, los!“, aus dem im Einzelfall Maßnahmen der Sanierung finanziert werden können (Sicherung vor Wegfall), und das Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm (KSSP). Zugleich machen die Kita- Eigenbetriebe aber darauf aufmerksam, dass sie nur schwer in der Lage sind, Eigenmittel aufzubringen, soweit diese in den Programmen Fördervoraussetzung sind. Sie weisen zusätzlich auf die rasant steigenden Kosten im Bausektor, Bauablaufver- 5 zögerungen mit der Folge weiterer Kostensteigerungen sowie erhöhte Anforderungen , bspw. an den Brand- und Sonnenschutz, hin. Gemäß Beschluss des Hauptausschusses vom 14.03.2018 (Rote Nummer 0516 A) sowie der konsolidierten Titelliste zum Sondervermögen Infrastruktur Wachsende Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA IV) stehen für die Kita-Eigenbetriebe seit 2018 15 Mio. € für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen eines Sanierungsprogramms in Federführung der Senatsverwaltung für Bildung , Jugend und Familie. Der Ansatz von 15 Mio. € soll nach Beschluss des SIWA- NA-Lenkungsgremiums vom 1.4.2019 um weitere 8,26 Mio. € aufgestockt werden. Berlin, den 12. September 2019 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie