Drucksache 18 / 20 816 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Kristian Ronneburg (LINKE) vom 26. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. August 2019) zum Thema: Belastung von Nebenstraßen aufgrund von Echtzeit-Navigationssystemen und Antwort vom 11. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Kristian Ronneburg (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20816 vom 26.08.2019 über Belastung von Nebenstraßen aufgrund von Echtzeit-Navigationssystemen Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Strategien verfolgt der Senat, um die Lenkung von Verkehrsströmen in das Nebennetz durch Echtzeit-Navigationssysteme wie „google maps“ zu vermeiden und die Überlastung von Nebenstraßen durch die individuelle Fahrzeitoptimierung zu verhindern? Antwort zu 1: Navigationssysteme sind frei herstellbare Produkte gewerblicher Anbieter und unterliegen verkehrlich keiner staatlichen Kontrolle. Die in einem Navigationssystem verwendeten Software-Komponenten (digitales Straßennetz mit zulässigen Fahr- und Abbiegebeziehungen, Attribuierung der Netzelemente mit Widerstandswerten, Routingalgorithmus, ggf. aktuelle lokale Verkehrslagedaten) werden von verschiedenen Akteuren angeboten und von den diversen Herstellern von Navigationssystemen beliebig kombiniert. Frage 2: Welche Auswirkungen hätten falsche Annahmen über berechnete Verkehrsströme in Berlin auf den Lärmaktionsplan und den Luftreinhalteplan hinsichtlich individueller Klagemöglichkeiten von Betroffenen? Antwort zu 2: Individuelle Klagemöglichkeiten werden durch Darstellungen im Lärmaktions- oder Luftreinhalteplan nicht eingeschränkt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Pläne keine straßenbezogenen Darstellungen hinsichtlich der Verkehrsbelastungen im Nebennetz enthalten. 2 Frage 3: Welche konkrete Verkehrsbelastung im Nebenstraßennetz (durchschnittliches werktägliches Verkehrsaufkommen; Anzahl Kraftfahrzeuge in der Spitzenstunde) ist nach Ansicht des Senats vertretbar? Antwort zu 3: Der Verkehr im Nebenstraßennetz ist abhängig von der Art und Weise der anliegenden Bebauung/Nutzung der Grundstücke, der Lage im Stadtraum und im Verkehrsnetz der Stadt. Daraus resultieren verschiedene durchschnittlich werktägliche wie auch stündliche Verkehrsmengen, die unterschiedliche Auswirkungen je nach Betrachtungsweise ergeben. So kann eine identische Querschnittsbelastung in einer Nebennetzstraße in einer offen bebauten Ein-/Zweifamilienhaus-Siedlung andere Auswirkungen hervorrufen als z.B. in einem Gebiet mit einer mehrgeschossigen, geschlossenen Blockrandbebauung. Zugleich verursachen diese unterschiedlichen Randbedingungen z.B. verschiedene Grenzwerte für Luftschadstoffe und Lärm. Eine konkret definierte Verkehrsbelastung im Nebenstraßennetz, die von Seiten des Senats vertretbar ist, gibt es daher nicht. Frage 4: Welche Möglichkeiten hat der Senat, um Maßnahmen im Nebenstraßennetz zu ergreifen, die den Ausweichverkehr sukzessive und konsequent verhindern? Wie beurteilt der Senat diese Maßnahmen im Einzelnen? Antwort zu 4: Ziel des Senats ist es, den Durchgangsverkehr in den Stadt- und Wohnquartieren zu reduzieren bzw. zu verhindern. Dabei können bauliche und verkehrsorganisatorische Maßnahmen ein hilfreiches Instrumentarium sein. Grundsätzlich obliegt die Beurteilung, ob regelmäßige Ausweichverkehre im untergeordneten Straßennetz existieren, der jeweils örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde – für das Nebennetz sind dies die bezirklichen Straßenverkehrsbehörden. Diese prüfen konzeptionell mögliche verkehrliche Maßnahmen zur Reduzierung der Ausweichverkehre auch unter dem Aspekt, dass die Verkehre und Belastungen nicht in andere Straßen verlagert werden. Es erfolgen Abstimmungen mit dem für bauliche und verkehrsregelungstechnische Maßnahmen im Straßennebennetz zuständigen Straßenbaulastträger (den bezirkliche Straßen- und Grünflächenämtern) hinsichtlich eventueller baulicher Änderungen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs im untergeordneten Netz als auch mit der Verkehrslenkung Berlin (VLB) über mögliche ergänzende verkehrliche Maßnahmen im übergeordneten Hauptverkehrsstraßennetz. Die Wirkung von Pollern, Einbahnstraßenregelungen oder Diagonalsperren sind, wird dabei auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf das angrenzende Verkehrsnetz beurteilt. 3 Frage 5: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat kürzlich Poller im Wrangelkiez aufgestellt, um eine konkrete Abkürzung zu verhindern. Wie unterstützt der Senat gleich gelagerte Vorhaben in anderen Bezirken? Antwort zu 5: Bezirke sind bereits an die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hinsichtlich einer Unterstützung bei der Reduzierung des motorisierten Durchgangsverkehrs in Wohngebieten herangetreten. Aufgrund der Betroffenheiten bezüglich des übergeordneten Straßennetzes z.B. durch initiierte Verkehrsverlagerungen, anderweitige Verkehrsverteilungen und Anpassungen von Lichtsignalanlagen (LSA) baten sie um Unterstützung für die Erarbeitung einer Verkehrsuntersuchung, bei der geeignete Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sowie zum Nachweis der Auswirkungen auf das angrenzende Verkehrsnetz geprüft werden sollen. Der Senat unterstützt die Intentionen der Bezirke und hat die Bereitstellung finanzieller Mittel für "autofreie Kieze" im Haushalt beantragt. Mit diesem neuen Titel sollen Quartiere wohn- und lebenswerter sowie lärmund schadstofffreier gestaltet werden. Gleichzeitig sollen mit der Reduzierung des nicht notwendigen Kfz-Verkehrs im Sinne des Mobilitätsgesetzes Maßnahmen zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum gefördert werden. Frage 6: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, in den Austausch mit jenen Bezirken zu treten, die bisher solche Maßnahmen ausschließen oder zur Zeit nicht verfolgen, um die Verkehrsbelastung im Nebenstraßennetz zu verringern? Antwort zu 6: Der Senat beabsichtigt, in einer der nächsten Gesprächsrunden mit den Leitern der Straßen- und Grünflächenämter, nach Beschluss des Haushalts und Verfügbarkeit der finanziellen Mittel alle Bezirke über eine mögliche finanzielle Unterstützung zu informieren. Frage 7: Ist nach Kenntnis des Senats geplant, das Waldseeviertel in Reinickendorf für den motorisierten Durchgangsverkehr zu sperren? Wenn ja, wie sieht der konkrete Zeitplan aus? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 7: Dem Bezirksamt Reinickendorf von Berlin ist die Problematik des erhöhten Durchgangsverkehrs im Waldseeviertel bekannt. In Kooperation mit der VLB wurden bereits bauliche Maßnahmen, d.h. die Aufweitung des Fahrbahnquerschnitts an LSA auf der Bundesstraße 96 umgesetzt, um den Verkehrsfluss im übergeordneten Straßennetz zu erhöhen. Des Weiteren wurden bauliche und verkehrliche Maßnahmen im Waldseeviertel veranlasst, um die Attraktivität für den dortigen Durchgangsverkehr zu reduzieren. Die bereits vollzogenen Maßnahmen befinden sich bis Ende des Jahres in der Evaluierung, 4 ergänzende Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit befinden sich noch in der Prüfung. Berlin, den 11.09.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz