Drucksache 18 / 20 890 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Gindra (LINKE) vom 04. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. September 2019) zum Thema: Berlin Partner – Abgrenzung öffentlicher und privater Interessen und Antwort vom 19. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Harald Gindra (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20890 vom 04.09.2019 über Berlin Partner – Abgrenzung von öffentlichen und privaten Interessen ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Fragen beziehen sich teilweise auf zwei rechtlich unabhängige, aber institutionell verzahnte Gesellschaften, die nicht in der gleichen Beziehung zum Land Berlin stehen und deshalb unterschieden werden müssen: Einerseits handelt es sich um Fragen an die Wirtschaftsfördergesellschaft „Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH“ (kurz „Berlin Partner“). Die satzungsgemäßen Aufgaben von Berlin Partner liegen in der Beratung und Betreuung von Unternehmen bei der Ansiedlung in Berlin sowie von Berliner Bestandsunternehmen, in der Technologieförderung sowie in der Umsetzung von Standortmarketingmaßnahmen . Davon zu unterscheiden ist die private Partner für Berlin Holding – Gesellschaft für Hauptstadtmarketing mbH (kurz „Partner für Berlin“ oder „PfB“). Sie vereint momentan 292 Unternehmen der privaten Wirtschaft und ist im Rahmen eines Public- Private-Partnership-Modells die private Partnerin des Landes bei der einheitlichen Vermarktung der Stadt im In- und Ausland. Sie hält 28 % der Gesellschaftsanteile der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH. Im Auftrag des Landes Berlin ist die PfB mit Maßnahmen des Hauptstadt- und Standortmarketings betraut und stellt hierfür private Partnermittel für eine 50%ige Ko-finanzierung zur Verfügung. Zur operativen Umsetzung der Marketingmaßnahmen beauftragt die PfB ihrerseits Berlin Partner als Geschäftsbesorgerin. Das Land Berlin ist an der privaten PfB nicht beteiligt und auch nicht in den Aufsichtsgremien vertreten. An der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner hält das Land – über die Anteile der Investitionsbank Berlin (IBB) – eine mittelbare Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft. Die Gesellschafter sind: 2 · Investitionsbank Berlin (IBB) · Technologiestiftung Berlin · Partner für Berlin (PfB) · Handwerkskammer (HWK) · Industrie- und Handelskammer (IHK) · Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg (UVB) 31,5% 30,0% 28,0% 3,5% 3,5% 3,5% Dieses Modell ist das Ergebnis der Zusammenlegung der Aufgaben von Wirtschaftsförderung und Standortmarketing im Jahr 2005. Durch die enge Verzahnung der beiden Unternehmen wird sichergestellt, dass Unternehmensakquise und Standortmarketing Hand in Hand arbeiten. Herr Dr. Franzke ist Geschäftsführer beider Gesellschaften . Vor diesem Hintergrund betrifft die Schriftliche Anfrage zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher Berlin Partner um eine Stellungnahme gebeten. Des Weiteren wurde die Investitionsbank Berlin um Zuarbeit gebeten, deren Vorstandsvorsitzender zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Berlin Partner gewählt ist. Die Stellungnahmen wurden von den jeweiligen Stellen in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt . Sie wurden bei der Beantwortung berücksichtigt. 1. Was unternahm der Senat zur Aufklärung der Vorwürfe, dass der Geschäftsführer der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH (Berlin Partner) bzw. ein Unternehmen, an dem er beteiligt ist, die Kontaktdatenbank von Berlin Partner für eigene wirtschaftliche Zwecke genutzt habe? Zu 1.: Gemäß § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH obliegt die Überwachung der Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat der Gesellschaft. Dessen Vorsitzender, der Vorstandsvorsitzende der IBB Dr. Jürgen Allerkamp, hat in enger Abstimmung mit der Ersten stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats, der Senatorin für Wirtschaft Ramona Pop, die Aufklärung des Sachverhaltes betrieben und das Thema zum Gegenstand einer außerordentlichen Präsidiumssitzung und der Aufsichtsratssitzung der Gesellschaft am 19.08.2019 gemacht. Ferner wurden die Datenschutz- und Compliance-Beauftragte von Berlin Partner, die interne Revision sowie der Abschlussprüfer der Gesellschaft in die Aufklärung des Sachverhaltes einbezogen. Nach dem aktuell vorliegenden Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass der Geschäftsführer die Kontaktdatenbank von Berlin Partner nicht genutzt hat, um über ein Mailing auf ein Unternehmen aufmerksam zu machen, an dem er beteiligt ist. Die angesprochenen Mailadressen wurden nach derzeitigem Stand aus den Kontakten des LinkedIn-Accounts des Geschäftsführers generiert. 3 2. Wie beurteilt der Senat die Vorwürfe und was wären die Konsequenzen, sollten sich diese als wahr herausstellen? Zu 2.: Nach Auskunft von Berlin Partner liegt keine Nutzung der unternehmenseigenen Kontaktdatenbank vor. Um grundsätzlich die Möglichkeit von Interessenkonflikten zu vermeiden hat Dr. Franzke versichert, die angesprochenen Investments schnellstmöglich aufzugeben und keine künftigen mehr einzugehen. 3. Wird oder wurde „Findervest“ durch Berlin Partner unterstützt? Falls ja, in welcher Weise? Zu 3.: Nein. 4. Wie teilen sich Personal- und Sachmittel-Einsatz auf die verschiedenen Aufgabenfelder / Services auf? Zu 4.: Die Aufgabenfelder von Berlin Partner sind Wirtschaftsförderung (Ansiedlung und Bestandsunternehmen), Innovationsförderung und Marketing. Die Personal- und Sacheinzelkosten verteilen sich im Jahresabschluss 2018 auf diese Aufgabenfelder wie folgt: Personaleinzelkosten (gesamt): 9,4 Mio. EUR, davon: - Wirtschaftsförderung (inkl. Messen): 4,2 Mio EUR. - Innovationsförderung (diverse Projekte Berlin/Bund/EU): 4;0 Mio. EUR. - Marketing (Geschäftsbesorgung für PfB): 1,2 Mio EUR. Sacheinzelkosten (gesamt): 9,9 Mio. EUR, davon: - Wirtschaftsförderung (inkl. Messen): 4,0 Mio. EUR. - Innovationsförderung: 1,7 Mio. EUR. - Marketing (Geschäftsbesorgung für PfB): 4,2 Mio. EUR. 5. Nach welchen Verfahren werden die Sitzverteilungen in Aufsichtsrat und Präsidium ermittelt? Zu 5.: Die Sitzverteilung im Aufsichtsrat der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH entspricht der im Rahmen des Fusionsprozesses von Berlin Partner GmbH und der TSB Innovationsagentur Berlin GmbH im Jahr 2013 gefundenen politischen Lösung und ist im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Demnach werden die Mandate durch Entsendung der Gesellschafter besetzt: - IBB: 2 Mandate (ein Mitglied des Vorstands der IBB sowie ein Mandat für eine Vertretung des Landes Brandenburg). - Partner für Berlin Holding: 2 Mandate (Aufsichtsratsvorsitz der PfB sowie ein Mandat für ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats der PfB). - Technologiestiftung: 2 Mandate (Vorstand der Technologiestiftung sowie ein Mandat für das für Wissenschaft zuständige Senatsmitglied). - IHK, HWK, UVB: 1 Mandat (jeweils Präsidentin bzw. Präsident). 4 - Senatsverwaltung für Wirtschaft, Enegie und Betriebe (SenWiEnBe) als fachverantwortliche Verwaltung und wesentlicher Zuwendungsgeber: 1 Mandat (das für Wirtschaft zuständige Senatsmitglied) Das Präsidium ist ein Ausschuss des Aufsichtsrates, der bei Bedarf tagt. Mitglieder sind das für Wirtschaft zuständige Senatsmitglied, die Aufsichtsratsvorsitzende oder der Aufsichtsratsvorsitzende, sowie je eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der großen Gesellschafter und in jährlicher Rotation eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der kleinen Gesellschafter. 6. Inwieweit werden die Mitgliedsunternehmen bei strategischen Fragen der Wirtschaftsförderung eingebunden? Zu 6.: Gemäß § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags von Berlin Partner bestimmt der Aufsichtsrat die Grundzüge der Geschäftspolitik. Die Unternehmensstrategie ist deshalb regelmäßig Bestandteil der Aufsichtsratssitzungen von Berlin Partner. In diesem Gremium ist die PfB mit ihren beiden Mandatsträgern vertreten. Um die Strategie auf zukünftige Herausforderungen auszurichten und neu zu justieren , hat die Gesellschaft im Jahr 2018 einen umfangreichen Zukunftsprozess durchgeführt , in dem alle wesentlichen Stakeholder der Gesellschaft (u.a. aus dem Kreise der Gesellschafter, der Zuwendungsgeber, Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen sowie externe Experten) eingebunden waren. Darüber hinaus werden strategische Fragen im Rahmen der vom Land Berlin ausgereichten Zuwendungen im Vorfeld des Zuwendungsantrags mit der SenWiEnBe abgestimmt (im Falle der institutionellen Förderung jährlich) und in einem regelmäßigen Jour fixe mit dem Staatssekretär der SenWiEnBe laufend begleitet. 7. Wie haben sich die jährlichen Mitgliedsbeiträge seit Bestehen von Berlin Partner entwickelt und welchen Anteil am Gesamtbudget haben sie jeweils? Zu 7.: Wie in der Vorbemerkung dargestellt, erzielt Berlin Partner keine eigenen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. Die Lizenzeinnahmen der Partner für Berlin Holding Gesellschaft für Hauptstadt Marketing mbH haben sich seit 2009 folgendermaßen entwickelt (in EUR): - 2009: 4,7 Mio - 2010: 4,2 Mio - 2011: 4,2 Mio - 2012: 4,2 Mio - 2013: 4,1 Mio - 2014: 4,5 Mio - 2015: 5,2 Mio - 2016: 5,8 Mio - 2017: 6,4 Mio - 2018: 6,5 Mio Im Jahr 2018 wurden aus diesen Lizenzeinnahmen die Marketingausgaben aus den Aufträgen des Landes Berlin an die PfB in Höhe von insgesamt 4,7 Mio. EUR netto - 5 davon SenWiEnBe (Standortmarketing) 2,0 Mio. EUR; Senatskanzlei (BeBerlin- Kampagne) 2,1 Mio. EUR, andere Senatsverwaltungen 0,6 Mio. EUR – in mindestens gleicher Höhe ko-finanziert. 8. Welche "Nachteile" haben Unternehmen, die nicht Mitglied von Berlin Partner sind, insbesondere im Hinblick auf Einladungen zu Netzwerkveranstaltungen? Zu 8.: Alle Unternehmen haben diskriminierungsfrei Zugang zu den Leistungen und Angeboten der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner, z.B. zu den Veranstaltungen des Bereichs Unternehmensservice oder den Fachnetzwerken der Cluster. Innerhalb der PfB haben die Partner-Unternehmen die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Lizenzkategorien zu wählen und sich darüber hinaus als Gesellschafter nachhaltig zu engagieren. Abgestuft nach der Höhe der jährlichen Lizenzbeiträge erhalten die Partner je nach Kategorie verschiedene Leistungen. Die jeweiligen Kategorien und damit verbundenen Leistungen sind im Internet abrufbar (www.berlinpartner .de/hauptstadt-marketing/berlin-partner-netzwerk). 9. Wie hoch ist die Personalfluktuation von Branchenberatern insbesondere in die private Wirtschaft ? Was sind die Gründe und was macht der Senat gegebenenfalls, um diese zu verringern ? Zu 9.: In 2018: Vier Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterkündigungen. In 2019: Neun Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterkündigungen und drei Austritte aufgrund von Befristungsende. Zur Frage, inwiefern die Beschäftigten eine Folgebeschäftigung in der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst angetreten haben, liegen keine Erkenntnisse vor. Als Gründe für einen Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber werden vor allem sich ergebende fachliche bzw. hierarchische Entwicklungsmöglichkeit benannt. Diese Fluktuation wird vom Senat nicht als ungewöhnlich hoch betrachtet – insbesondere vor dem Hintergrund einer guten Konjunktur und steigender Beschäftigungsmöglichkeiten in der Stadt. 10. Wie bewertet der Senat häufige Personalwechsel von Berlin Partner zu Privatunternehmen? Zu 10.: Siehe Antwort zu Nr. 9. 6 11. Welche Compliance-Regeln existieren bei Personalwechsel von Berlin Partner in private Unternehmen (z.B. Karenzzeiten, Verschwiegenheitsverpflichtungen etc.)? Zu 11.: Neben den arbeitsvertraglichen Regelungen ist die Verschwiegenheitspflicht sowie der vertrauliche Umgang mit dienstlich erlangten Informationen im Compliance- Grundsatz des Unternehmens geregelt, der Bestandteil des Organisationshandbuches von Berlin Partner ist. Berlin, den 19. September 2019 In Vertretung Christian R i c k e r t s ............................................................. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe