Drucksache 18 / 20 910 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) vom 05. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2019) zum Thema: Pflegende Familienangehörige ohne Versicherungsschutz? und Antwort vom 24. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20910 vom 05. September 2019 über Pflegende Familienangehörige ohne Versicherungsschutz? ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie sind pflegende Familienangehörige krankenversichert, wenn sie den zu Pflegenden 24 Stunden lang betreuen und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können? Zu 1.: Grundsätzlich besteht in Deutschland Krankenversicherungspflicht (vgl. § 5 SGB V). Bei erwerbsfähigen Pflegenden, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, sind verschiedene Formen des Versicherungsschutzes möglich. Die wichtigsten Konstellationen sind: a) Der Ehegatte, der Lebenspartner und die minderjährigen Kinder von Pflegebedürftigen sind in der Regel bei dessen Krankenkasse familienversichert (vgl. § 10 SGB V). b) Empfänger von Arbeitslosengeld II sind krankenversichert. Ihnen ist eine Arbeit nicht zuzumuten, wenn die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). c) Während einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz oder einer Pflegezeit nach § 3 Pflegezeitgesetz zahlt die Pflegekasse auf Antrag Zuschüsse zur Krankenversicherung (vgl. § 44a Abs. 1 SGB XI). 2. Wie sind pflegende Familienangehörige pflegeversichert, wenn sie den zu Pflegenden 24 Stunden lang betreuen und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können? - 2 -2 Zu 2.: In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind kraft Gesetzes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind (vgl. § 1 Abs. 2 SGB XI): a) Der Ehegatte, der Lebenspartner und die minderjährigen Kinder von Pflegebedürftigen sind in der Regel bei dessen Pflegekasse familienversichert (vgl. § 25 SGB XI Abs. 1). b) Empfänger von Arbeitslosengeld II sind pflegeversichert. Ihnen ist eine Arbeit nicht zuzumuten, wenn die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). c) Während einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz oder einer Pflegezeit nach § 3 Pflegezeitgesetz zahlt die Pflegekasse auf Antrag Zuschüsse zur Pflegeversicherung (vgl. § 44a Abs. 1 SGB XI). 3. Wie sind pflegende Familienangehörige rentenversichert, wenn sie den zu Pflegenden 24 Stunden lang betreuen und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können? Zu 3.: Ab Pflegegrad 2 entrichten die Pflegekassen für die Pflegeperson Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, wenn diese nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist und die pflegebedürftige Person wenigstens zehn Stunden wöchentlich pflegt, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche (vgl. § 44 Abs. 1 SGB XI). Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung sind zusätzlich durch den Träger der Sozialhilfe zu erstatten, soweit die Alterssicherung nicht anderweitig sichergestellt ist (vgl. § 64f Abs. 1 SGB XII). Dies gilt insbesondere bei pflegebedürftigen Personen, die nicht pflegeversichert sind, die Wartezeit für Leistungen der Pflegeversicherung nicht erfüllen oder deren Bedarf allein mithilfe der vorrangigen Pflegeversicherungsleistung nicht gedeckt werden kann. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des § 44 Abs. 1 SGB XI. Die Beiträge werden grundsätzlich an die pflegebedürftige Person ausgezahlt, die diese dann weitergibt. 4. Welche finanziellen Leistungen erhalten diese pflegenden Familienangehörigen? Zu 4.: Pflegebedürftige Menschen erhalten Pflegegeld, wenn sie ihre Pflege selbst sicherstellen. Dieses können sie an pflegende Familienangehörige weitergeben (vgl. § 37 SGB XI): 316 Euro bei Pflegegrad 2 545 Euro bei Pflegegrad 3 728 Euro bei Pflegegrad 4 901 Euro bei Pflegegrad 5 - 3 -3 Während einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 des Pflegezeitgesetzes besteht ein Anspruch auf einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt (Pflegeunterstützungsgeld ) für bis zu insgesamt zehn Arbeitstage (vgl. (§ 44a Abs. 3 SGB XI). Für die Dauer der Pflegezeit nach § 3 des Pflegezeitgesetzes gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Beschäftigten auf Antrag ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen (§3 Familienpflegezeitgesetz). Unter den jeweils geltenden gesetzlichen Bedingungen können darüber hinaus Ansprüche auf weitere finanzielle Leistungen bestehen (z. B. Arbeitslosengeld II). 5. Trifft es zu, dass diese pflegenden Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben, da sie sich dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellen? Zu 5.: Während der Pflege eines nahen Angehörigen ist der Bezug von Arbeitslosengeld möglich . Man muss allerdings jederzeit eine Arbeit aufnehmen oder an einer Maßnahme teilnehmen können. Neben o. g. Leistungsansprüchen existieren weitere Ansprüche, z. B. sind Pflegepersonen ab Pflegegrad 2 in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen und die Pflegekassen entrichten Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 44 Abs. 2a und Abs. 2b SGB XI). 6. Welche Leistungen des Landes Berlin erhalten diese pflegenden Familienangehörigen (BVG Tickets, …) Zu 6.: Es gibt keine finanziellen Leistungen des Landes speziell für diese Zielgruppe. Unter den jeweils gültigen Bedingungen haben sie Anspruch auf dieselben Sozialleistungen wie alle anderen Berlinerinnen und Berliner (z.B. BVG-Sozialticket bei Bezug von Arbeitslosengeld II). Das Land Berlin finanziert zudem eine breite Infrastruktur zur Unterstützung pflegender Angehöriger: Die Pflegestützpunkte sind eine erste Anlaufstelle bei allen Fragen rund um das Thema Pflege. Sie werden vom Land Berlin und den Pflegekassen gemeinsam finanziert . Zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf berät die senatsgeförderte Beratungsstelle Kobra. Die Fachstelle für pflegende Angehörige dient als Vernetzungs-, Koordinierungs - und Anlaufstelle der Weiterentwicklung des Systems an Unterstützungs- und Anerkennungsstrukturen. Alle zwei Jahre findet die „Woche der pflegenden Angehörigen“ statt, die ein wichtiger Bestandteile der Berliner Anerkennungskultur ist. Im Oktober 2018 hat der Senat die „Berliner Strategie zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen“ verabschiedet , die einen guten Überblick über die in Berlin bestehenden Unterstützungsangebote gibt. Berlin, den 24. September 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung