Drucksache 18 / 20 911 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Seidel (LINKE) vom 06. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. September 2019) zum Thema: Gute Arbeit in Berlin: Tarifabschluss auf Freie Träger übertragen und Antwort vom 25. Sep. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Frau Abgeordnete Katrin Seidel (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20911 vom 06. September 2019 über Gute Arbeit in Berlin: Tarifabschluss auf Freie Träger übertragen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welcher Art und Weise sowie in welcher Höhe (absolut und prozentual) hat der Senat zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, um die mit dem Tarifabschluss der Länder erreichten Verbesserungen rückwirkend und vollständig zum 1.1.2019 sowohl für die Mitarbeiter*innen im öffentlichen Dienst als auch für die Beschäftigten der freien Träger im Land und in den Bezirken umzusetzen? 2. Inwieweit hält der Senat diese zusätzlichen Mittel für die Weitergabe des erzielten Tarifabschlusses an freie Träger auf Landes- und Bezirksebene für das Jahr 2019 für auskömmlich, auch weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht alle Fragen der Umsetzung zwischen den Tarifpartnern geklärt sind? 3. In welcher Art und Weise und in welcher Höhe hat der Senat im Hinblick auf die Haushaltsplanaufstellung für 2020 und für 2021 finanzielle Vorsorge getroffen für die Umsetzung des Tarifabschlusses auf Landes- und auf Bezirksebene bezüglich der linearen Erhöhung sowie im Hinblick auf die neue Entgeltordnung? (Bitte die Jahre 2020 und 2021 getrennt betrachten und die Vorsorge nach linear und strukturell getrennt auf die einzelnen Bezirke und für die Hauptverwaltung ausweisen.) 4. Welche Verabredungen wurden für das Jahr 2019, für 2020 und 2021 seitens des Senats mit den Bezirken für die Finanzierung der vollständigen Übertragung des Tarifabschlusses (linear und strukturell) an die Beschäftigten der freien Träger getroffen? Was ist wann vorgesehen? Zu 1. bis 4.: Die aus dem TdL-Tarifabschluss vom 2. März 2019 resultierenden zusätzlichen Kosten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Höhe von rd. 120 Mio. € in 2019 werden durch die im Haushaltsplan 2018/2019 enthaltene Tarifvorsorge nahezu vollständig abgedeckt. Grundsätzlich gilt der neue Tarifabschluss zum TV-L nur für den öffentlichen Dienst der Länder und hat somit keine direkte Auswirkung auf die freien Träger. 2 Gleichwohl hat der Gesetzgeber mit dem Auflagenbeschluss Nummer 7 zum Doppelhaushalt 2018/2019 die Ziele formuliert, den nach Trägern differierenden Abstand zum Niveau des TV-L zu ermitteln, einen Maßnahme- und Zeitplan zu erstellen und den rechtlichen Spielraum für eine Tarifangleichung zu prüfen. Im Schlussbericht zu den Auflagenbeschlüssen 7a und 7b zum Doppelhaushalt 2018/2019 (Rote Nummer 1407 C) empfiehlt der Senat, in Richtung Zuwendungsempfangenden und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kommunizieren, dass keine Zuwendung deshalb verweigert wird, weil ein Arbeitgeber die Absicht hat, die Beschäftigten nah am Tarifniveau des Landes zu bezahlen, und zudem die benötigten Mittel für weitere Tarifanpassungen bereitzustellen. Damit sollen Zuwendungsempfangende in die Lage versetzt werden, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nah am Niveau des TV-L zu bezahlen. Für die Jahre 2020 und 2021 hat der Senat sowohl bei der Hauptverwaltung als auch bei den nachgeordneten Behörden – analog zum Vorgehen der Vorjahre1 – Tarifvorsorge in den Zuwendungstiteln i. H. v. 2,35 % des Personalkostenanteils von 80 % der Zuwendungshöhe getroffen. Darüber hinaus konnten im Rahmen des Haushaltsplanaufstellungsverfahrens 2020/2021 durch die Verwaltungen tarifliche Sondersachverhalte geltend gemacht werden , die einen Nachsteuerungsbedarf über die 2,35 % hinaus im Einzelfall erforderlich machen. Hierfür wurden im jeweiligen Kopfkapitel der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie sowie der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung eine pauschale zusätzliche Vorsorge in 2020 in Höhe von insgesamt rd. 2,8 Mio. € aufgenommen. Für die Bezirke sind die Personalbestandteile (ebenfalls 80 % der Zuwendung) bislang ebenfalls grundsätzlich jährlich über die Jahre um durchschnittlich 2,35 % fortgeschrieben worden. Bei der Plafondbildung 2020/2021 wurde der tatsächliche lineare Tarifabschluss berücksichtigt. Zudem sind mit dem Nachtragshaushaltsplan 2017 allen Verwaltungen einschließlich der Bezirke insgesamt 20 Mio. € für den Ausgleich von Rückständen bei einzelnen Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern gegenüber den jeweils maßgeblichen Tarifverträgen zur Schließung einer etwaigen Tariflücke zur Verfügung gestellt worden. Die Höhe der Tariflücke wurde durch eine Abfrage bei den Senatsverwaltungen sowie unter Berücksichtigung des bezirklichen Anteils an Zuwendungen ermittelt . In Anbetracht der großen Anzahl an Zuwendungsempfangenden der Senatsverwaltungen und der von ihnen angewandten tarifvertraglichen Konstruktionen kann der für eine Erhöhung der Zuschüsse für Tarifanpassungen aufzuwendende Betrag nur modellhaft hergeleitet werden. Demnach ergeben sich von 2017 bis 2021 aufwachsende Anpassungsbeträge von rund 16,7 bis 18,0 Mio. Euro (exkl. der pauschalen zusätzlichen Vorsorge ), die in die Planungen bis 2021 eingeflossen sind. 1 Für die Jahre 2017 bis 2021 beträgt die allgemeine lineare Tarifentwicklung des Berliner öffentlichen Dienstes unter Einschluss des TdL-Tarifabschlusses vom März 2019 jahresdurchschnittlich ca. 2,35 %. Auch die allgemeine Gesamtvolumenentwicklung gem. Einigungspapier vom 02.03.2019 liegt für 2020 und 2021 jahresdurchschnittlich auf ungefähr diesem Niveau. 3 Für die Bezirke sind für den Zeitraum von 2017 bis 2021 Anpassungsbeträge von rund 0,8 bis 1,8 Mio. Euro jährlich in den Bezirksplafond eingeflossen bzw. für 2020/2021 vorgesehen. Inwieweit sich das Land Berlin im Bereich der Entgeltverhandlungen für soziale Dienstleistungen in den Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege grundsätzlich am TV-L orientiert, hängt von den zwei Arten von Verhandlungen/Systematiken ab, in die die Verhandlungen unterteilt werden können : In den Entgeltbereichen „Kita“ und „Schule (EFöB [ehemals Hort])“ werden, nicht zuletzt auch aufgrund des dort eingesetzten Landespersonals, einschlägige Tarifanpassungen aufgrund von Vereinbarungen in den jeweiligen Rahmenverträgen ab dem Zeitpunkt ihres tariflichen Inkrafttretens zeitgleich (und entsprechend auch unterjährig) weitergegeben. Für die Entgeltbereiche „Schule (außer EFöB [ehemals Hort])“, „Eingliederungshilfe /Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (HzÜ)“, „Hilfen zur Erziehung“ sowie „Hilfen zur Pflege“ werden die Sach- und Personalkostenfortschreibungen (einschließlich etwaig zu bewertender Fortschreibungskomponenten aus dem Tarifabschluss) prospektiv, das heißt für einen zukünftigen festen Zeitraum, verhandelt. Ergebnissen aus den teilweise noch laufenden Verhandlungen für die letztgenannten Bereiche soll an dieser Stelle jedoch nicht vorweggegriffen werden. 5. In welcher Art und Weise, wann und konkret in welcher Höhe (prozentual und absolut) wird der Tarifabschluss in den Jahren 2019, 2020 und 2021 auf die Kita-Träger umgesetzt, einerseits hinsichtlich der linearen Erhöhung als auch bezogen auf die neue Entgelttabelle ab 2020? Zu 5.: Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (RV Tag) erfolgt im Bereich der Kindertagesbetreuung eine dynamische Anpassung der Personalkosten für das Fachpersonal in Kindertagesstätten (inkl. Leitungsanteil und kindbezogene Zuschläge) in ihren jeweils zutreffenden Teilen an die für den jeweiligen Zeitraum vereinbarten Tarifergebnisse des Landes Berlin. In der Regel unterliegen die Träger nicht dem TV-L Berlin, sondern verfügen über eigene Tarifwerke bzw. vergüten ihre Beschäftigten nach Haustarifverträgen. Zum 01.09.2019 fand die (vorläufige) Berechnung der Auswirkungen des neuen TV-L für die 2019’er Kostenblätter (RV Tag) sowie die Umsetzung in der Integrierten Software Berliner Jugendhilfe (ISBJ) statt. Eine abschließende Berechnung und Umsetzung sowohl für 2019 als auch für 2020 (mit der dann notwendigen Berücksichtigung der neuen Entgeltordnung und der S-Tabellen) erfolgt nach dem nunmehrigen Vorliegen des finalen Tarifwerkes im Laufe des Herbstes. Die Steigerungen können dann den jeweiligen Kostenblättern entnommen werden. Die Höhe des finanziellen Gesamtbedarfs kann aktuell noch nicht abschließend beziffert werden. Mit dem aktuellen Tarifabschluss und den damit verbundenen Erhöhungen und strukturellen Änderungen verbindet der Senat die Erwartung, dass die Träger die in der Entwicklung des TV-L begründeten Niveauverbesserungen der Personalkostenbasiswerte und ihre damit einhergehenden einnahmeseitigen Verbesserungen durch die angepassten Kostenblätter in ihrem Verantwortungsbereich vollständig an ihre Beschäftigten weitergeben und so eine angemessene und ortsübliche Vergütung ihres Fachpersonals sicherstellen (siehe auch § 4 Abs. 4 S. 5 RV Tag). 4 6. In welcher Art und Weise, wann und in welcher Höhe (prozentual und absolut) wird der Tarifabschluss in den Jahren 2019, 2020 und 2021 (linear und strukturell ab 2020) auf die freien Träger im Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE) übertragen? Zu 6.: Im Bereich der Hilfen zur Erziehung werden die Personalkostensteigerungen im Kontext des Berliner Rahmenvertrags für Hilfen in Einrichtungen und durch Dienste der Kinder- und Jugendhilfe (BRV Jug) verhandelt. Die Fortschreibung des Bezirksplafonds 2019 für den Transferteil Hilfen zur Erziehung erfolgte auf der Grundlage des Abgeordnetenhausbeschlusses vom 11.06.2009 (Drs. 16/2474). Hiernach wurde die Höhe der Gesamtzuweisung an die Ist-Ausgaben des vorletzten Jahres angepasst. Darüber hinaus wurden für die Budgetberechnung 2019 die bereits vereinbarten Entgeltsteigerungen aus den Beschlüssen Nr. 1/2017 vom 11.01.2017 (anteilige Nachwirkung aus 2017 mit 0,421 %) sowie Nr. 2/2018 vom 01.02.2018 der Vertragskommission Jugend berücksichtigt. Entsprechend dem Beschluss Nr. 2/2018 betrug die pauschale Fortschreibungsrate für den ambulanten, teilstationären und stationären Bereich 3,9 % ab dem 01.01.2018 sowie 3,145 % ab dem 01.01.2019. Die Auswirkung für diese Entgeltsteigerungen beziffert sich auf 40,5 Mio. €. Für 2019 wurde somit bereits eine vertraglich fixierte Entgeltsteigerung gesetzt. Für die Jahre 2020 und 2021 sind die Verhandlungen über die Erhöhungen (pauschale Entgeltfortschreibungen) noch nicht abgeschlossen. Mit Ergebnissen ist in den nächsten Monaten zu rechnen. In der Regel unterliegen die Träger nicht dem TV-L Berlin, sondern verfügen über eigene Tarifwerke bzw. vergüten ihre Beschäftigten nach Haustarifverträgen. Die Höhe des finanziellen Gesamtbedarfs kann daher aktuell noch nicht beziffert werden. Bisher wurden bei der Budgetberechnung 2020/2021 die Festlegungen und Annahmen des Tarifabschlusses entsprechend der Plafondbildung berücksichtigt. Für den HzE- Bereich wurde der Personalanteil (85 %) an den Entgelten für die ambulante, stationäre und teilstationäre HzE und Eingliederungshilfe innerhalb Berlins sowie für die HzE- Inobhutnahmen – vorsorglich, ohne Vorgriff auf Verhandlungsergebnisse und ohne damit einen Anspruch auf vollständige TV-L-Berücksichtigung zu begründen – um die lineare Tarifsteigerung von 3,12 % (bzw. 12 Mio. € für 2020) bzw. 1,29 % (5 Mio. € für 2021) erhöht. 7. Inwiefern wird der Senat bei der Nachschau der Bezirkshaushaltspläne darauf achten, dass die für die Tarifumsetzung eingestellten Mittel auch an die freien Träger weitergereicht werden? Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat diesbezüglich? 8. Wie gedenkt der Senat gemeinsam mit den freien Trägern dafür Sorge zu tragen, dass die für die Umsetzung des Tarifabschlusses ausgereichten Mittel auf Landes- und bezirklicher Ebene auch bei den Beschäftigten der freien Träger ankommen? Welche Verabredungen gibt es diesbezüglich? Zu 7. und 8.: In den Globalsummen der Bezirke wurden die durchschnittlichen Tariferhöhungen berücksichtigt, jedoch liegt die Verantwortung der innerbezirklichen Verteilung und Verausgabung der entsprechenden Erhöhungen – unter Berücksichtigung der haushaltsrechtlichen Bestimmungen – in den Bezirken selbst. Im Rahmen der Nachschau ist daher eine entsprechende Überprüfung hinsichtlich der Weiterreichung an die freien Träger nicht vorgesehen und wegen der Einzelfallbezogenheit auch nicht möglich . Für die entgeltfinanzierten Transferfelder sowie die Transferbereiche der Zuweisungsempfangenden erfolgt im regulären Verfahren die Prüfung der realistischen Veranschlagung der Haushaltsansätze. 5 Auf Landesebene wird eine Verwendung von Tarifsteigerungsmittel zur Deckung steigender Mehrbedarfe in Basisfinanzierungen aufgrund der bestehenden Zweckbindung der Mittel streng beurteilt. Der Tenor der vom Senat beschlossenen Regelung schließt aus, dass nicht abfließende Tarifsteigerungsmittel für zusätzliche oder neue Zuwendungen bzw. Leistungsausweitungen verwendet werden. Mit dem Zuwendungsbescheid werden die Zuwendungsempfangenden über die rechtlichen Vorgaben und Zweckbindungen der Zuwendung informiert. Die ordnungsgemäße Mittelverwendung wird im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung von den zuständigen Stellen überprüft. Bezüglich der Fragen nach der Sicherstellung der Weitergabe der Tarifmittel an die freien Träger und dem weiteren Handlungsbedarf wird auf die Rote Nummer 1407 C verwiesen. 9. Was wird es kosten, die mit dem Tarifabschluss erzielten Verbesserungen (linear und strukturell) für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowie bei den freien Trägern auf Landes- und Bezirksebene umzusetzen? Zu 9.: Es wird auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 4 verwiesen. Berlin, den 25. September 2019 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales