Drucksache 18 / 20 979 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 10. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2019) zum Thema: Wahlrechtsausschluss durch die Hintertür? und Antwort vom 24. Sep. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20979 vom 10. September 2019 über Wahlrechtsausschluss durch die Hintertür? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Bürgerinnen und Bürger sind in Berlin vom Wegfall der Wahlrechtsausschlüsse betroffen ? Zu 1.: Rund 650 Personen (vgl. Pressemitteilung der Landeswahlleiterin vom 16. April 2019) 2. Wie viele Menschen dieser Gruppe haben bereits zur Europawahl am 26. Mai 2019 von ihrem Recht Gebrauch gemacht? Zu 2.: Nach Auskunft der Landeswahlleiterin haben 14 Personen, die vom Wegfall der Wahlrechtsausschlüsse betroffen waren, von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. 3. Wie beurteilt der Senat in diesem Zusammenhang die Assistenzregelung im Gesetzesentwurf der Bundesregierung Drucksache 19/9228 vom 11. April 2019? Zu 3.: Die Gesetzesänderung ist am 1. Juli 2019 unverändert in Kraft getreten (BGBl S. 834). Der Senat hat dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt, zugleich aber eine Entschließung des Bundesrates unterstützt (BT-Drs. 215/19), die den neuen § 107a Absatz 1 Satz 2 StGB kritisch beurteilt und mit der die Bundesregierung um Überprüfung gebeten wird. Die Prüfbitte bezieht sich auf den widersprüchlichen Wortlaut der Regelung (Stimmabgabe „ohne“ oder „entgegen einer geäußerten Wahlentscheidung des Wahlberechtigten“, die im Rahmen einer „zulässigen Assistenz“ erfolgt); unklar ist, wie in solchen Fällen die Assistenz „zulässig“ sein kann. Zudem wird mit der „Assis- Seite 2 von 3 tenz“ ein neuer Begriff eingeführt, während in den Wahlgesetzen weiterhin von „Hilfeleistung “ gesprochen wird. Im Übrigen hält der Senat die Regelung im Grundsatz für sinnvoll. Sie verdeutlicht, dass nur die technische Hilfestellung zulässig ist. Nach Mitteilung der Landeswahlleiterin haben in ihrer Geschäftsstelle in der Vergangenheit häufig Bürgerinnen und Bürger angefragt, die nicht wussten, wie weit ihre Assistenz gegebenenfalls gehen darf, etwa bei Angehörigen, die nicht in der Lage sind, eine Wahlentscheidung zu äußern (z.B. Komapatienten). Die Neuregelung macht dies transparenter, auch wenn am Umfang der zulässigen Hilfeleistung nichts geändert wird. 4. Teilt der Senat die Einschätzung, dass der Entwurf suggeriert, dass es eines Sonderrechtes bei Menschen mit psychischen oder kognitiven Einschränkungen bedarf? Zu 4.: Nein. 5. Teilt der Senat ggf. die Meinung, dass es eines derartigen Sonderrechts für Menschen mit psychischen oder kognitiven Einschränkungen bedarf? Zu 5.: Nein. 6. Welche zusätzlichen juristischen Risiken sieht der Senat nach Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse in den Regelungen des § 107 a Punkt 1 Satz 2 StGB, der für die Assistenz bei der Wahlhandlung strafrechtliche Folgen bei Beeinflussung androht? Zu 6.: Keine. 7. Verwendet aus Sicht des Senats diese Regelung zur Assistenz für bei der Wahlhandlung gerade von Menschen mit psychischen oder kognitiven Einschränkungen unklare und ggf. nicht praktikable Rechtsbegriffe? Zu 7.: Siehe Antwort zu Frage 3. 8. Inwieweit gab es bereits in der Vergangenheit Probleme, wenn Wählerinnen und Wähler bei der Ausübung ihres Bürgerrechts Assistenz benötigten? Zu 8.: Von den Bezirkswahlämtern wurden im Vorfeld der Europawahl in allen Bezirken Schulungen zur Hilfestellung bei der Wahlhandlung durchgeführt und die Thematik wurde in die Handreichungen für die Wahlvorstände aufgenommen. Probleme im Zusammenhang mit der Hilfeleistung bei der Ausübung des Wahlrechts sind weder bei den Bezirkswahlämtern noch bei den Wahlleitungen oder dem Senat bekannt geworden, diesbezügliche Beschwerden gab es nicht. 9. Wie viele derartige Fälle sind dem Senat aus der Vergangenheit bekannt? Zu 9.: Keine 10. Wie viele Anklagen bzw. Verurteilungen gab es in Berlin in den letzten zehn Jahren auf Grund der Rechtsnorm des § 107a? Seite 3 von 3 Zu 10.: Seit 2009 sind in zwei Fällen Anträge auf Erlass eines Strafbefehls gegen eine bzw. gegen zwei Personen aufgrund von § 107a StGB gestellt worden. In einem Fall ist seit 2009 eine Anklage gegen fünf Personen erhoben worden. Von den angeklagten Personen wurde eine freigesprochen, sieben wurden verurteilt. Berlin, den 24. September 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport