Drucksache 18 / 20 982 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Franziska Becker (SPD) vom 08. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2019) zum Thema: Grünphasen von Lichtsignalanlagen und Fußgängerstrategie und Antwort vom 26. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Frau Abgeordnete Franziska Becker (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20982 vom 8. September 2019 über Grünphasen von Lichtsignalanlagen und Fußgängerstrategie Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie beurteilt der Senat die sich in Berlin und auch in anderen Kommunen häufenden Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, dass die Grünphasen der Lichtsignalanlagen („Ampeln“) an Straßen mit großem Querschnitt für Seniorinnen und Senioren, Kinder und mobilitätseingeschränkte Personen zu kurz sind, um die Fahrbahn „in einem Zug“ zu überqueren? Antwort zu 1: Die Sorgen und Beschwernisse der Bürgerinnen und Bürger bei der Querung an lichtzeichengeregelten Kreuzungen und Einmündungen sind dem Berliner Senat bekannt. Diese waren u.a. auch Anlass für den Gesetzesentwurf zum 4. Abschnitt „Fußverkehr“ des Berliner Mobilitätsgesetzes (MobG). Mittels dieses, sich derzeit noch in der Abstimmung befindlichen Gesetzesentwurfes, werden verschiedene Regelungen vorgesehen, welche nicht nur den Schutz der zu Fuß Gehenden, sondern auch die Attraktivität für die Teilnahme am Straßenverkehr für zu Fuß Gehende erhöhen werden. Frage 2: Werden die Spielräume, die die „Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA)“ hinsichtlich der Gehgeschwindigkeiten für die Grünphasen und Räumungszeiten vorsehen (1,0 bis 1,5 m/sec), zugunsten der Fußgängerinnen und Fußgänger (also 1,0 m/sec) in Berlin konsequent genutzt oder entscheidet die Verkehrslenkung Berlin in Abwägung auch einmal zugunsten der Leistungsfähigkeit des KFZ-Verkehrs? Werden Abwägungen und Entscheidungen der Verkehrslenkung Berlin nach den Prioritäten der Verkehrspolitik kontrolliert oder ist dies eher eine „black box“ für die politische Leitung? Antwort zu 2: Seit 2016 wird in Berlin an allen Lichtzeichenanlagen (LZA), deren Signalzeitenprogramme zu erarbeiten bzw. zu überarbeiten sind, bei der Bemessung der Grünphasen grundsätzlich von einer Gehgeschwindigkeit von 1,0 m/s ausgegangen. Für die sich anschließende 2 Räumzeit wird in Berlin eine Räumgeschwindigkeit von 1,2 m/s angesetzt. Ausgenommen sind hiervon LZA in der Nähe von verkehrssensiblen Einrichtungen (Krankenhäuser, Seniorenheime , Schulen und Kitas) bei denen in Berlin eine Räumgeschwindigkeit von 1,0 m/s angewendet wird. Die Richtlinien für Lichtsignalanlagen (RiLSA) differenzieren nicht zwischen Geh- und Räumgeschwindigkeit. Als Regelwert der Räumgeschwindigkeit sehen die RiLSA 1,2 m/s vor, wobei auch Variationen von 1,0 bis 1,5 m/s zulässig sind. Darüber hinaus kann es an lichtzeichengeregelten Kreuzungen aufgrund der Knotengeometrie oder notwendiger Einzelsignalisierungen von Verkehrsbeziehungen auch dazu kommen, dass sich der Komfort der Gesamtquerung innerhalb eines Umlaufs nicht realisieren lässt. Dies ist aber im Sinne der Verkehrssicherheit und nicht als Bevorzugung des Kfz-Verkehrs zu bewerten. Die Verkehrslenkung (VLB) ist mit den Gesetzesgrundlagen und verkehrspolitischen Zielen vertraut und führt die notwendigen Abwägungen auch bei signaltechnischen Sicherungen eigenständig im Interesse einer verkehrssicheren Lösung durch. Gleichwohl findet ein regelmäßiger Austausch der Hautleitung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit der Leitung der VLB statt, bei dem sowohl die Umsetzung grundsätzlicher verkehrspolitischer Ziele als auch Einzelfälle bei Bedarf zielgerichtet abgestimmt werden. Frage 3: Ist die RiLSA rechtsverbindlich oder nur eine Empfehlung Bundes an die Kommunen, d.h. kann der Senat bzw. die Kommune auch zugunsten der Fußgängerinnen und Fußgänger eine niedrigere demographiegerechte Gehgeschwindigkeit z.B. 0,8 m/sec in der Ampelsteuerung ansetzen? Antwort zu 3: Die RiLSA sind ein in Deutschland gültiges technisches Regelwerk und enthalten Vorgaben und Empfehlungen für die Planung und den Betrieb von Ampelanlagen. Sie werden herausgegeben von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Für eine rechtsverbindliche Anwendung bedarf die RiLSA ergänzend eines Einführungserlasses sowohl seitens des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur als auch von den jeweiligen für die Straßenverkehrs-Ordnung zuständigen Obersten Landesbehörden . In diesen Einführungserlässen können auch Abweichungen von der RiLSA vorgegeben werden. Frage 4: Ist die im Referentenentwurf zum Abschnitt Fußverkehr im Mobilitätsgesetz (§ 55) vorgesehene Überquerungsmöglichkeit einer mehrspurigen Straße während einer Grünphase in einem Zug mit der RiLSA vereinbar ? Antwort zu 4: Grundsätzlich ist das Ziel mit den Vorgaben der RiLSA vereinbar. Es kann jedoch sein, dass hierfür die Umlaufzeiten der Programme angepasst werden müssen und sich zum Erhalt der Koordinierung entlang des zu überquerenden Straßenzuges dann alle LZA geändert werden müssen. Des Weiteren hängt es von der Größe der Kreuzungen ab, ob diese Modifizierung der Signalzeiten nicht die Rotzeiten und damit die Wartezeiten der dann wartenden Verkehrs- 3 teilnehmenden - auch der zu Fuß Gehenden - in ein als nicht mehr zumutbar wahrgenommenes Maß steigert. Frage 5: Wann wird der Referentenentwurf vom 28.03.2019 in das Mobilitätsgesetz aufgenommen? Antwort zu 5: Das erste Gesetz zur Änderung des Berliner MobG, inklusive des Abschnitts zur Förderung des Fußverkehrs, wird voraussichtlich Anfang 2020 in Kraft treten. Der Referentenentwurf , der im März 2019 im Berliner Mobilitätsbeirat vorgestellt und im Internet veröffentlicht wurde, wurde inzwischen im Zuge der Verbändebeteiligung und des Mitzeichnungsverfahrens der Senatsverwaltungen überarbeitet. Am 17. September 2019 wurde die Gesetzesvorlage im Berliner Senat zur Kenntnis genommen. Im nächsten Schritt folgen die Befassung im Rat der Bürgermeister und die zweite Senatsbefassung. Anschließend wird die Gesetzesvorlage ins Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht und dort voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres beschlossen werden. Frage 6: Welche Bund-Länder-Initiativen des Landes Berlin gab es, um die RiLSA aus dem Jahr 2010 an die wachsende Bedeutung des Fußgängerverkehrs anzupassen? In welchen Gremien arbeitet das Land Berlin mit, die mit der Änderung der StVO und der Weiterentwicklung der Richtlinien für die Steuerung von Lichtsignalanlagen befasst sind? Antwort zu 6: Die Überarbeitung der RiLSA (aktuelle Fassung 2015) durch die FGSV erfolgte in verschiedenen Arbeitsgremien, in denen auch Fachleute des Landes Berlin vertreten waren. Aktuelle Bestrebungen der FGSV, die RiLSA nun erneut zu überarbeiten, sind nicht bekannt . Das Land Berlin nimmt sowohl an den Sitzungen des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenverkehrs-Ordnung/Ordnungswidrigkeiten (StVO/OWI) als auch an den Bund- Länder-Dienstbesprechungen über verkehrstechnische Angelegenheiten teil, welche sich unter anderem mit Rechtsfragen zur StVO sowie den von der FGSV herausgegebenen Richtlinien und Empfehlungen befassen. Frage 7: Welche Geschwindigkeiten für Fußgängerinnen und Fußgänger werden an der Ampel nahe der Comenius- Grundschule in Wilmersdorf und am Theodor Heuß Platz/ Ecke Ahornallee angesetzt, die jüngst Gegenstand einer Vielzahl von Bürgerbeschwerden waren, und auch im „Tagesspiegel“ adressiert wurden? Ist der Senat grundsätzlich bereit, hier die Grünphasen zu verlängern? Antwort zu 7: Im Umfeld der Comenius-Grundschule befinden sich die LZA Brandenburgische Straße / Wegenerstraße – Mannheimer Straße und Theodor-Heuss-Platz (Nordost) – Kaiserdamm. An beiden LZA wurden für die Berechnung der Grünphasen und Räumzeiten für zu Fuß 4 Gehende Gehgeschwindigkeiten noch von 1,2 m/s zugrunde gelegt, da diese bereits vor 2016 modernisiert bzw. errichtet worden sind. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu Frage 2 und auf § 55 des Referentenentwurfes zum Abschnitt Fußverkehr des MobG sieht der Berliner Senat langfristig an allen Berliner LZA Grünzeitverlängerungen vor. Die stadtweite Anpassung des LZA-Bestandes kann jedoch nur sukzessive erfolgen. Frage 8: Stimmt der Senat mit mir überein, dass das Fehlen einer Fußgängerampel an der Kreuzung Messedamm/ Masurenallee/ Neue Kantstraße den Zielen der Fußgängerstrategie widerspricht und es zu riskanten Überquerungen von Bürgerinnen und Bürgern kommt, die u.a. den ZOB erreichen wollen und die Nutzung der Passerelle ablehnen. Wann wird es zu einem Umbau des Kreuzungsbereichs und dem Einbau einer Fußgängerampel kommen? Ist diese Maßnahme im Doppelhaushalt 2020/2021 berücksichtigt? Antwort zu 8: Möglichkeiten zum Umbau der lichtzeichengeregelten Kreuzung Messedamm/Neue Kantstraße – Masurenallee, welche auch den Interessen der zu Fuß Gehenden entsprechen, werden derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geprüft. Im Vorfeld wurde für eine sichere Querung zum Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) im nördlichen Bereich des Messedamms eine LZA für zu Fuß Gehende eingerichtet. Berlin, den 26.09.2019 In Vertretung Ingmar Streese Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz