Drucksache 18 / 20 990 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) vom 15. August 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. September 2019) zum Thema: Der aktuelle Wasserstand der Wuhle und Antwort vom 19. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Sep. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/20990 vom 15.08.2019 über Der aktuelle Wasserstand der Wuhle Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie hoch ist der Wasserstand der Wuhle seit den 1990er Jahren (Aufschlüsselung nach Jahreszeit, Jahr und diversen Streckenabschnitten)? Antwort zu 1: Die Landeshydrologie betreibt aktuell an folgenden Orten einen Pegel: Am Bahndamm, Hoppendorfer Straße, Honsfelder Brücke, S+U Wuhletal und Eisenacher Straße. Nur für den Pegel Hoppendorfer Straße liegen Daten aus den 1990er Jahren vor. Folgende Abbildung zeigt die Jahres- und Monatsmittelwerte der Wasserstände. Die Abnahme der Durchflüsse und somit auch der Wasserstände durch Einstellung der Klarwassereinleitung aus dem Klärwerk Falkenberg ist deutlich im Jahr 2003 zu erkennen. Der Mittelwasserstand (MW) betrug im Zeitraum 01.11.1993 bis 31.10.2002 32,50 mNHN und im Zeitraum 01.11.2003 bis 31.10.2018 32,42 mNHN. Die Differenz zu beiden Zeiträumen beträgt somit 8 cm am Pegel Hoppendorfer Straße. 2 Abbildung: Jahres- und Monatsmittelwerte der Wasserstände am Pegel Hoppendorfer Straße Neben den Wasserständen werden zudem an ausgewählten Stellen die Durchflüsse erfasst. Folgende Abbildung zeigt die Monats- und Jahresmittelwerte für die Pegel am Bahndamm und S+U Wuhletal. Die Daten sind jedoch erst ab 2003 verfügbar. Abbildung: Jahres- und Monatsmittelwerte der Durchflüsse an Pegeln Pegel am Bahndamm und S+U Wuhletal. 3 Frage 2: Wie hat sich der Wasserpegel der Wuhle seit Beginn der 2000er Jahre auf die dortige Artenvielfalt ausgewirkt? Antwort zu 2: Aus dem Klärwerk Falkenberg wurden bis 2003 im Mittel 1,4 m³/s Klarwasser in die Neue Wuhle geleitet. Durch Stilllegung des Klärwerks verringerte sich der Wasserstand in der Neuen Wuhle deutlich und sie fiel abschnittsweise trocken. Durch die unter 3 beschriebenen Maßnahmen konnte der Zustand stabilisiert werden. Bei geringen Wasserständen im Oberlauf der Wuhle dominieren in der eutrophen Wuhle im Sommer oft fädige Grünalgen im Wasser. Wasserpflanzen und eine naturnahe wirbellose Fauna kommen nur bei guter Durchströmung und entsprechender Habitatausstattung vor (Kies, Holz…). Die Ufervegetation ist relativ artenreich. Im Mittellauf am Kienberg gedeihen unabhängig von Wasserstand ausgedehnte Schilfbestände. Phasenweise traten hier Schwefelbakterien aus, die das Wasser rosa färbten. Im Unterlauf der Wuhle limitiert nicht der Wasserstand, sondern die Trübung die aquatische Flora und Fauna. Frage 3: Welche Renaturierungsmaßnahmen wurden an der Wuhle bereits durchgeführt (Aufschlüsselung nach Jahr, Kosten und Art der Maßnahme)? Antwort zu 3: Nach Stilllegung des Klärwerks Falkenberg 2003 wurden durch die Senatsverwaltung in Abstimmung/Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Naturschutz von 2006 bis 2008 zahlreiche Maßnahmen an Wuhle und Neuer Wuhle durchgeführt, die vor allem die Anpassung an den damit verbundenen, deutlich geringeren Abfluss zum Ziel hatten: Rückbau/Ersatz der Querbauwerke Köthener Straße, Ahrensfelder Berg, südl. Landsberger Allee, Feldberger Ring, Bahnhof Wuhletal, Wehr an der B1/B5 Neubau von Fußgängerbrücken am Kienberg Renaturierung der Alten Wuhle zwischen Landsberger Allee und Wuhleteich, Niedrigwasserspeisung vor der Neuen Wuhle in die Alte Wuhle Entnahme kontaminierter Sedimente Teilweise Anhebung und Profilierung der Gewässersohle Rückbau von technischen Einbauten Sicherung von Feuchtgebieten Ufergestaltung und Initialpflanzung der durchflossenen, seenartigen Erweiterungen der Wuhle Für die ökologische Aufwertung der Wuhle und der Neuen Wuhle wurden in den Jahren 2004 bis 2010 Ausgaben in Höhe von 8.951.304,96 € geleistet. Hiervon aus Landesmitteln (Kapitel 1255, Titel 72345) 4.231.202,94 € Mitteln des Umweltentlastungsprogramms (UEP-Fördermitteln) (Kapitel 1130, Titel 88304): 4.720.106,02 € Im Rahmen der IGA 2017 wurde im Bereich des Wuhleteichs eine Flachwasserzone mit Röhrichtpflanzung angelegt. 4 Auf der Grundlage des Gewässerentwicklungskonzepts (2013) wurde die Gewässerunterhaltung an der Wuhle angepasst. So wurde z.B. Totholz als Strukturelement eingebracht. Mahd und Krautung der Sohle erfolgen als Stromrinnenmahd. Die Mahd der Böschungen wird wechselseitig durchgeführt, wobei die Belange des Naturschutzes (Großer Feuerfalter, Lila-Gold Feuerfalter) berücksichtigt werden. Frage 4: Sind weitere Renaturierungsmaßnahmen an der Wuhle geplant (Aufschlüsselung nach Jahr, Kosten und Art der Maßnahme)? Antwort zu 4: Ja, die Qualitätsziele nach europäischer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Wasserhaushaltsgesetz sind für Wuhle und Neue Wuhle nicht erreicht. Es sind weitere Maßnahmen erforderlich. Defizite und erforderliche Maßnahmen wurden in einem Gewässerentwicklungskonzept (2013) ermittelt. Hierauf aufbauend wird derzeit die Vorplanungsunterlage erstellt. Folgende Maßnahmen sind vorgesehen: Bauliche Einengung/Einbau wechselseitiger Bermen zur Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und Strömungsdiversität Einbringen von Totholz als besiedelbare Uferstruktur Wiederherstellen/Verbessern der ökologischen Durchgängigkeit Sohlanhebung zur Verzahnung von Gewässer und Aue Neutrassierung zur Ermöglichung eigendynamischer Entwicklung Herstellung von Sekundärauen Einbau von Bermen zur Abflussretention Ufernahe Gehölzbepflanzung zur Beschattung und Verbesserung der Uferstrukturen Auf der Grundlage der Vorplanung wird der Ausbau in Umsetzungsabschnitte eingeteilt und das erforderliche Genehmigungsverfahren festgelegt. Aussagen zum möglichen Beginn der baulichen Umsetzung können erst dann getroffen werden. In der aktuellen Finanzplanung 2017 bis 2021 sind hierfür geschätzte Gesamtkosten in Höhe von 19.000.000 € in Kapitel 0740, Titel 72333 („Ausbau der Wuhle in Marzahn- Hellersdorf und Treptow-Köpenick“) vorgesehen. Darüber hinaus wurden für Vermessungs- und Planungsleistungen (Gewässerentwicklungskonzept, Vorplanung) bereits rd. 560 T€ ausgegeben. Frage 5: Welche Auswirkungen hatten die Renaturierungsmaßnahmen auf den Wassergehalt der Wuhle, sowie auf die dortige Flora und Fauna (Aufschlüsselung nach Art der Renaturierung und Jahr)? Antwort zu 5: Effekte von Renaturierungsmaßnahmen auf die Flora und Fauna treten u.a. aufgrund der Entwicklungsstadien zeitverzögert ein und sind zudem von zahlreichen anderen Faktoren (klimatische Situation, Wasserqualität etc.) beeinflusst, eine Aufschlüsselung/Zuordnung nach Art und Zeitpunkt der Renaturierung ist daher nicht möglich. 5 Durch den Rückbau der Querbauwerke und die Profilanpassungen konnten naturnähere Fließverhältnisse hergestellt und der Biotopverbund verbessert werden. Seitdem hat sich eine gewässertypische wirbellose Fauna entwickelt. Der Artenreichtum entspricht jedoch nicht den Zielen der WRRL (Aufnahmen 2006-2013). An vielen Abschnitten fehlt es an Habitat- und Strömungsdiversität. Außerdem ist die Aue nicht an das Gewässer angebunden. Durch noch immer zu hohe Trophie überwiegen im Wasser Fadenalgen oder es kommt zu Verkrautungen, die durch wenige Wasserpflanzenarten hervorgerufen werden. In der Neuen Wuhle konnten sich seltene Fischarten ansiedeln und reproduzieren. Um einen gewässertypischen Artenreichtum an Fischen zu sichern, muss die Durchgängigkeit zur Spree hergestellt werden. Frage 6: Bedarf es weiterer Maßnahmen, um ein Austrocknen der Wuhle zu verhindern? Frage 10: Wie kann erreicht werden, dass die Wuhle dauerhaft mit Wasser gefüllt ist und fließt? Antwort zu 6 und zu 10: Im Oberlauf der Wuhle kommt es in niederschlagsarmen Sommern zur Austrocknung. Eine aufwendige Stützung des Landschaftswasserhaushaltes wäre technisch möglich aber sehr kosten- und energieintensiv. Durch Abkopplung versiegelter Flächen von der Regenkanalisation und dezentrale Regenwasserbewirtschaftung kann der Wasserhaushalt verbessert und so der Basisabfluss der Wuhle gestützt werden. Ein temporäres Trockenfallen der Wuhle im Oberlauf lässt sich aber bei langanhaltenden Trockenperioden nicht gänzlich vermeiden. Frage 7: Welche Auswirkungen hatte die Schließung des Klärwerks in Falkenberg auf den allgemeinen Zustand und insbesondere auf den Wassergehalt der Wuhle? Antwort zu 7: Siehe Antwort zu 1 und 2. Frage 8: Welche Auswirkungen hatten die Bauarbeiten für die IGA 2017 auf den allgemeinen Zustand und insbesondere auf den Wassergehalt der Wuhle? Antwort zu 8: Die Herstellung der Flachwasserzone am nördlichen Wuhleteichufer kann mit einer temporär leicht erhöhten Versickerung einhergegangen sein. Dies kann zeitweise (bis zur Abdichtung durch feinere Sedimente) zu geringeren Wasserständen im Wuhleteich beigetragen haben. Weitere Auswirkungen auf Durchflüsse und Wasserstände sind nicht vorhanden. Die Bauarbeiten für die IGA 2017 führten zu keinen derzeit erkennbaren Auswirkungen. Die Flachwasserzone stellt einen naturschutzfachlich und gewässerökologisch wertvollen Lebensraum dar. 6 Frage 9: Ist der Senat mit dem derzeitigen Zustand der Wuhle zufrieden? Antwort zu 9: Nein. Die Wuhle teilt sich in zwei Wasserkörper auf, die getrennt gemäß WRRL bewertet werden. Während der Oberlauf der Wuhle als natürliches Gewässer insgesamt derzeit nur einen „unbefriedigenden“ ökologischen Zustand erreicht (Note 4), hat der stark veränderte Abschnitt im Unterlauf ein „mäßiges“ ökologisches Potenzial (Note 3). Es ist der gute ökologische Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial zu erreichen. Die Bewertung richtet sich nach der schlechtesten der drei untersuchten Biokomponenten. (wirbellose Fauna, Fische, Wasserpflanzen/Algenaufwuchs). Im Oberlauf ist das die benthische Flora (Wasserpflanzen und Diatomeen), im Unterlauf die wirbellose Fauna. Der chemische Status (organische Spurenstoffe, Metalle) ist im Oberlauf „gut“ und im Unterlauf „mäßig“. Der nährstoffreiche Oberlauf ist gekennzeichnet durch flächige Fadenalgenwatten im Sommer oder zeitweises Trockenfallen. Der nährstoffärmere Unterlauf profitiert durch den Zufluss durch eisenhaltiges Grundwasser, ist aber durch Begradigung und Uferverbau arm an naturnahen Lebensräumen und dünn besiedelt. Die Neue Wuhle wird als künstlicher Wasserkörper mit den aktuellen Bewertungsverfahren mit Note 3 (Tendenz 4) bewertet. Frage 11: Ist der Beantwortung von Seiten des Senats noch etwas hinzuzufügen? Antwort zu 11: Ergänzend zu den Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur in Wuhle und Neuer Wuhle sind Maßnahmen zur Reduzierung der stofflichen und hydraulischen Belastung aus Regenwassereinleitungen im Einzugsgebiet geplant. Berlin, den 19.09.2019 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz