Drucksache 18 / 21 036 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 11. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. September 2019) zum Thema: Sozialer Status und Landesantidiskriminierungsgesetz und Antwort vom 30. Sept. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Stefan Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21036 vom 11. September 2019 über Sozialer Status und Landesantidiskriminierungsgesetz ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Das "Landesantidiskriminierungsgesetz" sieht u.a. vor, den sozialen Status als eines der Merkmale festzuschreiben , anhand derer Diskriminierung festzumachen sei. 1. Zur Widerspruchsfreiheit des Gesetzesentwurfes: Der soziale Status beruht auf der relativen und absoluten Ausstattung mit ökonomischen Kapital (Geld), sozialem Kapital (Beziehungen), kulturellem Kapital (Manieren, Sprachfertigkeiten, Bildungsabschlüsse) und schließlich symbolischem Kapital, also gezollter Anerkennung. Diese vier Kapitalformen werden fortwährend ineinander konvertiert; Diskriminierungen, also Auswahlprozesse dienen dazu, den Wert jeweils einer Kapitalform gegenüber den anderen möglichst zu maximieren. [Grundlegend hierzu: Bourdieu, Pierre: La Distinction. Critique sociale du Jugement. Paris 1979.] a.) Wie kann die Gesellschaft Statuszuweisungen als ungültig revidieren, wenn sie die für deren Zustandekommen herangezogenen Kriterien vorher als legitimerweise gültig aufgestellt hat? b.) Das LADG strebt eine Förderung der „Ambiguitätstoleranz“ an. Sollen soziale Grenzziehungen durch "Diversity-Kompetenz" dekonstruiert, oder aber durch Gesetzeseingriffe definiert und damit rekonstruiert werden? 2. Zur Anwendbarkeit: a.) Wie etwa lässt sich der soziale Status einer Person, die arm ( - ök. Kapital) aber sexy (+ soz. Kapital) ist, mit dem jener verrechnen, die weder das eine (+ ök. Kapital) noch das andere ( - soz. Kapital) ist? b.) Verbandsklagen sind nicht möglich, wenn die Verbände nicht jene Gruppen definieren, deren Mitglieder sie zu repräsentieren vorgeben. Führen (Selbst)zuschreibungen in Bezug auf Herkunft, Religion etc. nicht zu weiteren Essentialisierungen und darüberhinaus zur Anerkennungskonkurrenz unter verschiedenen Gruppen? 3. Zum gesamtgesellschaftlichen Interesse: a.) Privilegiert das LADG jene Menschen, die es gewohnt sind, ihren Anliegen wortreich Ausdruck zu verleihen , gegenüber jenen, die keine Stimme haben? 2 b.) Protegiert das LADG jene Mitglieder des kosmopolitischen Kreativmilieus, welche sich trotz ihrer Bildungstitel in ihren Aufstiegsaspirationen enttäuscht sehen und ihre Misserfolge nun einer Ausgrenzung durch die „Gesellschaft“ zuschreiben? [Hierzu: Drucksache 18/20329 Das Theater an der Parkaue als eine moralische Anstalt betrachtet] c.) Auch das Kreativmilieu kennt seine Etablierten und Außenseiter. Dient das LADG dazu, die Ressentiments der Prekarisierten – d.h. Jener, die sich von Fördertopf zu Fördertopf hangeln – auf die „Bürokratie“ hin umzulenken? 4. Zur Signalwirkung: Inwiefern stellt das LADG eine Absage an das bundesrepublikanische Leitbild des sozialen Aufstiegs durch eigenes Bestreben dar? Zu 1. bis 4.: Gesellschaftliche Ausgrenzungsrealitäten, die an die Frage der Erwerbstätigkeit oder -losigkeit, an den Bildungsstand, an Armut und Wohnungslosigkeit oder auch an den Familienstatus anknüpfen, sind vielfach belegt. Mit der Aufnahme des Verbotes einer Diskriminierung aufgrund des sozialen Status wird das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) der Tatsache gerecht, dass dieses Merkmal im Diskriminierungserleben der Menschen zunehmend an Bedeutung gewinnt und dem auch antidiskriminierungsrechtlich Rechnung getragen werden muss. Das LADG ermöglicht allen Berlinerinnen und Berlinern einen diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugang zu öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen. Kollektive Rechtsschutzinstrumente wie die Prozessstandschaft und das Verbandsklagerecht, wie aber auch die Einrichtung der Ombudsstelle, werden maßgeblich dazu beitragen, bestehende Machtdisparitäten und auch im sozialen Status bedingte Zugangserschwernisse zur Durchsetzung der Rechte nach dem LADG abzubauen. Berlin, den 30. September 2019 In Vertretung Dr. Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung