Drucksache 18 / 21 052 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 17. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. September 2019) zum Thema: Drogen diesseits der Legalität und Antwort vom 04. Okt. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Frank Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21052 vom 17. September 2019 über Drogen diesseits der Legalität ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Herkömmliche Opiate, Heroin etwa, sind seit jeher in gegenkulturellen Nischen verortet; ihr Gebrauch ist zutiefst stigmatisiert. Soziale und damit rechtliche Schranken bestehen auch gegenüber dem Konsum sogenannter "Partydrogen", sowie Cannabis, dessen ostentativer Genuß zugleich dazu dient, durch symbolische Gesten politische Selbstverortungen vorzunehmen. [hierzu die Lyrics von Blowfly: „First Black President“. 1983.] Der Allgemeinheit hingegen ist ein Pharmakologischer Analphabetismus zu attestieren: Eine Generation, die mit den gängigen popkulturellen Darstellungen von Drogenabhängigen groß wurde, verfügt über keinerlei Warnsystem gegenüber verschreibungspflichtigen Pillen. [Witt, Emily: Pain Killer. Die Opiod-Krise in Nordamerika . In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. August 2019. S. 5-17.] Der Koalitionsvertrag sieht einerseits vor, die Drogenpolitik zu liberalisieren, andererseits die Suchtprävention zu stärken; hierzu gehört für ihn auch die Prävention des Arzneimittelmissbrauchs. 1. Hat der Senat Erkenntnisse über den Anstieg des Missbrauchs opiathaltiger Medikamente in den vergangenen Jahren? Zu 1.: Dem Senat liegen keine eigenen Erhebungen zu der o.g. Fragestellung vor. Hiesige Recherchen und Anfragen beim Giftnotruf der Charité in Berlin (https://giftnotruf.charite.de/) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, http://www.oecd.org/about/) in Bezug auf die Fragestellung wurden durchgeführt. Laut einer Statistik des Giftnotrufs der Charité über die Anzahl der Meldungen im Zusammenhang mit Opioid-haltigen Arzneimitteln ist im Zeitraum von 2010 bis Oktober 2018 ein Maximalwert bei der missbräuchlichen Anwendung von Opioiden mit 106 Meldungen im Jahr 2012 zu verzeichnen. Im Vergleich dazu wurden für das Jahr 2017 91 Meldungen erfasst. Es handelt sich hier vornehmlich um Zahlen aus den Ländern Berlin und Brandenburg, aber auch Anfragen aus dem restlichen Bundesgebiet gehen in die Statistik ein. - 2 - 2 Die vorliegenden Erhebungen des Giftnotrufs, die u.a. auf telefonische Anfragen beruhen, erlauben insgesamt keine valide Aussage darüber, ob es in den vergangenen Jahren zu einem Anstieg des Missbrauchs bei Opioid-haltigen Arzneimittel gekommen ist. 2. Ist die Sensibilisierung für die Gefahren dieses Missbrauchs Teil des integrierten Handlungskonzeptes der Fachstelle für Suchtprävention? Zu 2.: Die Sensibilisierung für die Risiken von missbräuchlichem Medikamentenkonsum ist eines der Handlungsfelder der Fachstelle für Suchtprävention Berlin. Die präventiven Aktivitäten der Fachstelle für Suchtprävention richten sich sowohl an die Allgemeinbevölkerung als auch an Fachkräfte bzw. Verantwortungsträger/innen in unterschiedlichen Settings (Jugendhilfe , Schule, Sportvereine, Altenhilfe, Pflege, Krankenkassen, Apotheken, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte etc.). Mit ihren Angeboten und Maßnahmen möchte die Fachstelle insbesondere das Wissen zu Risiken des Medikamentenkonsums (Abhängigkeitspotenzial etc.) erhöhen, einen verantwortungsvollen Umgang mit Medikamenten fördern , das Hilfesystem bekannter machen, die Vernetzung insbesondere von Sucht- und Altenhilfe befördern sowie eine möglichst frühzeitige Intervention anregen. Aktivitäten der Fachstelle für Suchtprävention Berlin zur Prävention von Medikamentenmissbrauch sind u.a.: • Koordination der seit 2011 aktiven „Berliner Initiative gegen Medikamentenmissbrauch“, einem multiprofessionellen Zusammenschluss interessierter Experten/-innen, deren Ziel es ist, die weit verbreitete, aber kaum beachtete Problematik des missbräuchlichen und abhängigen Konsums von Medikamenten stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit und von Verantwortungsträger/innen zu rücken, sowie die Prävention von Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit strukturell voranzubringen. Sie hat u.a. einen Forderungskatalog veröffentlicht und setzt diesbezügliche Maßnahmen um (siehe https://www.berlinsuchtpraevention .de/netzwerke/#medi123) • Veröffentlichung und regelmäßige Aktualisierung des Informationsblatt „Medikamente“. Es fasst aktuelle Zahlen zum Ausmaß und Art des risikoreichen Konsums zusammen, gibt einen Einblick in Medikamente mit erhöhtem Missbrauchs- oder Suchtpotenzial, benennt unterschiedliche Risikogruppen und verweist auf Präventionsmöglichkeiten sowie Beratungs - und Hilfsangebote (siehe https://www.berlin-suchtpraevention.de/wpcontent /uploads/2019/08/190829_Infob_Medikamente_2.-Aufl_FINAL_online.pdf) • Die Prävention von Medikamentenmissbrauch ist Bestandteil verschiedener Schulungsangebote , so z.B. im Zertifikatskurs Suchtprävention, der in Kooperation mit der Alice- Salomon-Hochschule Berlin durchgeführt wird (siehe https://www.berlinsuchtpraevention .de/veranstaltungen/berufsbegleitender-zertifikatskurs-2020-2020- fachkraft-fuer-suchtpraevention-im-kontext-schule-jugendarbeit/) oder im Projekt „Suchtsensible Pflege“ von älteren Menschen, die als Qualifizierung für Pflegekräfte und Pflegeberater /-innen angeboten wird (siehe https://www.kompetent-gesund.de/projekte/fueraeltere -menschen_suchtsensible-pflege/). - 3 - 3 • In der Infokarten-Reihe des Landesprogramms „Na klar-unabhängig bleiben!“ wurde eine Info-Karte mit Präventionsbotschaften zum Thema Medikamente herausgegeben, welche mittlerweile in 10 Sprachen über die Fachstelle für Suchtprävention zu beziehen ist (siehe https://www.berlin-suchtpraevention.de/bestellportal/infokarten-und-flyer/medikamente-diedosis -macht-das-gift-arabisch/). 3. Welche Ergebnisse gibt es bei der von der Koalition geplanten Prüfung eines Projektes zur Naloxonanwendung bei akuter Opiatvergiftung? Zu 3. Gemäß Richtlinien der Regierungspolitik soll ein umfassendes und leistungsfähiges Hilfesystem mit professionellen Angeboten für suchtkranke Menschen und deren Angehörige sichergestellt werden. Die Verminderung der Begleitrisiken von Drogenkonsum (harm reduction ) ist dabei ein wichtiges Ziel. Darunter fällt auch das Projekt zur Naloxonanwendung bei Opiatvergiftung. Naloxon, ein Opiatantagonist, ist mittlerweile in Deutschland als Spray zur nasalen Anwendung zugelassen. Ein Modellprojekt zu Naloxon hat bereits von Dezember 1998 bis Ende 2002 in Berlin stattgefunden. Damals wurden u.a. auch drogenabhängige Menschen zum Umgang mit Naloxon geschult. Ziel ist die Vermeidung von Drogentodesfällen. In Berlin wird in allen Drogenkonsumräumen bei Notfällen nach Bedarf Naloxon durch geschultes Personal eingesetzt, um Todesfälle zu vermeiden. Wegen der ansteigenden Zahlen der Drogentoten in Berlin ist es beabsichtigt, erneut ein flächendeckendes Schulungs-Projekt in Berlin auf den Weg zu bringen. Berlin, den 04. Oktober 2019 In Vertretung Martin Matz Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung