Drucksache 18 / 21 073 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 18. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. September 2019) zum Thema: Wohnkosten von Erwerbslosen – Härtefallkriterien, Neuanmietungszuschlag, Mietkaution und andere Darlehen und Antwort vom 07. Okt. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21073 vom 18. September 2019 über Wohnkosten von Erwerbslosen - Härtefallkriterien, Neuanmietungszuschlag, Mietkaution und andere Darlehen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Kriterien werden Wohnkosten von Erwerbslosen auf ihre Angemessenheit durch das Jobcenter standardmäßig überprüft? Zu 1.: Standardmäßig wird die Angemessenheit der Wohnkosten von arbeitssuchenden Personen bei Neuantragstellung, Weiterbewilligung und bei Änderungen der zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft sowie Fortschreibung der AV-Wohnen überprüft. 2. Welche Härtefallkriterien gibt es in diesem Verfahren und wann werden sie auf wessen Initiative bei der Überprüfung und Berechnung auf welcher Grundlage angewendet? Zu 2.: Gemäß Nummer 3.5.1 der AV-Wohnen ist in folgenden Härtefällen eine Überschreitung des Bruttokaltmietrichtwertes von 10 vom Hundert möglich: a) Alleinerziehenden, b) längerer Wohndauer (mindestens 10 Jahre), c) wesentlichen sozialen Bezügen (zum Beispiel Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen , Kindertagesstätten, Schulen mit eigenständigem Profil und besonderer inhaltlicher Ausrichtung des Unterrichts, Pflege insbesondere naher Angehöriger), d) über 60-jährigen leistungsberechtigten Personen, e) Schwangeren, f) Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben, g) eigener Pflegebedürftigkeit, Erkrankung oder Behinderung, 2 h) Modernisierungszuschlägen, i) Personen, die eine eigene Wohnung benötigen, um eine Unterbringung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe zu beenden oder wenn die Anmietung im Rahmen einer Entscheidung über eine Hilfe zur Erziehung eine bedarfsgerechte, weniger intensive Hilfe ermöglicht. Die Härtefallkriterien werden regelmäßig angepasst, die vorgenannten Kriterien gelten ab 01. Oktober 2019. Die Überprüfung erfolgt regelmäßig von Amts wegen. Darüber hinaus können auch die leistungsberechtigten Personen das Vorliegen eines Härtefalles geltend machen. 3. Welchen Einfluss haben die jeweiligen Härtefallkriterien auf die Entscheidung durch das Jobcenter bezüglich der Angemessenheit der Wohnkosten und welche Härtefallzuschläge sind mit welchen anderen Zuschlägen kombinierbar und welche nicht? 9. Welche Härtefallkriterien finden bei Neuanmietung einer Wohnung Anwendung? Zu 3. und 9.: Die Härtefälle sind untereinander nicht kombinierbar. So kann die schwangere alleinerziehende Mutter aufgrund der Härtefallregelung den Bruttokaltmietrichtwert um maximal 10 vom Hundert überschreiten. Eine Kombinierung mit dem Zuschlag im sozialen Wohnungsbau (Nummer 3.2. Absatz 3 der AV-Wohnen), bei Neuanmietung (Nummer 3.4 der AV-Wohnen) oder dem Klimabonus (Nummer 3.2.3 der AV-Wohnen – ab 1. Oktober 2019) ist möglich. 4. Wie oft kamen die jeweiligen Härtefallkriterien jeweils jährlich in den letzten zehn Jahren in Berlin zur Anwendung? Zu 4.: Eine Auswertung der Berücksichtigung von Härtefallkriterien erfolgte in den vergangenen zehn Jahren nur insgesamt, nicht jedoch nach den einzelnen Härtefalltatbeständen. Ab Juli 2015 sind in den angegebenen Werten zu den Härtefällen weitere Ausschlusstatbestände erfasst, daher ist eine Vergleichbarkeit nicht konkret gegeben. 2010 – 6.855 2011 – 9.088 2012 – 8.453 2013 – 6.143 2014 – 5.701 2015 – 7.275 2016 – 8.151 2017 – 6.314 2018 – 6.029 bis 06/2019 – 2.460 5. Wie viele Anträge auf Anwendung welcher Härtefallkriterien sind in dem genannten Zeitraum dem Senat bekannt, wie viele wurden abgelehnt? 6. Wie viele Gerichtsverfahren gab es in den letzten zehn Jahren zu Nichtanerkennung von Härtefallzuschlägen in Berlin und wie sind diese jeweils ausgegangen? 7. Durch welche Maßnahmen plant der Senat sicherzustellen, dass Härtefälle schneller entschieden und angewendet werden, um drohende nicht in tatsächlicher Wohnungslosigkeit enden zu lassen? 3 Zu 5. bis 7.: Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt erfolgt die Anwendung der Härtefallkriterien von Amts wegen oder wenn die leistungsberechtigte Person das Vorliegen eines Härtefalltatbestandes geltend macht. Eine Antragstellung ist nicht notwendig. Daher erfolgt keine statistische Erfassung, in wie vielen Fällen die Voraussetzungen für einen Härtefalltatbestand nicht erfüllt werden. Gleiches gilt für die Anzahl der Gerichtsverfahren in den letzten zehn Jahren in Bezug auf die Nichtanerkennung eines Härtefallzuschlages. Bereits vor Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens wird die Möglichkeit eines Härtefalles geprüft und nicht erst, wenn bereits Wohnungslosigkeit droht. 8. Wie lang ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer in den letzten fünf Jahren je Bezirk für die Prüfung von durch Kunden beim Jobcenter eingereichten Wohnungsangeboten? Zu 8.: Nach der zwischen dem Land Berlin und der Regionaldirektion Berlin- Brandenburg geschlossenen Vereinbarung nach § 44b SGB II aus dem Jahr 2010 ist eine Bearbeitungsdauer für eingereichte Wohnungsangebote von fünf Tagen festgelegt. Angaben zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer für die Prüfung von durch Kundinnen und Kunden beim Jobcenter eingereichten Wohnungsangeboten können nicht gemacht werden. Es erfolgt keine statistische Erfassung der Bearbeitungsdauer. 10. Wie viele Anträge auf Übernahme der Mietkaution beim Jobcenter wurden in den Berliner Bezirken in den letzten fünf Jahren nicht fristgerecht zur Mietkautionszahlung zum Monatsanfang in den ersten drei Monaten des Mietverhältnisses entschieden? 11. Wie viele Neuanmietungen sind durch diese verspäteten Kautionszahlungen nicht zustande gekommen, welche Auswirkungen hatte das jeweils auf die Leistungsberechtigten? Zu 10. und 11.: Angaben zur Anzahl der Anträge auf (verspätete) Übernahme der Mietkaution beim Jobcenter können nicht gemacht werden. Es erfolgt hierzu keine statistische Erfassung. 12. Wie ist die rechtliche Situation zur Übernahme von (Unter-)Mietkaution von Untermietern durch das Jobcenter, sind hier Änderungen in der AV-Wohnen geplant? Zu 12.: In Nummer 8.3 Absatz 2 der AV-Wohnen ist geregelt, dass ohne die Übernahme von Mietkautionen in der Regel davon auszugehen ist, dass kein Wohnraum angemietet werden kann. Dies gilt auch für Untermietverhältnisse. 13. Wie beurteilt der Senat nach der DS-GVO die Forderung von Jobcentern, neben Untermietverträgen auch Hauptmietverträge vorzulegen, auch wenn der Hauptmieter gar kein Leistungsbezieher ist, ist dieser daneben rechtlich verpflichtet, seinen Hauptmietvertrag offenzulegen? Zu 13.: Hierzu gab es im Arbeitskreis zur AV-Wohnen eine Klarstellung. Im Ergebnis ist die Forderung nach der Vorlage des Hauptmietvertrages unzulässig. 14. Ist dem Senat bekannt und welche konkreten Pläne mit welchem Zeitplan zur Lösung gibt es dahingehend, a) dass Mietkautions- und andere Darlehen vom Inkasso der Bundesagentur für Arbeit umgehend zurückgefordert werden, sobald ein Leistungsempfänger aus dem Bezug ausscheidet? b) dass es bezüglich dieser Darlehen immer wieder Verunsicherung bei Leistungsempfängern gibt, sobald sich z.B. an den SGB II-Leistungsbezug ein weiterer Bedarf im Rahmen der Grundsicherung anschließt? Zu 14 a): Nach § 42a Abs. 4 SGB II ist nach Beendigung des Leistungsbezuges der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig. Es handelt sich um eine bundesgesetzliche Vorschrift. Ist die einmalige Tilgung des offenen Darlehens nicht 4 möglich, kann eine individuelle Vereinbarung über eine Ratenvereinbarung mit dem Inkassoservice der Bundesagentur für Arbeit jederzeit abgeschlossen werden. Zu 14 b): Bei Nachweis des fortbestehenden Leistungsbezuges nach dem SGB XII ist ebenfalls eine weitere Ratenvereinbarung mit dem Forderungseinzug SGB II individuell möglich. Dabei ist zu beachten, dass die Tilgungsrate regelmäßig nicht mehr als 5 % der Regelbedarfsstufe 1 beträgt. Im Übrigen hat der Forderungseinzug SGB II in solchermaßen gelagerten Fällen zu prüfen, ob Forderungen gestundet, niedergeschlagen oder erlassen werden können. Die Vorschrift des § 44 SGB II eröffnet hierzu die Möglichkeit. Hierdurch werden unnötige Belastungen der Betroffenen vermieden. 15. Wie viele und aus welchen Bezirken Berlins sind dem Senat Fälle bekannt, in denen fehlende Informationen über einen möglichen 20-prozentigen Neuanmietungszuschlag die Suchdauer gerade für Personen mit drohender Wohnungslosigkeit unangemessen verlängert? Zu 15.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf der Internetseite des Senats zur AV Wohnen im veröffentlichten Flyer (https://www.berlin.de/sen/soziales/_assets/service/publikationen/flyer_kdu.pdf) auf den Neuanmietungszuschlag hingewiesen. Darüber hinaus ist der Neuanmietungszuschlag in Höhe von 20 vom Hundert über dem Bruttokaltmietrichtwert immer Gegenstand der Erörterung auf den gemeinsamen Fachgesprächen zwischen Jobcentern, Sozialen Wohnhilfen und Sozialämtern. 16. Welche Bedeutung misst der Senat dem Neuanmietungszuschlag für akut Wohnungssuchende angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in Berlin bei? 17. Wie beurteilt der Senat die aktuellen Richtwerte der AV-Wohnen bezüglich der aktuellen Mietpreise bei Neuanmietungen, welche Maßnahmen hält er für geeignet, um hier einen Ausgleich zu schaffen? Zu 16. und zu 17.: Der Neuanmietungszuschlag ist ein wichtiges Instrument für die Neuanmietung von Wohnraum wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen. Ab 01. Oktober 2019 ist es zudem für wohnungslosen Familien ab fünf Personen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Bruttokaltmietrichtwerte um mehr als 20 vom Hundert zu überschreiten. Die Bruttokaltmietrichtwerte werden zum 01. Oktober 2019 auf Grundlage des am 13. Mai 2019 veröffentlichten Berliner Mietspiegel angehoben. 18. Auf welcher Grundlage beruht die aktuelle Regelung in der AV-Wohnen zum zu berücksichtigenden Flächenbedarf, insbesondere die zur Mindestgröße einer Wohnung? (Bitte hier Beispiele von Bedarfsgemeinschaften in Bezug zur Wohnungsgröße anführen, sofern sie ausschlaggebend sind für die Regelungen.) Zu 18.: In der AV-Wohnen werden ab 01. Oktober 2019 unter Berücksichtigung des Wohnungsaufsichtsgesetzes von Berlin Mindestwohnflächen festgelegt, um Überbelegung und damit einhergehende prekäre Wohnverhältnisse zu vermeiden oder zu beenden. Darüber hinaus ist die Ermittlung angemessener Wohnflächen der Anlage 1 der AV-Wohnen zu entnehmen. 5 19. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Probleme von Leistungsberechtigten, wenn sie für einen Umzug ihre entsprechenden Anträge für das dafür zuständige Jobcenter einreichen wollen, sieht der Senat hier Handlungsbedarf? Zu 19.: Dem Senat sind keine grundlegenden Probleme bei der Antragsabgabe bei den Berliner Jobcentern bekannt. Etwaige Beschwerden von leistungsberechtigten Personen wird seitens des kommunalen Trägers zügig nachgegangen. 20. Wie schätzt der Senat die Belastung für Leistungsempfänger ein, wenn diese Renovierungskosten bei Umzug in eine unrenovierte Wohnung selber tragen müssen, bei welchen Kosten werden oder sollten nach Ansicht des Senats die Leistungsempfänger unterstützt werden? Zu 20.: Die Übernahme von Einzugsrenovierungskosten ist über die AV-Wohnen abgedeckt. Die Regelung wird zum 01. Oktober 2019 konkretisiert. Im Übrigen enthält die AV-Wohnen in der Nummer 8 und Nummer 9 zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten bei Umzug und Renovierung. 21. Wie wird überprüft, ob Leistungsempfänger einen Umzug nicht ohne weitere Hilfe durchführen können, wo können diese wie und welche Hilfe bekommen? Zu 21.: Anhand der Angaben der Antragstellerin oder des Antragsstellers wird die Notwendigkeit von Hilfen beim Umzug geprüft. Dies können glaubhafte Angaben zur Lebens- oder familiären Situation oder auch ärztliche Gutachten oder Bescheinigungen sein. Mögliche Hilfe kann beispielsweise die Kostenübernahme für eine Umzugsfirma sein. Berlin, den 07. Oktober 2019 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales