Drucksache 18 / 21 083 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 20. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. September 2019) zum Thema: Öffentlichkeitsfahndung und Antwort vom 02. Okt. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21083 vom 20. September 2019 über Öffentlichkeitsfahndung ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie häufig haben die Ermittlungsbehörden in Berlin im Jahr 2018 das Instrument der Öffentlichkeitsfahndung nach §§ 131 bis 131c StPO genutzt (bitte nach Monaten und Delikten aufschlüsseln)? Zu 1.: Im Jahr 2018 wurden auf den Internetseiten 137 Öffentlichkeitsfahndungen eingestellt. Delikt Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Sexualdelikte 1 1 1 2 1 1 Körperverletzung 4 2 2 4 4 5 3 7 2 1 3 Überfall 2 1 1 1 2 Diebstahl 1 1 2 1 2 1 2 2 3 Raub 3 2 1 3 2 2 5 2 2 5 1 Tötungsdelikte 1 5 1 1 3 1 Einbruch 1 1 1 3 Räub. Erpressung 1 Seite 2 von 4 Betrug 1 1 1 Vermisste 2 1 3 2 1 1 Flüchtige 1 Unbek. Tote 2 1 Bandstiftung 1 1 1 1 Beleidigung 2 2 1 Vergewaltigung 1 Verkehrsunfall 1 1 Trickdiebstahl 1 1 Landfriedensbruch 1 Sachbeschädigung 1 Die einzelnen Deliktszahlen stimmen nicht mit der Gesamtzahl der Öffentlichkeitsfahndungen überein, da in den einzelnen Fahndungen teilweise mehrere Delikte angeführt wurden. 2. Als wie effektiv wird die Öffentlichkeitsfahndung zur Ermittlung von Tatverdächtigen bewertet? In wie vielen Fällen hat eine Öffentlichkeitsfahndung im Zeitraum seit 2010 zum Erfolg geführt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 2.: Eine digitale Erfassung der Öffentlichkeitsfahndungen wird bei der zentral veröffentlichenden Dienststelle erst seit Ende 2014 geführt. Aus diesem Grunde sind rückwirkende Angaben zu den Jahren 2010 bis 2014 nicht möglich. Aufgrund der Mitteilungen der die Öffentlichkeitsfahndungen auslösenden Dienststellen wurden seit Ende des Jahres 2014 225 Aufklärungen mitgeteilt. Inwieweit die weiteren, im Laufe der Zeit gelöschten, Öffentlichkeitsfahndungen aufgeklärt wurden, kann nicht beantwortet werden. Eine automatisierte bzw. standardisierte Rückmeldung hinsichtlich der Fahndungserfolge erfolgt nicht, so dass keine auf einer validen Zahlenbasis beruhende Aussage zum Wirkungsgrad getroffen werden kann. Grundsätzlich hält der Senat die Öffentlichkeitsfahndung für eine effektive Ermittlungsmaßnahme, da sie immer wieder zur Selbstgestellung oder Identifizierung der abgebildeten Tatverdächtigen führt. 3. Wie viel Zeit vergeht in Berlin durchschnittlich zwischen Straftat und Öffentlichkeitsfahndung? Was waren die kürzeste und die längste Dauer (bitte seit 2010 nach Jahren aufschlüsseln)? Seite 3 von 4 Zu 3.: Die Zeit zwischen angezeigter Straftat und Veröffentlichung einer mit dieser Straftat zusammenhängenden Öffentlichkeitsfahndung wird in den polizeilichen Informationssystemen nicht automatisiert als gezielt abzufragender Aspekt erfasst. Angaben zu kürzesten, längsten sowie durchschnittlichen Bearbeitungszeiten bis zur Herausgabe einer Öffentlichkeitsfahndung können daher nicht gemacht werden. 4. Was sind die Gründe für den z.T. langen zeitlichen Abstand zwischen Straftat und Öffentlichkeitsfahndung? Zu 4.: Die §§ 131 bis 131c Strafprozessordnung (StPO) regeln ganz unterschiedliche Fallkonstellationen. Entsprechend hängt die Länge des Zeitraums zwischen der Begehung der Tat und der Öffentlichkeitsfahndung von den Umständen des Einzelfalles ab. So können bereits Jahre vergehen, bevor den Strafverfolgungsbehörden eine Tat überhaupt bekannt wird, zum Beispiel bei Leichenfunden oder wenn durch einen DNA-Abgleich zu einer vor Jahren begangenen Tat ein Verdächtiger ermittelt wird. Festnahmefahndungen (§ 131 Abs. 1 StPO) nach dem Beschuldigten oder öffentliche Fahndungen zur Aufenthaltsermittlung eines Zeugen (§ 131a Abs. 3 StPO) setzen zudem einen dringenden Tatverdacht gegen die beschuldigte Person voraus. Dieser muss in der Regel erst einmal durch Ermittlungen begründet werden. Hinzu kommt, dass einige Fahndungsmaßnahmen nach den gesetzlichen Regelungen nur subsidiär zulässig sind, d. h. wenn andere Maßnahmen weniger Erfolg versprechen oder weniger geeignet wären, das Ziel zu erreichen (§§ 131 Abs. 3 Satz 1, 131a Abs. 3, 131b Abs. 1 StPO). Das bedeutet, erst wenn der beabsichtigte Fahndungserfolg durch keine weitere polizeiliche Maßnahme erreicht werden kann, die die tatverdächtige Person weniger beeinträchtigt, wird das Einleiten einer auf richterlichem Beschluss beruhenden Öffentlichkeitsfahndung zur Option, um sie zu identifizieren oder ihren Aufenthaltsort zu bestimmen. Aufgrund der unterschiedlichen Komplexität von Strafanzeigen sowie den sehr unterschiedlich ausgeprägten Beweislagen sind die Abstände zwischen Straftat und Öffentlichkeitsfahndung daher höchst unterschiedlich. 5. Wie hat sich die durchschnittliche Dauer zwischen Straftat und Öffentlichkeitsfahndung seit 2010 in a) Hamburg b) Bremen c) den übrigen Bundesländern (Flächenländern), d) den übrigen deutschen Großstädten mit mindestens 500.000 Einwohnern entwickelt (bitte jahresweise sowie bei c) nach Bundesländern und bei d) nach Großstädten aufschlüsseln)? Zu 5.: Für eine Beantwortung der Frage zu 5. müssten die Innenministerien bzw. die Senatsinnenverwaltungen der jeweiligen Bundesländer die Daten zweckgebunden zur Verfügung stellen. Die parlamentarische Kontrolle von anderen als Berliner Landesbehörden und deren nachgeordneten Behörden, einschließlich des damit einhergehenden parlamentarischen Fragerechts, obliegt jedoch ausschließlich den jeweils zuständigen Landesparlamenten. Eine Beantwortung der Frage kann daher nicht erfolgen. Seite 4 von 4 6. Wird eine Reform der §§ 131 ff. StPO befürwortet, die zu einer einfacheren Anwendung der Öffentlichkeitsfahndung durch die Ermittlungsbehörden führen würde? Falls ja, sollte dabei das sog. Richterprivileg abgeschafft oder zumindest modifiziert werden? Zu 6.: Der Senat sieht bei einer Aufweichung der bisherigen Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung im Ermittlungsverfahren - insbesondere bei einem Wegfall der Subsidiaritätsklausel in § 131b StPO - das erhebliche Risiko der Stigmatisierung einer möglicherweise unschuldigen Person. Dass die betroffene Person einer Straftat verdächtig ist, wird der Öffentlichkeit durch die Öffentlichkeitsfahndung bekannt; dass sich dieser Verdacht später zerschlagen hat oder nicht im erforderlichen Umfang erhärten ließ, hingegen häufig nicht. Dies kann den Ruf der betroffenen Person nachhaltig schädigen. Auch in der Abschaffung oder Modifizierung des Richtervorbehalts werden keine Vorteile gesehen. Berlin, den 02. Oktober 2019 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport