Drucksache 18 / 21 097 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Henner Schmidt (FDP) vom 24. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. September 2019) zum Thema: Anwendung der Verordnung zur Sicherung der Elektrizitätsversorgung (Elektrizitätssicherungsverordnung - EltSV) im Falle einer Versorgungskrise mit elektrischer Energie in Berlin und Antwort vom 09. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Henner Schmidt (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21097 vom 24. September 2019 über Anwendung der Verordnung zur Sicherung der Elektrizitätsversorgung (Elektrizitätssicherungsverordnung - EltSV) im Falle einer Versorgungskrise mit elektrischer Energie in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Zur Beantwortung der Fragen wurden die Bundesnetzagentur (BNetzA), der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz Transmission GmbH (50Hertz) sowie der Verteilnetzbetreiber Stromnetz Berlin GmbH (Stromnetz Berlin) um Stellungnahme gebeten. 1. Wer sind in Berlin „die zuständigen Stellen als Lastverteiler“ nach § 1(1) der EltSV, die ermächtigt sind, im Falle einer Versorgungskrise Verfügungen an Unternehmen und Verbraucher, z.B. zur Abschaltung von Versorgungsbereichen zu erlassen? Zu 1.: Voraussetzung für die Anwendung der Elektrizitätssicherungsverordnung (EltSV) ist gemäß § 3 Abs. 3 Energiesicherungsgesetz (EnSiG) i.V.m. § 6 Abs. 2 EltSV, dass die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung feststellt, dass die Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 oder des § 2 Abs. 3 gefährdet oder gestört ist und die EltSV angewandt werden soll. Gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 wird die EltSV in Teilen von der BNetzA ausgeführt. Dies gilt insbesondere bei Maßnahmen, die in ihrer Bedeutung und Tragweite die Landesgrenzen überschreiten. Im Übrigen werden das Gesetz und die EltSV nach § 4 Abs. 5 EnSiG von den nach Landesrecht zuständigen Stellen ausgeführt. Zuständige Stelle für die Lastverteilung nach dem Berliner Landesrecht ist die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 Satz 1 Allgemeines Zuständigkeitsgesetz (AZG) in Verbindung mit Nr. 7 Abs. 9 der Anlage zu § 4 Abs. 1 Satz 1 AZG – Allgemeiner Zuständigkeitskatalog). 2. Wie sind in Berlin die „Versorgungsbereiche“ definiert? Welche Versorgungsbereiche gibt es? 2 Zu 2.: § 1 Abs. 4 EltSV regelt die Voraussetzungen, unter denen die Abschaltung eines Versorgungsbereichs zulässig ist. Unter einem Versorgungsbereich ist dabei kein von vorneherein feststehender, lokal abgrenzbarer Bereich zu verstehen, so dass sich auch keine abstrakte Aussage darüber machen lässt, welches die Versorgungsbereiche in Berlin sind. Mit dem Begriff des Versorgungsbereichs umschreibt die EltSV vielmehr denjenigen Bereich, dessen Versorgung im EnSiG-Krisenfall nicht mehr sichergestellt werden kann und für den daher Abschaltmaßnahmen notwendig sind. Die Größe und Lage dieses Versorgungsbereichs hängt demzufolge von der jeweiligen Situation im Einzelfall ab, also etwa davon, wie hoch das auszugleichende Erzeugungsdefizit ist und in welchem Maße ein bestimmtes Gebiet davon betroffen ist. Diesbezüglich können auch die Bevölkerungsdichte oder das Vorhandensein besonders stromintensiver Verbraucher wie Industrieunternehmen in dem jeweiligen Gebiet eine Rolle spielen. Auch im Falle rollierender Abschaltmaßnahmen, bei denen im Wechsel bestimmte Teile der Stadt bis zur gemäß EltSV maximal zulässigen Zeitdauer abgeschaltet werden können, hängt die Größe des abgeschalteten Versorgungsbereichs bzw. die Zahl der zeitgleich im Stadtgebiet abgeschalteten Versorgungsbereiche davon ab, wie groß der Erzeugungsmangel und damit die Unterdeckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie ist. Anzahl und Größe der Versorgungsbereiche sind daher nicht statisch, vielmehr ist es gerade die Aufgabe der Lastverteiler auf Bundes- und Landesebene , im konkreten Einzelfall mit Unterstützung der Netzbetreiber die Versorgungsbereiche sinnvoll so zu bemessen, dass Abschaltmaßnahmen ihre größtmögliche Wirkung für das Gesamtsystem im Sinne der angestrebten Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie entfalten können. 3. Durch welche Maßnahmen und Verfahrensweisen wird in Berlin im Falle einer Versorgungskrise mit elektrischer Energie zuverlässig sichergestellt, dass die Forderungen der EltSV erfüllt werden, dass Abschaltungen von Versorgungsbereichen jeweils vier Stunden nicht überschreiten dürfen und dass die Betriebszeit zwischen zwei Sperrzeiten nicht kürzer sein darf als die jeweils vorangegangene Sperrzeit? Zu 3.: Im Falle der Anwendung der EltSV sind die weiteren Entscheidungen über die erforderlichen Maßnahmen zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie hoheitliche Aufgabe der Lastverteiler auf Bundes- und Landesebene. Diese haben im Rahmen ihrer Verfügungen darauf zu achten, dass die Vorgaben der EltSV eingehalten werden. Dazu gehören auch die Vorgaben aus § 1 Abs. 4 Satz 3 und 4 EltSV zur Höchstabschaltdauer und zur Mindestbetriebszeit zwischen zwei Sperrzeiten. Diese zeitlichen Vorgaben werden daher durch die Lastverteiler mitverfügt, um sicherzustellen , dass die zur Umsetzung der Verfügung verpflichteten Adressaten (Netzbetreiber ) sich daran halten. 4. Wie wird im Falle von Abschaltungen von Versorgungsbereichen die Öffentlichkeit informiert? Zu 4.: Die zuständigen Krisenstäbe vor Ort informieren die Öffentlichkeit über Medien, ggf. über Informationssendungen der Radiostationen oder Flugblätter sowie an dafür eingerichteten Anlaufpunkten und durch Polizei- und Feuerwehrkräfte. Es wird auf die Antwort des Senats, Drucksache 18/20418, Nr. 6 verwiesen. 3 Die BNetzA teilt mit, dass sie während eines Krisenfalls im Sinne des EnSiG als Bundeslastverteilerin in Kontakt mit den betroffenen Bundesländern und den dort eingerichteten Krisenstäben sowie den Netzbetreibern steht, sodass auch insoweit die Informationsvermittlung gewährleistet wird. 5. Bestehen konkrete Planungen, in welcher Reihenfolge oder nach welchen Kriterien im Falle einer Versorgungskrise mit elektrischer Energie einzelne Versorgungsbereiche abgeschaltet und wieder angeschaltet werden? Wenn ja, wer erstellt diese Planungen? Wie wird dabei die Netzstabilität gesichert ? 6. Wie werden Abschaltungen von Versorgungsbereichen mit anderen Akteuren wie z.B. den Wasserbetrieben , der Polizei oder der Feuerwehr abgestimmt? Zu 5. und 6.: Stromnetz Berlin teilt hierzu mit, dass sie über einen Plan für die Lastreduzierung verfügt und sich dieser nach dem „BDEW Praxis-Leitfaden für unterstützende Maßnahmen von Stromnetzbetreibern“ richtet. Um bei einer Systembilanzstörung infolge Erzeugungsmangel die erforderliche Lastreduzierung möglichst diskriminierungsfrei zu gestalten, hat Stromnetz Berlin ein Lastmanagement realisiert, welches rollierende Lastabschaltungen in deren Netzgebiet ermöglicht. Dafür wurden mehrere Abschaltgruppen gebildet. Bei der Ausgestaltung wurde ein Beurteilungsspielraum in Hinblick auf die abzuschaltenden bzw. anzupassenden Netz- bzw. Lastkunden genutzt , d.h. Einrichtungen von Betreibern Kritischer Infrastrukturen werden nach Möglichkeit nicht in diese Abschaltgruppen aufgenommen. Gemäß den Network Codes des ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity / Verband Europäischer ÜNB) und den VDE-Anwendungsregeln hat die Stromnetz Berlin ein abgestimmtes Konzept mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, welches das Prozedere für die Regelzone von 50Hertz festlegt und in dem der Beitrag der Stromnetz Berlin an den Letztmaßnahmen und der Kaskade genau definiert ist. Einrichtungen Kritischer Infrastrukturen, die über eine eigene Übergabestation mit einem Anschluss an deren Mittelspannungsnetz verfügen, sind bekannt und können gemäß dem eingeräumten Beurteilungsspielraum im Lastmanagement berücksichtigt werden. In der Planung sind Abstimmungen mit der Polizei Berlin und der Berliner Feuerwehr über die wichtigsten Liegenschaften der beiden Behörden berücksichtigt. 7. Wie viele Unternehmen nach §2 der EltSV (Unternehmen, die über Anlagen zur Erzeugung von elektrischer Energie mit einer Gesamtleistung von mehr als 100 MW verfügen und ihre Leistung ganz oder teilweise in das Netz der öffentlichen Versorgung einspeisen) gibt es in Berlin (bitte jeweils auflisten nach Bezirken)? Zu 7.: Die BNetzA veröffentlicht auf ihrer Internetseite in regelmäßigen Abständen die sog. Kraftwerksliste. Darin sind u.a. alle Bestandskraftwerke in Deutschland mit einer elektrischen Netto-Nennleistung von mindestens 10 MW (Einzelnennung) aufgeführt. In Berlin werden die nachfolgend aufgeführten Kraftwerke mit einer Leistung von mehr als 100 MW betrieben. Betreiberin (Unternehmen nach § 2 EltSV) ist für alle aufgelisteten Kraftwerke die Vattenfall Wärme Berlin AG. 4 Kraftwerksname Blockname Bezirk Netto-Nennleistung in MW Charlottenburg Charlottenburg Charlottenburg-Wilmersdorf 144 Wilmersdorf Wilmersdorf GT2 und GT3 Charlottenburg-Wilmersdorf 184 Klingenberg Klingenberg Lichtenberg 164 Marzahn (voraussichtliche Aufnahme der kommerziellen Stromeinspeisung 2020) Marzahn-Hellersdorf 254 Mitte GuD Mitte Mitte 444 Reuter Reuter C Reinickendorf 124 Reuter West Reuter West E Reinickendorf 282 Reuter West Reuter West D Reinickendorf 282 Lichterfelde Lichterfelde 1 Steglitz-Zehlendorf 144 Lichterfelde Steglitz-Zehlendorf 289 8. Welches ist die nach Landesrecht zuständige Stelle, der diese Unternehmen ihre monatlichen Meldungen nach §2 der EltSV erstatten müssen? 9. Welche Schlüsse zieht die nach Landesrecht zuständige Stelle aus diesen Monatsmeldungen und inwiefern werden diese Meldungen für konkrete Planungen zur Sicherung der Versorgungssicherheit oder in Planungen für den Fall einer Versorgungskrise verwendet? Zu 8. und 9.: Zu unterscheiden ist insoweit zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens und dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der Verordnung. Meldungen gemäß § 2 EltSV müssen erst dann erstattet werden, wenn die Anwendbarkeit der EltSV durch Verordnung bestimmt wird. Daher werden aktuell keine Meldungen abgegeben. Bezüglich der Anwendbarkeit und der Zuständigkeit wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen . 10. Wie werden diese Unternehmen in Planungen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit und für den Fall einer Versorgungskrise einbezogen? Zu 10.: Stromnetz Berlin teilt hierzu mit, dass Unternehmen oder Großgewerbe, die einen eigenen Netzanschluss im Mittel- und Hochspannungsnetz haben oder benötigen, von den Anschlussberaterinnen und -beratern der Stromnetz Berlin begleitet werden. Darüber hinaus nutzt die Stromnetz Berlin auch Arbeitskreise wie die Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, um dort gemeinsam mit den teilnehmenden Unternehmen und behördlichen Stellen Fragen der Versorgungssicherheit zu diskutieren. Unabhängig von diesen Arbeitsgruppen hat die Stromnetz Berlin eine Krisenorganisation, die mit den Krisenorganisationen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, dem Lagezentrum der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie den Betreibern Kritischer Infrastrukturen Kontakt aufnehmen, über die operativen Maßnahmen informieren und in enger Abstimmung mit den Beteiligten bei der Umsetzung von Lastabschaltungen stehen würde. 5 Berlin, den 09. Oktober 2019 In Vertretung Christian R i c k e r t s ........................................................ Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe