Drucksache 18 / 21 126 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) vom 26. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. September 2019) zum Thema: Neue Shoppingmall am Hermannplatz (II) und Antwort vom 16. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21126 vom 26. September 2019 über Neue Shoppingmall am Hermannplatz (II) Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft in Teilen Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat daher die Bezirke um eine Stellungnahme gebeten, die dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie ist in die Antwort eingeflossen. Frage 1: Ist dem Senat bekannt, dass gemäß der Recherchen von Addendum folgende Partner unter den aktuellen oder ehemaligen Finanziers der Signa Gruppe zu finden sind: Die A & M SP Invest aus Luxembourg, die Briefkastenfirma Signa Invest LLC aus der sogenannten Steueroase Delaware, die russische Sberbank, die von der EZB beobachtet und zu Strafzahlungen verurteilt wurde, die Falcon Private Bank, die aufgrund eines Geldwäscheskandals beinahe ihre Bankenlizenz verloren hätte und der wegen mutmaßlicher Korruption und Urkundenfälschung vor Gericht stehende Diamantenhändler Beny Steinmetz? Wie bewertet der Senat die Vertrauenswürdigkeit der Signa-Gruppe? Frage 2: Welche der Unternehmen der Signa-Gruppe (in Österreich gehören allein 139 Unternehmen zur Signa- Gruppe) ist an welchem Berliner Standort der Investor für die geplanten Bauvorhaben in Berlin und damit der Antragsteller für Bauvorhaben? Wer ist/sind jeweils die Eigentümer der investierenden Firma? Wird es der Senat bzw. werden es die Bezirke mit einer der Signa-Firmen zu tun haben, oder muss man sich auf verschiedene Antragsteller einstellen? Auf welche für welches Vorhaben? Frage 3: Ist dem Senat die Herkunft der (Fremd)-Finanzierung für die sehr hohen Investitionen der jeweiligen Bauvorhaben bekannt und kann der Senat ausschließen, dass Mittel aus illegaler Geschäftstätigkeit wie Geldwäsche oder aus Steuerhinterziehungen investiert werden? 2 Frage 4: Ist dem Senat bekannt, dass der Sprecher der Signa-Deutschland, der über die Projektvorhaben der Signa zentral auch gegenüber der Politik und Presse informiert (so auch am Hermannplatz), selbst in die Berlin, Hermannplatz 5-10 Immobilienmanagement GmbH involviert ist? Antwort zu 1 - 4: Der Senat überprüft den finanziellen Hintergrund von Investoren nur aus gegebenem Anlass und nur in dem jeweils erforderlichen Umfang, z.B. im Vorfeld einer sich anbahnenden rechtsgeschäftlichen Beziehung zu Berlin. Zu einer Bewertung der Seriosität und des Finanzgebarens von Investoren äußert sich der Senat in der Öffentlichkeit nicht. Frage 5: Welche Projekte will die Signa Gruppe konkret in Angriff nehmen, welche formalen Bauvoranfragen o.ä. liegen bereits vor und welche städtebaulichen Ziele könnten durch die Vorhaben beeinträchtigt werden? Welche der jeweiligen Signa-Unternehmen sind für welche Vorhaben aktiv? Antwort zu 5: Eine umfassende Beantwortung der Frage ist mit den vom Elektronischen Bau- und Genehmigungsverfahren (eBG) zur Verfügung gestellten Abfragemöglichkeiten, gerade auch im Hinblick auf das weit verzweigte Firmengeflecht der SIGNA-Gruppe, nicht möglich. Folgende Vorhaben sind dem Senat bekannt: Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf · Grundstück Kantstraße 164 („Upper West“); Projektverantwortlich: SIGNA Prime Selection AG · Grundstück Kurfürstendamm 231 (Karstadt). Es wurde 2017 ein Vorbescheid für die Errichtung eines Geschäftshauses erteilt. Derzeit werden für das Grundstück durch die neue Eigentümerin veränderte Planungen verfolgt. Diese wurden im Baukollegium vorgestellt. Ein konkreter Antrag liegt derzeit nicht vor. Das Objekt ist gemäß Internetseite der Signa ein Objekt der SIGNA Prime Selection AG. Bezirk Mitte · Vorhaben Schicklerstr. 5- 7; Bauherr: Schicklerhaus Immobilien GmbH Co.KG · Geplantes Hochhaus am Kaufhof Alexanderplatz; das Hochhausvorhaben auf dem Baufeld D7 (Kaufhof) am Alexanderplatz liegt im Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans I-B4a-4. Nach derzeitigem Planungsstand (erster Vorentwurf) ist ein 130m hohes Hochhaus mit kerngebietstypischen Nutzungen (inkl. Wohnen) an der Karl-Liebknecht- Ecke Dircksenstraße geplant. Zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und Signa haben erste Gespräche stattgefunden. Konkrete Planungen des Investors liegen noch nicht vor. Welches Unternehmen der Signa künftig als Vorhabenträger tätig sein wird, ist dem Senat noch nicht bekannt. Bezirk Tempelhof-Schöneberg · Projekt Passauer Str. 1-3; Projektverantwortlich: „SIGNA Passauer Straße 1-3 Immobilien GmbH & Co. KG“ Für das Projekt Passauer Str. 1-3 (Rückbau des Parkhauses, Neubebauung des Grundstücks), für das der vorhabenbezogene Bebauungsplan 7-89 VE sich im Aufstellungsverfahren befindet (Aufstellungsbeschluss vom 17.10.2017, wird derzeit die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange durchgeführt. Städtebauliche Ziele 3 werden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt, im Gegenteil unterstützt das Bezirksamt das Projekt durch die Aufstellung des Bebauungsplanes. Frage 6: Sieht der Senat ein Planungserfordernis für das Vorhaben der Signa Gruppe am Hermannplatz, das alte Karstadt-Gebäude abzureissen? Antwort zu 6: Ein Planungserfordernis ist kein eigenständiger Belang (es gibt keine strikte Planungspflicht), sondern erst eine Folge des Umstands, dass ein Vorhaben in Bezug auf seine Einordnung in seine Umgebung bestimmte - zu benennende - Probleme aufwirft. Allein der Abriss eines Gebäudes löst in diesem Zusammenhang nicht per se ein Planungserfordernis aus. Die Entwicklung des Areals liegt in der Zuständigkeit des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Frage 7: Welche Kenntnisse hat der Senat über Bestands- und Angebotsmieten, durchschnittliche Einkommen, Mietenbelastung und Verdrängungsprozesse in den sozialen Erhaltungsgebieten rund um den Hermannplatz (Graefestraße, Reuterplatz, Flughafenstraße/Donaustraße, Urbanhafen/Südstern, Luisenstadt/Segitzdamm, Luisenstadt, Hertzbergplatz/Treptower Straße, Rixdorf, Körnerpark und Schillerpromenade)? Antwort zu 7: Der Senat kann nur für die angesprochenen Neuköllner Gebiete (Reuterplatz, Flughafenstraße/Donaustraße, Rixdorf, Körnerpark und Schillerpromenade) antworten. Im Rahmen der 2014/2015 erfolgten Voruntersuchungen zu sozialen Erhaltungsgebieten wurden folgende Daten erhoben: Bestands- und Angebotsmieten: Während der Anstieg in Berlin knapp 3,00 Euro/qm betrug, lag er in den Erhaltungsgebieten Neuköllns im Zeitraum von 2008 bis 2015 mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 4,00 bis 5,00 Euro/qm deutlich höher. Alle mittleren Angebotsmietpreise lagen oberhalb des Berliner Medians von 8,80 Euro/qm zwischen ca. 9,00 und 10,00 Euro/qm. Durchschnittliche Einkommen: Der Bezirk Neukölln wies mit 1.550,00 Euro das niedrigste Netto-Haushaltseinkommen aller Berliner Bezirke auf. Mietbelastung: Einkommensgruppen bis 1.000,00 Euro monatlichem Nettoeinkommen haben über die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufgewendet und hatten damit einen geringen Spielraum für Mietpreiserhöhungen. Selbst Haushalte mit einem Nettoeinkommen von bis zu 2.500,00 Euro hatten eine durchschnittliche Warmmietbelastung von mindestens 30 %. Frage 8: Welche Kenntnisse hat der Senat über die Entwicklung am Gewerbemietmarkt in Kreuzberg und Neukölln? Sind dem Senat Probleme (Mieten, Verdrängung, etc.) kleiner Gewerbetreibender, sozialer und kultureller Einrichtungen in besagten Gebieten bekannt? Wenn ja, welche? 4 Antwort zu 8: Aus Gesprächen mit Gewerbetreibenden aus dem Bezirk Neukölln ist dem Senat bekannt, dass Mieten bei Vertragsverlängerungen sowie bei Neuabschlüssen regelmäßig angehoben werden, allerdings liegen hierzu keine validen Daten zu Steigerungsraten vor. Frage 9: Welche Risiken sieht der Senat für den Erhalt von Arbeitsplätzen bei Karstadt am Hermannplatz, wenn das Gebäude abgerissen und in vermutlich mehr als fünf Jahren ein neues Gebäude aufgebaut wird? Hält es der Senat für realistisch, dass nach 5-8 Jahren Karstadt wieder neu in das Gebäude einzieht? Antwort zu 9: In den bisherigen Gesprächen des Bezirksamtes Neukölln mit den Vertreter/innen von SIGNA wurde signalisiert, dass in den geplanten Neubau der Multi-Use-Immobilie erneut Karstadt mit einer allerdings verringerten Fläche einziehen soll. Konkrete Pläne zur Umbauphase sind dem Senat bisher nicht bekannt. Unabhängig davon hat der Schutz von Arbeitsplätzen der betroffenen Beschäftigten bei Karstadt am Hermannplatz für den Senat hohe Priorität. Frage 10: Welche Belastungen sieht der Senat für die heutigen Anwohner*innen und Nutzer*innen des Hermannplatzes und der umliegenden Quartiere durch das Großprojekt und welche Gründe sprechen für bzw. gegen eine massive Umgestaltung des Standortes? Antwort zu 10: Bisher ist kein konkretes Nutzungskonzept vorgestellt worden; eine seriöse Bewertung des Vorhabens von SIGNA durch den Senat ist daher noch nicht möglich. Frage 11: Ist dem Senat bekannt, dass die Signa Gruppe zur Durchsetzung ihrer Investitionsvorhaben eigenfinanzierte und -konzipierte Bürgerbefragungen („Haushaltsbefragungen“) durchführt - so geschehen im italienischen Bozen, wo Signa laut Addendum massive öffentliche Kampagnen geführt hat, Gegner*innen mit Klagen überzogen und zum Schweigen gebracht hat, Politiker beeinflusst und eine „Pro-Benko-Partei“ gegründet hat, um ein anfänglich breit abgelehntes Großprojekt durchzusetzen? (https://www.addendum.org/benko/bozen/) Wie bewertet der Senat die Vertrauenswürdigkeit eines solchen Investors, wenn er vorgibt, eine Bürgerbeteiligung für sein Projekt zu planen? Antwort zu Frage 11: Dem Senat ist dieses Vorgehen nicht bekannt. Es steht ihm auch nicht zu, die Vertrauenswürdigkeit eines Investors öffentlich zu beurteilen. Eine Öffnung für die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner kann die Akzeptanz für eine Planung verbessern und Ideen aus der Bevölkerung für das Projekt nutzbar machen. Eine frühzeitige Information der Bürgerschaft über Planungsüberlegungen Privater ist daher grundsätzlich zu begrüßen. Frage 12: Ist dem Senat bekannt, dass die Signa auch rund um den Hermannplatz "Haushaltsbefragungen" durchführt? Wie bewertet der Senat solche "Beteiligungsformen", die von Investoren finanziert und durchgeführt werden? 5 Antwort zu Frage 12: Dem Senat liegen dazu keine Informationen vor. Generell ist es nicht unüblich, dass private Bauherren oder Investoren zu den von ihnen finanzierten Projekten auf eigene Kosten Bürgerbeteiligung mit selbstgewählten Formaten durchführen. In der Regel wird dies jedoch zwischen den wesentlichen Akteuren und mit den zuständigen Stellen der Verwaltung abgestimmt. Frage 13: Wie korrespondieren Beteiligungsformate von Investoren mit den Zielen des Senats im Bereich der öffentlichen Bürgerbeteiligung gemäss der neuen Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung und hält der Senat derartige Formate für eine Bereicherung der Bürgerbeteiligung? Antwort zu 13: Die vom Senat beschlossenen Leitlinien für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der räumlichen Stadtentwicklung sollen für alle öffentlichen Vorhaben der Hauptverwaltungsebene angewendet werden. Sie können auch durch die Bezirke angewendet werden. Private sollen dazu angehalten werden, die Leitlinien ebenfalls anzuwenden. Die Leitlinien regeln in ihren neun Grundsätzen Prinzipien des Umgangs miteinander und geben damit eine Richtschnur für das Handeln aller Beteiligten. Fünf mit den Leitlinien beschriebene Instrumente sollen die Umsetzung der Grundsätze ermöglichen. Dazu gehört auch die Erarbeitung eines Beteiligungskonzeptes für Vorhaben, bei denen Beteiligung erfolgen soll. In diesem Instrument ist beschrieben, welchen Anforderungen ein Beteiligungskonzept genügen soll. Frage 14: Ist der Senat der Ansicht, dass der von Signa geplante Retrobau am Hermannplatz, dessen Architektur sich an das Jahr 1928 anlehnt, ein gelungener städtebaulicher Beitrag zur aktuellen Berliner Zeitgeschichte ist, mit dem sich die umliegenden Bewohner*innen und Gewerbetreibenden identifizieren können? Entspricht das Vorhaben einem progressiven städtebaulichen Zeitgeist oder handelt es sich um eine „Verwüstung von Metropolen durch Immobilienspekulation“, der man dringend mit „Schadensbegrenzung“ begegnen müsse? (https://www.berliner-zeitung.de/kultur/joseph-vogl-ueber-berliner-immobilienmarkt--das-ist-einebereicherungsmaschine --33200090) Frage 15: Teilt der Senat aus städtebaulicher Sicht die Einschätzung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, dass der opulente Retrobau eher wie ein „Fremdkörper“ wirke, da es sich um einen „Monumentalbau“ mit „dominater Kubatur“ handele, der sich nicht in das umliegende Gebiet einpasse, (https://www.berlin.de/bafriedrichshain -kreuzberg/aktuelles/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.842018.php)? Wenn nein, bitte begründen. Antwort zu 14 und 15: Da es sich bei dem Bauvorhaben aus Sicht der zuständigen Bezirke um ein Vorhaben von wichtiger gestalterischer Bedeutung handelt, wurde bereits in einem sehr frühen Planungsstadium angefragt, ob das Projekt eine Beratung im Baukollegium zur städtebaulichen und architektonischen Qualität erhalten sollte. Diese Einschätzung teilt der Senat. Zu einer Anmeldung kam es noch nicht. Frage 16: Welchen Vorrang gegenüber Berliner Bürgerinnen und Bürgern räumt der Senat internationalen Investoren beim Berliner Städtebau ein, die allein aufgrund des Erwerbs von Grund und Boden und Immobilien zu Playern der Stadtpolitik werden und ihre Interessen der Stadt aufdrängen? Wie erklären sich Zustimmungen aus dem Senat zum Vorhaben von Signa am Hermannplatz, wenn bereits jetzt deutlich wird, dass sich im 6 Umfeld eine massive Gegenwehr gegen das Projekt Bahn bricht und auch der Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg das Projekt ablehnt? Antwort zu 16: Generell ist es im Rahmen von Stadtplanung üblich, mit Grundstückseignern und Vorhabenträgern einen Dialog über eine zukunftsfähige und qualitätsvolle Entwicklung eines Grundstücks / einer Immobilie zu führen. Im Rahmen des gesamten Planungsprozesses gilt es dabei immer, öffentliche und private Interessen abzuwägen. Berlin, den 16.10.19 In Vertretung Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen