Drucksache 18 / 21 153 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) vom 30. September 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Oktober 2019) zum Thema: Over the Edge: Ist das noch Städtebau oder kann das weg? und Antwort vom 17. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21153 vom 30. September 2019 über Over the Edge: Ist das noch Städtebau oder kann das weg? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft in Teilen Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigner Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat daher den Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg um eine Stellungnahme gebeten, die dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben. Frage 1: Wann hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg den Bauantrag der OVG Real Estate GmbH zum Bau des 140 Meter hohen Bürohochhauses „Edge East Side“ am S-Bahnhof Warschauer Straße – höher als jedes andere bereits errichtete Hochhaus in Berlin – bewilligt? Antwort zu 1: Die Baugenehmigung wurde am 2. September 2019 erteilt. Frage 2: In welchem Jahr ist von wem die Bauvoranfrage gestellt worden und wann ist der Bauvorbescheid ergangen? Antwort zu 2: Es hat weder eine Bauvoranfrage, noch einen Bauvorbescheid zu diesem Projekt gegeben. Grundlage der Baugenehmigung ist der gültige Bebauungsplan V-3 aus dem Jahre 2004, der auf dem betreffenden Baufeld ein Hochhaus von der Höhe des genehmigten Hochhauses vorsieht. 2 Frage 3: Wann wurde der Bauantrag von wem gestellt? Antwort zu 3: Der Bauantrag wurde am 19.03.2019 eingereicht. Antragsteller ist: Della S.à.r.l., Luxembourg. Frage 4: Wann wurde das Grundstück mit Baugenehmigung an das Joint Venture aus Allianz Real Estate und Universal Investment verkauft und wann wusste das Bezirksamt von dem Weiterverkauf? Antwort zu 4: Der Bezirk teilt dazu mit: „Der Weiterverkauf erfolgte (laut Pressemeldungen) nach Erteilung der Baugenehmigung und war für das Genehmigungsverfahren unerheblich. Von Details zum Weiterverkauf hat die Bauaufsicht keine Kenntnis.“ Frage 5: Welche Erkenntnisse haben das Bezirksamt und der Senat zum Käufer des Grundstücks im Rahmen einer Equity-Transaktion, bei der die Allianz Real Estate das Asset erwirbt und verwaltet, an der ein institutioneller Drittinvestor an der Seite der Allianz Real Estate beteiligt ist: als Assetmanager für einen Fonds der Bayrischen Versorgungskasse die Universal-Investment-Gesellschaft mbH, Frankfurt am Main, die eine 100%ige Tochter hält, die Universal-Investment-Luxembourg S.A. in 6776 Grevenmacher, Luxemburg, die wiederum als deren Eigentümer die Montagu Private Equity LLP ausweist, registriert in London Riverside, London, SE1 2AP.? Antwort zu 5: Der Bezirk wurde angefragt. In der Kürze der Zeit konnte eine Zulieferung nicht erfolgen. Frage 6: Wer ist als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen? Antwort zu 6: Della S.à.r.l. Frage 7: Hat der Käufer des Grundstücks mit Baurecht für ein Hochhaus mit einer Investition von rund 400 Mio. Euro Grunderwerbsteuer an das Land Berlin abgeführt; wenn nein, wie positioniert sich der Senat zu diesem Vorgang? Frage 8: Hat der Verkäufer mit den Erträgen aus kurzfristigen Wertsteigerungen spekuliert und die Einnahmen gemäß Spekulationssteuer versteuert oder hat er die Haltefrist von mindestens 10 Jahren eingehalten? Falls ersteres: Wie hoch ist die Einnahme für das Land Berlin aus diesem Grundstücksverkauf durch die Spekulationssteuer? Antwort zu 7 und 8: Eine Antwort ist aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht möglich. Frage 9: Warum wurde der Antrag durch das Bezirksamt bereits zum jetzigen Zeitpunkt beschieden und nicht – bei einem Projekt von solch stadtprägender Bedeutung – aufgeschoben, bis ein konsensuales Votum aus dem 3 Baukollegium vorliegt, wodurch nun die Empfehlungen des Baukollegiums, die an das Bezirksamt und an den Bauherrn gerichtet werden, zu den weiteren Beratungsterminen faktisch ins Leere laufen, weil die Bauunterlagen bereits eingereicht und beschieden sind? Antwort zu 9: Die Behandlung des Bauantrags ist in §69 Bauordnung Berlin gesetzlich vorgeschrieben. Dort sind auch die Bearbeitungsfristen des Bezirksamts verbindlich geregelt. Der Antragstellende hat einen Rechtsanspruch auf die fristgerechte Bearbeitung seines Bauantrags. Ein „Warten“ auf das Baukollegium ist in der Bauordnung Berlin nicht vorgesehen. Frage 10: Welche Gründe liegen für die ablehnende Haltung des Baukollegiums zu den vorgelegten Plänen vor? Antwort zu 10: Nach viermaliger Beratung im Baukollegium konnte die vorgeschlagene Überarbeitung des Entwurfes für den Sockelbereich und die Umgebungsgestaltung des EDGE an der Warschauer Brücke das Baukollegium weiterhin nicht überzeugen. Die strukturelle Frage zum Konstruktionsraster, Rhythmus der Stützen und Träger wurden nicht angemessen bearbeitet. Das zu Beginn vorgegebene Thema „Rough & Wild“ zur besseren Integration des Hochhauses im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde nicht adäquat umgesetzt. Die Deckenuntersichten der Spirale, die Bekleidung der Tragkonstruktion mit dekorativen, eingefärbten Betonstrukturplatten und die Pflanzgitter und -roste konnten nicht überzeugen. Zum Gesamtentwurf hatte sich das Baukollegium ja auch bereits in den vorangegangenen Sitzungen geäußert. Die weitere Verantwortung der Qualifizierung liegt nunmehr bei den Vorhabenträgern. Frage 11: Warum war das Architekturbüro Bjarke Ingels Group (BIG) selbst nach vier Sitzungen des Baukollegiums nicht imstande, akzeptable Pläne vorzulegen? Antwort zu Frage 11: Offensichtlich gab es ein grundlegendes Verständigungsproblem zwischen Baukollegium, dem Vorhabenträger und den Architekten. Trotz wiederholter Bitte des Baukollegiums, aussagekräftige Grundrisse und Konstruktionsdetails vorzulegen, konnte in der letzten Sitzung wiederum lediglich anhand von weiteren Renderings diskutiert werden. Frage 12: Welche Überarbeitungsvorschläge hat das Baukollegium den planenden Architekten unterbreitet? Antwort zu Frage 12: Da kein stimmiges Konzept des Vorhabens zu erkennen war, konnte das Baukollegium in dieser Sitzung keine Empfehlungen aussprechen. Frage 13: Wie hat das Bezirksamt auf die wiederholte Ablehnung des Projektes durch das Baukollegium reagiert? 4 Antwort zu 13: siehe Antwort zu Frage 9. Das Votum des Baukollegiums ist nach der derzeitigen Rechtslage nicht Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren. Frage 14: Welche Möglichkeit hat der Bezirk nun, die Bevölkerung vor einer Banalität im Städtebau, die für mindestens mehrere Jahrzehnte in Beton und Bleche gemeißelt ist, zu bewahren? Antwort zu 14: Der Bezirk teilt Folgendes mit: „Das Bezirksamt schlägt vor, dass die beiden Vertragsparteien des Städtebaulichen Vertrages, Senatsverwaltung und Bezirk, vom Eigentümer die Erfüllung des Städtebaulichen Vertrags verlangen. Dann müsste ein neuer Wettbewerb durchgeführt werden, idealerweise gemäß der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW), um eine qualitätvolle und überzeugende Gestaltung dieses prominenten Stadtbausteins sicherzustellen.“ Der Senat prüft derzeit, ob der städtebauliche Vertrag eine rechtliche Grundlage für ein solches Vorgehen bildet. Frage 15: Welchen Nutzen wird das Hochhaus für den Bezirk und die Stadt haben? Welche Probleme bringt ein solcher Fremdkörper als räumliche Fortführung der städtbaulichen Verwüstungen rund um den Mercedes- Benz-Platz mit sich? Antwort zu 15: Die städtebaulichen Ziele und Rahmenbedingungen wurden im Rahmen des B-Plan- Verfahrens V-3 definiert, von allen zuständigen Fachdisziplinen geprüft und veröffentlicht. Die Platzierung des Hochhauses verfolgt bestimmte städtebauliche Ziele, die im Einzelnen der Begründung des B-Plans V-3 entnommen werden können. Frage 16: Auf welche weiteren Großbaustellen müssen sich die Bewohner*innen zwischen S-Bahn und Spree in den nächsten Jahren einstellen? Aus welchen Jahren stammt jeweils das Baurecht und wer waren die politisch Verantwortlichen? Antwort zu 16: Die geplante Bebauung des Areals ist im gültigen Bebauungsplan V-3 veröffentlicht. Frage 17: Welche gesetzlichen Anforderungen gelten für die Gestaltung von Hochhäusern? Wie kann man das Erfordernis einer qualifizierten Gestaltung von Hochhausvorhaben z.B. im Zuge von Baugenehmigungsverfahren regeln? Antwort zu 17: Bauordnungsrechtlich erfolgt eine Beurteilung der Gestaltung anhand von § 9 BauO Bln, wonach bauliche Anlagen nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so zu gestalteteten sind, dass sie nicht verunstaltend 5 wirken. Außerdem formuliert das sich zur Zeit in Bearbeitung befindliche Hochhausleitbild Anforderungen und qualitätssichernde Prozesse für Hochhausplanungen. Berlin, den 17.10.19 In Vertretung Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen