Drucksache 18 / 21 199 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 07. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Oktober 2019) zum Thema: Gewaltschutzambulanz – Auslastung und Konzeption und Antwort vom 18. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Okt. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21199 vom 7. Oktober 2019 über Gewaltschutzambulanz - Auslastung und Konzeption ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bitte geben Sie an, wie viele Terminvereinbarungen in 2018 und soweit schon möglich in 2019 in der sogenannten Gewaltschutzambulanz ausgemacht wurden? Wie viele davon wurden wahrgenommen? Bei wie vielen erfolgte zudem eine Sicherung gerichtsverwertbarer Spuren? Zu 1.: Von der Gewaltschutzambulanz (GSA) wurden diesbezüglich folgende Zahlen mitgeteilt: Im Jahr 2018 kontaktierten insgesamt 1381 Personen die GSA. Davon berichteten 777 Personen von sichtbaren Verletzungen und erhielten einen Termin. 604 Personen ohne sichtbare Verletzungen wurden an einen entsprechenden Ansprechpartner (z. B. Krisendienst , BIG-Hotline, Lara, Opferhilfe etc.) weitervermittelt. Von den 777 vereinbarten Terminen wurden 692 wahrgenommen. In den übrigen Fällen sind die Personen nicht zur Untersuchung erschienen. Für das Jahr 2019 liegt bislang lediglich die Auswertung der Zahlen für das 1. Halbjahr vor. Danach haben sich 689 Personen an die GSA gewandt. Davon berichteten 343 Personen von sichtbaren Verletzungen und erhielten einen Termin. 346 Personen ohne sichtbare Verletzungen wurden an einen entsprechenden Ansprechpartner (z. B. Krisendienst, BIG-Hotline, Lara, Opferhilfe etc.) weitervermittelt. Von den 343 vereinbarten Terminen wurden 308 wahrgenommen. In den übrigen Fällen sind die Personen nicht zur Untersuchung erschienen. Bei allen wahrgenommenen Terminen erfolgt eine rechtsmedizinische Dokumentation sowie eine fotografische Sicherung der Verletzungen. Eine Sicherung von DNA-Spuren erfolgt dagegen lediglich in Fällen von sexualisierter Gewalt im Rahmen einer Untersuchung nach polizeilicher Anzeige oder im Rahmen einer vertraulichen Spurensicherung. Im Jahr 2018 wurden in 61 Fällen DNA-Spuren gesichert. Im Jahr 2019 wurden im 1. Halbjahr in 25 Fällen DNA-Spuren gesichert. 2 2. In wie vielen Fällen wurden bisher die gesicherten Beweise von Gerichten angefordert? Bitte pro Jahr angeben. Zu 2.: In Berlin fordern nicht die Gerichte, sondern die Polizei die rechtsmedizinischen Dokumentationen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens an. Von der GSA wurden folgende Zahlen mitgeteilt: Rechtsmedizinischen Dokumentationen wurden im Jahr 2018 in 450 Fällen und im 1. Halbjahr 2019 in 201 Fällen angefordert. 3. Inwieweit findet im Zusammenhang mit der gerichtsmedizinischen Untersuchung und der Spurensicherung auch eine Beratung der betroffenen Person hinsichtlich der möglichen Verwendung der Beweise im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens statt? Zu 3. Eine rechtliche Beratung der Gewaltopfer darf durch die Ärztinnen und Ärzte der GSA nicht stattfinden, da diese ansonsten Gefahr laufen, ihre Funktion als unabhängige Sachverständige in einem eventuellen Strafverfahren nicht mehr wahrnehmen zu können. In jedem Fall erfolgt zur Klärung dieser und anderer Fragen jedoch die Empfehlung an eine psychosoziale Beratungseinrichtung und auf Wunsch oder bei Bedarf auch die Organisation einer polizeilichen Strafanzeige bzw. einer kostenlosen Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in den Räumen der GSA. 4. In wie vielen Fällen erfolgte eine Beratung in Bezug auf weiterführende Hilfemaßnahmen und Unterstützungsangebote ? Bitte pro Jahr angeben. Zu 4.: Im Rahmen jeder rechtsmedizinischen Untersuchung erfolgt eine Beratung zu einem oder mehreren geeigneten weiteren Hilfs- und Unterstützungsangeboten, die Herausgabe von Informationsmaterial sowie auf Wunsch eine Terminvereinbarung in den dortigen Einrichtungen. Bei Bedarf wird im Anschluss an die Untersuchung in den Räumen der GSA zudem eine Beratung durch die BIG-Hotline oder die Opferhilfe e.V. organisiert. Dies erfolgte laut GSA im Jahr 2018 - wie zu 1. gesehen - in 692 Fällen und im 1. Halbjahr 2019 in 308 Fällen. 5. In wie vielen Fällen hat eine Vermittlung in weiterführende Hilfemaßnahmen und Unterstützungsangebote stattgefunden? Bitte pro Jahr angeben. Zu 5.: Nach Angaben der GSA wurde im Jahr 2018 die zu 4. beschriebene Terminvereinbarung in den Einrichtungen weiterer Hilfsangebote sowie die Inhouse-Beratung von 246 Gewaltopfern in Anspruch genommen. Im 1. Halbjahr 2019 nahmen 144 Gewaltopfer dieses Angebot war. 6. Wie häufig ist es bisher vorgekommen, dass Personen die sogenannte Gewaltschutzambulanz mehrfach aufsuchen mussten, um wiederholt stattgefundene Gewalt dokumentieren zu lassen? Zu 6.: Wie oft einzelne Patienten in der GSA vorstellig werden, wird statistisch nicht erfasst . Gerade im Bereich von häuslicher Gewalt ist es laut GSA jedoch wiederholt vorgekommen , das Gewaltopfer mehrfach Verletzungen dokumentieren ließen. 7. In wie vielen Fällen erfolgte eine gerichtsverwertbare Spurensicherung durch einen mobilen Einsatz der sogenannten Gewaltschutzambulanz? Bitte pro Jahr angeben. Zu 7.: Gemäß der Angaben der GSA erfolgten im Jahr 2018 127 Untersuchungen außerhalb der GSA (z. B. in Berliner Kliniken und Frauenberatungsstellen). Im 1. Halbjahr 2019 waren es 45 Fälle. 8. Wie wird dieser mobile Dienst aktuell organisiert? Wie ist er personell ausgestattet und zu welchen Zeiten steht er zur Verfügung? 3 Zu 8.: Der mobile Dienst der GSA wird wie alle anderen Termine in der GSA über das Sekretariat der GSA organisiert. Er steht montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr zur Verfügung. Er wird in Abhängigkeit der Fallkonstellation (z. B. Kind, Gewaltform etc.) von allen Fachärztinnen und Fachärtzen sowie Assistenzärztinnen und Assistenzärzten bedient. Die Einteilung erfolgt durch die stellvertretende ärztliche Leiterin. 9. Ist geplant, den mobilen Dienst der sogenannten Gewaltschutzambulanz auszubauen bzw. dezentrale Strukturen zu entwickeln, so dass eine gerichtsverwertbare Spurensicherung berlinweit in den Rettungsstellen vorgenommen werden kann? Zu 9.: Ein Ausbau der Gewaltschutzambulanz bzw. der Aufbau von dezentralen Strukturen ist aufgrund begrenzter personeller Kapazitäten derzeit nicht möglich. Da es sich bei der Rechtsmedizin um einen sehr kleinen medizinischen Fachbereich handelt und die GSA aufgrund ihrer jährlichen Zuwendungsfinanzierung kein attraktiver Arbeitgeber ist, war eine Anwerbung von weiteren Fachärztinnen und Fachärzte in der Vergangenheit nicht erfolgreich , so dass eine Ausbildung von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten in der GSA in Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin erfolgen muss. Anbindungen von GSA-Außenstellen an andere Kliniken sind nicht möglich, da lediglich die Charité – Universitätsmedizin Berlin den Fachbereich der Rechtsmedizin vorhält. Das gesamte Konzept der GSA fußt auf der Untersuchung von Gewaltopfern durch Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner, sodass die Durchführung der GSA-Untersuchungen durch andere medizinische Fachrichtungen nicht geplant ist. 10. Wie hoch ist der Anteil an Minderjährigen, die die sogenannte Gewaltschutzambulanz aufsuchen? Zu 10.: Nach der Angaben der GSA machten im Jahr 2018 Minderjährige 13 % und im 1. Halbjahr 2019 ebenfalls 13 % der Gewaltbetroffenen in der GSA aus. 11. Wie wird bei diesen eine vertrauliche, von den Sorgeberechtigten unabhängige Versorgung gewährleistet ? Zu 11.: Eine vertrauliche, von den Sorgeberechtigten unabhängige rechtsmedizinische Untersuchung und Dokumentation von Minderjährigen findet in der GSA nicht statt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind die GSA sowie die fünf Berliner Kinderschutzambulanzen gehalten, eine Untersuchung von Minderjährigen lediglich nach schriftlicher Einverständniserklärung aller Sorgeberechtigten oder im Rahmen einer Inobhutnahme durch die Wächterämter durchzuführen. Diese Verfahrensweise soll die Verwertbarkeit der erhobenen Befunde im Rahmen eines eventuellen Familien- und/oder Strafgerichtsverfahrens sicherstellen. Berlin, den 18. Oktober 2019 In Vertretung Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung