Drucksache 18 / 21 269 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 14. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Oktober 2019) zum Thema: Schulfrieden☮ und Antwort vom 29. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. November 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21269 vom 14. Oktober 2019 über Schulfrieden ☮ ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: In der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) zum Thema: Die De-Säkularisierung der Klassenzimmer Drucksache 18/20843 antwortet der Senat auf die Frage: 2.) "Erkennt der Senat einen zunehmenden Unwillen unter Berliner Lehrkräften, das Eindringen der Religion in den schulischen Raum mitzutragen?" Zu 2.): Nein. Bereits ab 2009 stellte der Ethnologe Werner Schiffauer fest, dass es innerhalb der Lehrerschaft einer von ihm untersuchten Kreuzberger Schule unterschiedliche Meinungen darüber gäbe, was "Staatlichkeit", "Nationalität " und "Säkularismus" bedeuteten und wie sie jeweils in Beziehung zueinander zu setzen seien; es bestünde aber Konsens unter den Lehrern, dass sich der Bildungsauftrag der Schule aus ihrer Identität als einer staatlichen, nationalen und säkularen Institution ableite: "Alle Lehrer, mit denen wir im Projekt ["Brücken im Kiez"] zusammenkamen, sahen in der säkularen Ausrichtung der Schule einen Wert an sich: Säkularismus wurde von allen als Voraussetzung für Werte wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Pluralismus und Emanzipation verstanden, während religiöse Bindung mit der "selbstverschuldeten Unmündigkeit " Kants assoziiert wurde." [Schiffauer, Werner: Schule, Moschee, Elternhaus. Eine ethnologische Intervention. Berlin 2015, S. 104- 109.] Ich frage den Senat: 1.) Schiffauer S. 113 machte unter der Lehrerschaft zwei zueinander querstehende Differenzlinien aus: einerseits unterscheide sich hier der pragmatische von einem prinzipiellen Nationalismus, andererseits stünden sich "republikanischer" und ein eher "dialektischer" Säkularismus wie folgt gegenüber: - -2 Gruppe I: Skepsis gegenüber Kooperation mit religiösen Gemeinden. Gruppe II: Bejahung der Kooperation mit säkularen/liberalen Muslimen. Gruppe III Bejahung der Kooperation mit Kirchen, aber nicht mit islamischen Gemeinschaften. Gruppe IV: Duldung der Kooperation auch mit islamischen Gemeinschaften. Während die religionspolitische Sprecherin der "Grünen", Frau Jarasch, die Position der Gruppe IV vertritt, nimmt die "Landesarbeitsgemeinschaft der Säkularen Grünen Berlin" Position I ein. Widerspricht der Senat der Beobachtung, dass es unter Berliner Lehrern und Elternvertretern ähnlich weit auseinanderliegende Positionen gibt? Zu 1.: Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich an Spekulationen über Einstellungen von Lehrkräften und anderen Personen zu beteiligen. 2.) Schiffauers Projekt ["Brücken im Kiez"] bemühte sich darum, islamische Gemeinden stärker in die Schularbeit miteinzubeziehen; dieses Anliegen wurde aber von einem Teil der Lehrerschaft zumindest passiv unterlaufen . Schiffauer bemerkt dazu auf S. 132: "Es ist nur ein Teil des Kollegiums, das sich mit wohlwollender Duldung durch die Schulleitung in einer bestimmten Sache engagiert." Welchen Einfluss hätte die rechtliche Stärkung der Position IV im Zuge der Abschaffung des Neutralitätsgesetzes auf die Einstellung der Gruppen I,II und III gegenüber Politik, Verwaltung und schulischem Umfeld? Zu 2.: Das Neutralitätsgesetz ist geltendes Recht. Der Senat bezweifelt nicht, dass die Bediensteten des Landes Berlin Gesetze und Vorschriften respektieren und umsetzen. 3.) Schiffauer stellt auf S. 133 folgendes fest: "Die Akteure verbindet zwar das abstrakte Interesse am "Wohl der Kinder", allerdings gibt es durchaus konkurrierende Meinungen darüber wie dieses Wohl definiert werden sollte. Von Freiwilligkeit, Vertrauen und Respekt konnte bei bestem Willen nicht die Rede sein. Im Gegenteil : Die beteiligten Akteursgruppen fühlten sich über die Restschule zwangsvergemeinschaftet. Die Lehrer hätten es am liebsten mit anderen Elternhäusern und Schülern, die Eltern und Schüler mit anderen Lehrern zu tun gehabt." Ist der Senat der Ansicht, daß sich die obige, lange vor 2015 beobachtete Gesamtsituation an den sogenannten "Brennpunktschulen" inzwischen entspannt hat? Zu 3.: Der Senat ist nicht der Ansicht, dass die in dem Zitat wiedergegebenen Aussagen von einzelnen Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern eine zutreffende Beschreibung der Situation an den Schulen in Berlin darstellen. 4.) Laut Schiffauer S. 246 fasste eine Schulleiterin ihre Gefühle folgendermaßen zusammen: "Als dann die Forderung aufgestellt wurde, dass die Lehrer auf Klassenfahrten nicht mehr rauchen und trinken dürfen dachte ich: Das geht mir zu weit, dass wir uns so weit anpassen sollen." Gibt es Erhebungen über die Haltung Berliner Lehrer zum geplanten Neutralitätsgesetz? - -3 Zu 4.: Es ist kein Neutralitätsgesetz „geplant“, da es seit dem 27. Januar 2005 geltendes Recht ist (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 61. Jahrgang, Nr. 4 vom 8. Februar 2005). Berlin, den 29. Oktober 2019 In Vertretung Beate Stoffers Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie