Drucksache 18 / 21 302 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm (LINKE) vom 18. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Oktober 2019) zum Thema: Antisemitische Kundgebung „zur Palästina-Frage“ am Brandenburger Tor am 25. September 2019 und Antwort vom 06. Nov. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21302 vom 18. Oktober 2019 über Antisemitische Kundgebung „zur Palästina-Frage“ am Brandenburger Tor am 25. September 2019 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Teilnehmer*innen der Kundgebung am 25. September 2019 am Brandenburger Tor wurden von der Polizei registriert? Zu 1.: Im Gesamtverlauf der Kundgebung konnte eine Anzahl von Teilnehmenden im mittleren dreistelligen Bereich festgestellt werden. 2. Wie viele Teilnehmer*innen registrierte die Polizei bei den Gegenprotesten? Zu 2.: Im Rahmen der Gegenkundgebung „Support Israel“ konnte eine Anzahl von Teilnehmenden im unteren zweistelligen Bereich festgestellt werden. 3. Welche Organisationen riefen zu der Kundgebung am Brandenburger Tor auf welchen verschiedenen Mobilisierungswegen und wann jeweils auf? Zu 3.: Im Rahmen einer kursorischen Sichtung der sozialen Medien wurde am 24. September 2019 auf der Internetplattform Facebook eine Mobilisierung seit dem 21. September 2019 durch die Organisation „Herren der Erde“ festgestellt. 4. Wie bewertet der Senat, dass die Musik der beiden antisemitischen Rapper Al-Bourini und Al- Najjar trotz eines Auftrittsverbots zwar nicht durch einen Auftritt der beiden Rapper erfolgte, aber dennoch über Lautsprecher abgespielt wurde und gab es aus welchen Gründen Bestrebungen, die Wiedergabe ihrer Musik zu unterbinden? Seite 2 von 5 Zu 4.: Im Verlauf der Kundgebung wurde das Abspielen eines Musikbeitrages unterbunden, welcher durch Mitarbeitende des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Ausländerbehörde) zunächst als rechtlich unzulässig bewertet worden war. Eine nachfolgende Überprüfung unter Zuhilfenahme des eingesetzten Dolmetschers ergab, dass es sich jedoch lediglich um ein musikalisch ähnlich klingendes Musikstück handelte, welches keine strafrechtliche Relevanz entfaltete. Darüber hinausgehende Feststellungen konnten nicht getroffen werden. In Deutschland unterliegen nur einzelne Werke der in Rede stehenden Künstler einem Veröffentlichungsverbot, welches auch regelmäßig Gegenstand von Auflagenbescheiden ist. 5. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Vergabe von Schengenvisa an die beiden Rapper und deren Einreise und aufgrund welcher Tatsachen wurde ihnen ein politisches Betätigungsverbot erteilt? Zu 5.: Nach Kenntnis des Senats reisten die beiden Personen mit Visa der deutschen Auslandsvertretung in Ramallah ein. Zu den Umständen der Vergabe der Visa hat der Senat keine Kenntnis, da dies in der Zuständigkeit der deutschen Auslandsvertretung liegt. Grundlage für die ausgesprochenen politischen Betätigungsverbote waren über das Internet recherchierte Erkenntnisse, insbesondere das Bekanntwerden eines Liedes der beiden Personen. 6. Durch welche Organisationen wurde der Auftritt der beiden antisemitischen Rapper angemeldet? Zu 6.: Durch eine Einzelperson wurde am 18. September 2019 im Namen der Organisation „Herren der Erde“ über die Internetwache der Polizei Berlin für den 25. September 2019 eine Kundgebung zum Thema „Palästina-Frage“ angemeldet. Diese sollte auch einen „musik-kulturellen“ Anteil haben. Die beabsichtigte Teilnahme der beiden palästinensischen Musiker wurde erst im späteren Verlauf bekannt. 7. Welche konkreten Auflagen haben die Anmelder*innen der Kundgebung am Brandenburger Tor vorab bekommen? (Bitte im einzelnen Wortlaut widergeben.) Zu 7.: Mit Bescheid vom 25. September 2019 wurden dem Anmelder und Versammlungsleiter durch die Versammlungsbehörde folgende Auflagen mitgeteilt: 1. Es ist untersagt, Gewalttaten, die darauf gerichtet waren oder sind, Menschen zu töten, zu verletzen oder zu entführen, in Wort, Bild oder Schrift zu verherrlichen oder gutzuheißen bzw. zu solchen Taten aufzufordern. Untersagt sind das Rufen/Aussprechen und Darstellen von Parolen, die gegenüber Teilen oder Einzelnen einer ethnischen oder religiösen Gruppe ehrverletzend sind, zum Hass aufrufen bzw. die Menschenwürde Anderer beeinträchtigen sowie diffamierende Äußerungen. Seite 3 von 5 2. Des Weiteren ist untersagt, während der Dauer der Versammlung Gegenstände - insbesondere Fahnen, Puppen und ähnliche Gegenstände - im öffentlichen Verkehrsraum zu verbrennen. 3. Die Auflagen zu 1. und 2. sind den Teilnehmenden zu Beginn der Versammlung – bei Erforderlichkeit auch wiederholt während der Versammlung– in deutscher und arabischer Sprache bekannt zu geben. 8. Wurden vor Beginn der Veranstaltung Flaggen, Transparente oder Banner und deren Inhalte durch Übersetzer*innen überprüft? Wenn ja, wie viele und aufgrund welchen Inhalts wurden diese ggf. beschlagnahmt? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 8.: Flaggen, Transparente und Banner wurden durch die eingesetzten Polizeidienstkräfte mit Unterstützung eines Dolmetschers überprüft. Die Gesamtanzahl wurde nicht erhoben. Rechtlich zu beanstandende Inhalte wurden nicht festgestellt. Es erfolgten keine Sicherstellungen oder Beschlagnahmen. 9. Welche strafbaren Inhalte konnte die Polizei in Bezug auf die im Vorfeld der Kundgebung getätigten Aufrufe zu der Demonstration feststellen und welche polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 9.: Es wurden im Vorfeld keine Aufrufe mit strafrechtlich relevanten Inhalten im Rahmen der kursorischen Sichtung der sozialen Medien festgestellt. 10. Welche Organisationen waren auf der Kundgebung „Zur Palästina Frage“ vor dem Brandenburger Tor beteiligt? Zu 10.: Über die für die Anmeldung der Kundgebung verantwortliche Institution „Herren der Erde“ hinaus, liegen keine Erkenntnisse über die Beteiligung weiterer Organisationen an der Veranstaltung vor. 11. Aufgrund welcher Voraussetzungen konnte die Kundgebung am Brandenburger Tor und damit unweit vom Denkmal für die ermordeten Juden Europas stattfinden? Zu 11.: Bei den direkt anliegenden Bereichen Platz des 18. März und Pariser Platz handelt es sich um öffentliches Straßenland. Sie sind grundsätzlich für die Durchführung von Versammlungen nach Artikel 8 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit §§ 1, 14 Versammlungsgesetz (VersG) geeignet. Besondere Maßgaben, wie zum Beispiel das Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes (BefBezG), gelten hier nicht. Bei den genannten Plätzen handelt es sich ebenfalls nicht um besonders geschützte Bereiche nach § 15 Absatz 2 VersG und dem dazu ergangenen Gesetz zum Schutz von Gedenkstätten, die an die Opfer der Seite 4 von 5 menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnern (Gedenkstättenschutzgesetz). 12. Mit welchen polizeilichen Maßnahmen wurde im Verlauf der Kundgebung die Einhaltung der erteilten Auflagen sichergestellt? Zu 12.: Durch unmittelbar an der Kundgebung eingesetzte Polizeidienstkräfte sowie durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers für den gesamten Kundgebungszeitraum wurde die Einhaltung der Auflagen sichergestellt. 13. Mit welchen polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld der Kundgebung (z.B. Vorkontrollen von Flaggen und Plakaten) wurde die Einhaltung der erteilten Auflagen sichergestellt? Zu 13.: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. Darüber hinaus fanden verdachtsabhängige Kontrollen statt. 14. Wie viele Verstöße gegen die Auflagen wurden im Vorfeld oder im Verlauf der Demonstration festgestellt? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 14.: Im Verlauf der Kundgebung konnte ein Auflagenverstoß durch einen Teilnehmenden festgestellt werden. 15. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Sicherstellung von Waffen im Rahmen der Kundgebung? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Waffen, Anzahl, eingeleiteten Ermittlungsverfahren/ Rechtsnormen, gegen die verstoßen wurde.) Zu 15.: Im Rahmen der Kundgebung konnten folgende Verstöße durch das Mitführen von Waffen und sonstigen Gegenständen festgestellt werden: Art der Waffe Anzahl Betroffene Rechtsnormen Einhandmesser 1 Versammlungsgesetz (VersG)Waffengesetz (WaffG) Cutter-Messer 2 Versammlungsgesetz (VersG) Pfefferspray 2 Versammlungsgesetz (VersG)Waffengesetz (WaffG) Klingenmesser 1 Versammlungsgesetz (VersG)Waffengesetz (WaffG) 16. Welche Kenntnisse hat der Senat über das Zeigen von Kennzeichen, Symbolen oder Emblemen der Organisation Hizbollah oder Bildnisse ihrer Funktionär*innen auf der Kundgebung? Welche polizeilichen Maßnahmen wurden darauf ergriffen? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Seite 5 von 5 17. Welche Kenntnisse hat der Senat über das Zeigen von Kennzeichen, Symbolen oder Emblemen der Organisationen Hamas, Fatah und militanten Ablegern der Organisationen oder Bildnissen ihrer Funktionär*innen auf der Kundgebung? Wurden daraufhin polizeiliche Maßnahmen ergriffen? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) 18. Welche Kenntnisse hat der Senat über antisemitische Äußerungen in Bezug auf Jüdinnen und Juden oder den Staat Israel und dessen Existenz? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) 19. Welche Kenntnisse hat der Senat über sonstige strafrechtlich relevante Parolen und Banner in Bezug auf Tatbestandsvoraussetzungen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB)? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 16., 17., 18. und 19.: Es liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Anfrage vor. 20. Welche Kenntnisse hat der Senat über weitere Ausschreitungen, rechtswidrige Äußerungen oder sonstige Straftaten nach Beendigung der Demonstration von Seiten der Teilnehmer*innen? (Bitte einzeln nach Delikt, Uhrzeit, Ort aufschlüsseln.) Zu 20.: Kurz nach dem Ende der Kundgebung konnte eine Gruppe von etwa 20 ehemaligen Teilnehmenden am Ort festgestellt werden, die ein von der Versammlungsbehörde im Vorfeld beauflagtes bzw. verbotenes Lied anstimmten. Nach einer Verifizierung durch den polizeilich beauftragten Dolmetscher konnte das weitere Absingen unterbunden und die vorsingende Person festgestellt und identifiziert werden. Delikt Uhrzeit Ort Öffentliche Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB 19:05 Uhr 10117, Berlin Mitte, Pariser Platz Berlin, den 06.November 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport