Drucksache 18 / 21 310 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 16. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Oktober 2019) zum Thema: Bargeld versus Buchgeld und Antwort vom 29. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21 310 vom 16. Oktober 2019 über Bargeld versus Buchgeld ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1) Welche unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel gibt es in Berlin auf welcher rechtlichen Grundlage? Zu1.: In Berlin ist gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 Bundesbankgesetz der Euro einziges unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel. 2) Trifft es zu, dass nach Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union europaweit allein Euro-Banknoten unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel sind? Zu 2.: In Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) heißt es wörtlich: „Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ Mit Beschluss vom 27.03.2019 hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Annahmeverpflichtung für Euro-Banknoten zur Klärung vorgelegt (Az. 6 C 6.18). Aus dem Beschluss geht hervor, dass jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht aus Artikel 128 AEUV lediglich ein Recht zur Ausgabe von Banknoten entnimmt. Es bleibt abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof dies ebenso bewertet. 3) Sind alle Behörden des Landes Berlin zur Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels verpflichtet? Falls nein, welche nicht und auf welcher rechtlichen Grundlage nicht? 2 Zu 3.: Eine bundesgesetzliche Annahmepflicht ist derzeit umstritten. Mit Beschluss vom 27.03.2019 hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Annahmeverpflichtung für Euro-Banknoten zur Klärung vorgelegt (Az. 6 C 6.18), da insbesondere nicht klar ist, ob die Mitgliedstaaten überhaupt eine Verpflichtung öffentlicher Stellen zur Annahme von Euro-Banknoten bei der Erfüllung hoheitlich auferlegter Geldleistungspflichten erlassen dürfen. Es bleibt abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof dies bewertet. Unabhängig davon gelten grundsätzlich für die Behörden des Landes Berlin die Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (AV LHO). Nach Nr. 14.1 AV § 70 LHO sind den Behörden des Land Berlin folgende Zahlungsarten vorgegeben: Überweisung auf ein Konto, Teilnahme am Lastschrifteinzugsverkehr , Kartenzahlverfahren (z. B. Geldkarte, Debitkarte, Kreditkarte), elektronische Zahlungssysteme und Verrechnung. In begründeten Fällen kann die Zahlung in bar oder durch Scheck angenommen werden. Zahlungen erfolgen ausschließlich in Euro, die Annahme anderer Währungen ist abzulehnen (Nr. 32.3. AV § 70 LHO). Dessen ungeachtet können jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen Zahlungen mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel unzulässig sein (z.B. nach § 69 Absatz 1 Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG). Die Senatsverwaltung für Finanzen ordnete unter Hinweis auf § 224 Abs. 4 Satz 1 Abgabenordnung (AO) die Schließung der damaligen Finanzkassen aller Berliner Finanzämter für den Barzahlungsverkehr zum 31.12.1995 an. Barzahlungen sind daher nur noch durch Einzahlung bei Kreditinstituten zugunsten der Konten der Berliner Finanzämter möglich. Empfohlen werden Zahlungen durch Überweisung oder durch Teilnahme am Lastschriftverfahren. 4) Sind Gewerbetreibende grundsätzlich zur Annahme der gesetzlichen Zahlungsmittel verpflichtet? Falls ja, wie setzen welche zuständigen Aufsichtsbehörden dies durch? Zu 4.: Im Privatrecht besteht Vertragsfreiheit; dies umfasst grundsätzlich auch die Dispositionsbefugnis der Parteien, über das taugliche Erfüllungsmittel für Geldschulden eine Vereinbarung zu treffen. Auch der vorgenannte Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts diskutiert eine etwaige Annahmepflicht nur für hoheitliche Leistungspflichten . 5) Gilt nach wie vor die „Empfehlung der EU-Kommission vom 22. März 2010 über den Geltungsbereich und die Auswirkungen des Status der Euro-Banknoten und -münzen als gesetzliches Zahlungsmittel “ vom 30.03.2010 zur Definition des „gesetzlichen Zahlungsmittels“? („Verpflichtende Annahme. Sofern sich die Parteien nicht auf andere Zahlungsmittel geeinigt haben, ist der Empfänger einer Zahlungsverpflichtung nicht befugt, eine Zahlung mit Euro-Banknoten und -münzen abzulehnen. … Ein Schuldner kann sich selbst von einer Zahlungsverpflichtung entlasten, indem er den Zahlungsempfänger eine Zahlung mit Euro-Banknoten und -münzen anbietet.“) Falls ja, trifft es zu, dass eine solche Einigung nur einvernehmlich und ausdrücklich erfolgen kann? 3 Zu 5.: Die Empfehlungen gelten nach Kenntnis des Senats fort. Nach diesen sollen bei Einzelhandelstransaktionen Ausnahmen von der Annahme von Euro-Banknoten "aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben" möglich sein, z.B. wenn der Einzelhändler über kein Wechselgeld verfügt, bei Banknoten in hoher Stückelung oder wenn der Nennwert der angebotenen Banknote im Vergleich zu dem Betrag, der dem Zahlungsempfänger geschuldet wird, unverhältnismäßig ist (Nr. 2 und Nr. 3 der Empfehlung). Hervorzuheben ist jedoch, dass Empfehlungen der Unionsorgane nach Art. 288 Abs. 5 AEUV nicht verbindlich sind. 6) Auf welcher rechtlichen Grundlage dürfen Behörden oder Gewerbetreibende entgegen § 14 BBankG und Art. 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU die Annahme von Euro-Banknoten ganz oder teilweise – etwa bezogen auf 500-Euro-Noten – ablehnen? Zu 6.: Hierzu wird auf die Antworten zu 2., 3. und 5. verwiesen. 7) Wie bewertet der Senat die Gefahr einer weitgehenden Entkoppelung von Noten- und Buchgeldmengen bei einer Reduzierung des im Umlauf befindlichen Bargelds, wenn das gesetzliche Zahlungsmittel durch rein virtuelle Verbuchungen verdrängt würde? Zu 7.: Das Verhältnis zwischen Zentralbankgeld und Buchgeld ist durch den Geldmengenmultiplikator bestimmt, der im Zeitablauf variiert und mehreren Einflussfaktoren unterliegt , darunter die Bargeldneigung von Unternehmen und privaten Haushalten, die Risikoaversion von Kreditinstituten, technologischen Faktoren sowie regulatorischen Vorgaben. Eine trendmäßige Veränderung des Geldmengenmultiplikators ist dabei unter Risikoaspekten weniger problematisch, da ein solcher Trend bei der Festlegung der von der Zentralbank zur Verfügung gestellten Geldmenge berücksichtigt werden kann und insoweit kein Hindernis für eine Zielerreichung der Geldpolitik darstellt . Problematischer sind dementsprechend plötzliche Veränderungen des Geldmengenmultiplikators (wie etwa die unerwartete markante Verringerung des Multiplikators im Zuge der Finanzkrise 2009ff.), die eine gemessen an der geldpolitischen Zielsetzung zu hohe oder zu geringe Geldschöpfung auslösen können. Da Konzeption und Durchführung der Geldpolitik nicht in die Zuständigkeit des Senats von Berlin fallen, berücksichtigt der Senat den Sachverhalt bei der im Rahmen seiner Aufgaben notwendigen Erwägung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ; der Senat nimmt jedoch keine eigenständige Risikoeinschätzung vor. Berlin, den 29. Oktober 2019 In Vertretung Christian R i c k e r t s ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe