Drucksache 18 / 21 312 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 10. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Oktober 2019) zum Thema: Aufklärungsquote versus Verurteilungsquote VI und Antwort vom 31. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21 312 vom 10. Oktober 2019 über Aufklärungsquote versus Verurteilungsquote VI ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Auf meine Anfrage 18/21013 hat der Senat nur unvollständig geantwortet, indem er die Fragen zu 1) und 2) zusammengefasst und sodann ausweichend geantwortet hat, es werde nach einer Selbstregelung der vom Parlament kontrollierten Exekutive keine diesbezügliche Statistik geführt. Die Antwort korrespondiert insoweit nicht mit der Frage, als dass es zwar sein mag, dass die Exekutive den polizeilichen Ermittlungserfolg „Aufklärungsquote“ nicht selbst dahingehend prüft, ob die polizeilichen Ermittlungsergebnisse auch nach Überzeugung der Anklagebehörde ausreichend sind. Auch wenn bereits diese fehlende Erfolgskontrolle für sich genommen Besorgnis wecken mag, zielt die Frage des Unterzeichners offensichtlich darauf ab, diese Verwertbarkeit polizeilicher Ermittlungsarbeit messbar zu machen und auf dieser Erkenntnisgrundlage womöglich weitergehend parlamentarisch tätig zu werden. Es ist aus der Antwort nicht ersichtlich, weshalb diese Informationen nicht mitgeteilt werden. Die weitrechende Pflicht des kontrollierten Senats, die Fragen der dieser kontrollerdenden Abgeordneten zu beantworten und diesen Auskünften aus allen Verwaltungsteilen zu verschaffen, konkretisiert das Verfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. Februar 2016 zu VerfGH 31/15: „Um seine Kontrollfunktion sachgerecht wahrnehmen zu können, muss der Abgeordnete über einen umfassenden Informationszugang zur Verwaltung verfügen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Urteil vom 14. Januar 1986 – 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84 -, BVerfGE 70, 324 <355> = juris Rn 124). Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung ist das Fragerecht dazu bestimmt und geeignet, ein strukturelles Wissensdefizit des Parlaments, insbesondere der Opposition, auszugleichen. Das Fragerecht ist in seiner Kontrollfunktion wichtiger Teil des politischen Diskurses und sichert parlamentarischen Minderheiten die Chance, mit einem fundierten Diskurs bei zukünftigen parlamentarischen Wahlen die Mehrheit zu erringen , vgl. Kirschniok-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der Brandenburgischen Landesverfassung , 2010, S. 58). Die Antwort muss nach besten Wissen vollständig sein, Vollständig ist die Antwort, wenn alle Informationen , über die der Senat verfügt oder mit zumutbarem Aufwand verfügen könnte, lückenlos mitgeteilt werden , d.h. nichts, was bekannt ist oder was mit zumutbarem Aufwand hätte in Erfahrung gebracht werden können, verschwiegen wird. Nicht vollständig ist auch eine ausweichende Antwort, vgl. StGH Nds vom 15.11.1997 zu StGH 1/97 2 Ich frage den Senat daher erneut: 1. Wird erfasst, in wie vielen Fällen polizeilich „aufgeklärte“ Taten nicht zu einer Anklage führen, weil kein hinreichender Tatverdacht besteht? In welchem System welches Herstellers in welcher Version wird dies erfasst? Zu 1.: Es wird nicht erfasst, in wie vielen Fällen polizeilich „aufgeklärte Taten“ nicht zu einer Anklage führen, weil kein hinreichender Tatverdacht besteht. Dem polizeilichen Terminus „aufgeklärte Tat“ entspricht kein staatsanwaltschaftlicher Begriff. Demzufolge erfolgt keine dementsprechende Erfassung der Delikte. 2. In wie vielen Fällen – sortiert nach jeweiligen Delikten analog PKS 2018 – hat die Staatsanwaltschaft in den Jahren 2014 bis 2018 eine polizeilich „aufgeklärte“ Tat – also mit einem namhaft gemachten Tatverdächtigen - nicht angeklagt? Zu 2.: Die Berliner Strafverfolgungsbehörden erstellen keine der Polizeilichen Kriminalstatistik entsprechenden Erhebungen (siehe unter 1.), sondern erfassen zum Zwecke der Verfahrensverwaltung verfahrensbezogene Daten im Fachverfahren der Strafverfolgungsbehörden . Vor diesem Hintergrund können keine Daten übermittelt werden, die mit den Erfassungsparametern der Polizeilichen Kriminalstatistik korrespondieren. Daher kann bezüglich der polizeilich „aufgeklärten“ Taten keine Aufstellung von Daten erfolgen. Bezüglich der nicht angeklagten Verfahren, die gegen namhaft gemachte tatverdächtige Personen (sog. Js-Verfahren) geführt wurden, ergeben sich entsprechend der in der Antwort auf die vorangegangene Schriftliche Anfrage S 18/21 013 vom 16. September 2019 („Aufklärungsquote versus Verurteilungsquote V“) dargestellten Delikte die aus der Anlage ersichtlichen Daten. Berlin, den 31. Oktober 2019 In Vertretung Dr. Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S 18/21 312 Anlage Delikt 2014 2015 2016 2017 2018 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung §§ 174 bis 184j StGB (insgesamt) 1.667 1.529 1.554 2.024 2.172 Rohheitsdelikte* Raub § 249 StGB 579 629 633 503 474 Schwerer Raub § 250 StGB 288 298 328 247 283 Raub mit Todesfolge § 251 StGB 0 0 0 1 0 Räuberischer Diebstahl § 252 StGB 184 272 253 223 242 Erpressung § 253 StGB 186 263 263 271 264 Räuberische Erpressung § 255 StGB 325 323 331 262 284 Körperverletzung § 223 StGB 21.666 19.967 21.195 20.808 21.251 Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 5.827 5.407 5.852 5.883 5.963 Misshandlung von Schutzbefohlenen § 225 StGB 386 354 445 539 434 Schwere Körperverletzung § 226 StGB 12 7 14 12 9 Verstümmelung weiblicher Genitalien § 226a StGB 0 0 0 0 1 Körperverletzung mit Todesfolge §§ 227 StGB 6 0 5 4 3 Straftaten gegen die persönliche Freiheit §§ 232 bis 241 StGB 10.025 9.130 9.112 9.311 9.600 Diebstahl § 242 StGB 28.169 28.688 31.070 27.078 30.493 Wohnungseinbruchdiebstahl § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB 574 574 620 515 423 Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 111 bis 121 StGB 806 853 1.060 1.111 1.228 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz insgesamt 9.771 11.311 10.525 11.608 12.409 Straßenkriminalität* *) Hierzu liegen keine statistischen Erhebungen vor. Erfasst wurden Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Berlin, - die durch den Polizeipräsidenten in Berlin übermittelt wurden, - in denen das bezeichnete Delikt als führend erfasst wurde und - die nicht im Wege einer Anklage, eines Strafbefehls, einer Antragsschrift im Sicherungsverfahren nach § 414 StPO oder eines Antrags auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren § 417 StPO sondern auf andere Weise (bspw. Einstellung nach §§ 153ff, § 170 Abs. 2 StPO oder auch durch Abgabe an eine andere Staatsanwaltschaft) erledigt worden sind.