Drucksache 18 / 21 351 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jeannette Auricht und Herbert Mohr (AfD) vom 21. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Oktober 2019) zum Thema: Genitalverstümmelung und Antwort vom 11. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Frau Abgeordnete Jeannette Auricht (AfD) und Herrn Abgeordneten Herbert Mohr (AfD) über des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21351 vom 21. Oktober 2019 über Genitalverstümmelung ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.Auf ihrer Homepage führt die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung auf: „Gewalt gegen Frauen wird als Menschenrechtsverletzung anerkannt und ist wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung von Strategien zur Gleichstellung von Männern und Frauen.“ 1.1. Welches Konzept zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung hat sich der Senat im Rahmen seiner frauen- und gleichstellungspolitischen Grundsatzentscheidungen aufgelegt und welche Maßnahmen sind hierzu vorgesehen? 1.2. Wie gestaltet sich die Aufklärungsarbeit und welche Aktivitäten und Informationskampagnen sowie weitere Öffentlichkeitsarbeit werden auf Landesebene durchgeführt? 1.3. Worauf konzentriert sich die präventive Arbeit auf Landesebene? Welche Präventions- und Beratungskonzepte bzw. -angebote stehen in Berlin zur Verfügung? Zu 1.1., 1.2. und 1.3.: Mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm (GPR) III wurde eine Strategie entwickelt , um den Gleichstellungsprozess von Frauen und Männern im Land Berlin auf Senats - und Bezirksebene voranzubringen, nachhaltig zu verankern und zu verschränken . Zu den Maßnahmen im GPR III in der Federführung der Senatsverwaltung für Gesundheit , Pflege und Gleichstellung zählen die Sicherstellung von Schutz und Beratung für von geschlechtsspezifischer Gewalt Betroffene und die Entwicklung präventiver Maßnahmen sowie der Schutz von geflüchteten Frauen vor Gewalt. Essentiell für die Bekämpfung von Genitalverstümmelung ist die präventive Arbeit und hier insbesondere die Aufklärungsarbeit vor allem bei Betroffenen, um die über die Generationen hinweg praktizierte Beschneidung zu vermeiden. Das vom Senat geförderte Familienplanungszentrum Balance e.V. bietet Beratung und Information sowie medizinische und gynäkologische Leistungen zum Thema Genitalverstümmelung. Frauen werden im Familienplanungszentrum im Rahmen der gynäkologischen Sprechstunden beraten und bei Bedarf weitervermittelt. Darüber hinaus bietet Balance e.V. mobile Beratung für schwangere Frauen in den Unterkünften für Geflüchtete. Terre des Femmes leistet Aufklärungsarbeit - 2 - in den verschiedenen betroffenen Diaspora-Communities durch die Einsetzung von sogenannten „Change Agents“. Im Desert Flower Center im Krankenhaus Waldfriede werden Frauen beraten und v.a. zu gesundheitlichen Folgen einer weiblichen Genitalverstümmelung aufgeklärt. 1.4. Wo liegen die organisatorischen und strategischen Verantwortlichkeiten bzw. wer ist für die strategische Gesamtkoordination auf Landesebene zuständig? Zu 1.4.: Die federführende Zuständigkeit für die Grundsatzangelegenheiten zum Thema Genitalverstümmelung liegt bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. 1.5. Wie erfolgt die Zusammenarbeit bzw. Koordination zwischen Bundes- und Landesinitiativen? 1.6. Inwiefern findet eine überregionale bzw. internationale Koordination der Aktivitäten statt und wie erfolgt die Zusammenarbeit? (Bitte um konkrete Ausführungen). Zu 1.5. und 1.6.: Im Rahmen der Bund-Länder-NRO-Arbeitsgruppe zur Überwindung der weiblichen Genitalverstümmelung unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) werden gemeinsame Strategien und Maßnahmen zur Überwindung von Genitalverstümmelung diskutiert. Die o.g. Arbeitsgruppe dient zudem dem fachlichen Austausch zwischen den teilnehmenden Institutionen, so werden auch bundesländerspezifische sowie internationale Beispiele von Maßnahmen und Ansätzen zur Bekämpfung von Genitalverstümmelung in diesem Rahmen vorgestellt und erörtert. Seit 2014 hat die Arbeitsgruppe die Mitteilung der EU Kommission zur Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung vom 25.11.2013, die sechs verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung beinhaltet, zu ihrer Arbeitsgrundlage erklärt. 2. Aus Sicht der Verfasser ist die Integration der Erkenntnisse aus den vielen Projekten und der Arbeit vor Ort sowie eine daraus folgende koordinierte Umsetzung präventiver Aktionsmaßnahmen ausschlaggebend für eine erfolgreiche und nachhaltige Bekämpfung und Abschaffung von genitaler Verstümmelung. 2.1. Inwiefern sind nach Auffassung des Senats die bestehenden Angebote zur Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung in Berlin angemessen bzw. ausreichend und wie begründet der Senat seine Antwort? 2.2. Welche Institutionen und Projekte werden in Berlin gefördert? (Bitte um Auflistung). 2.3. Inwiefern findet eine kontinuierliche Erfolgskontrolle der einzelnen Vorhaben statt und ggf. Anpassung der Förderziele? Zu 2.1., 2.2. und 2.3.: Berlin verfügt im Bereich der Bekämpfung von Genitalverstümmelung und der gesundheitlichen und medizinischen Versorgung von Betroffenen über Angebote mit präventiver und medizinischer Ausrichtung durch das Familienplanungszentrum Balance e.V., Terre des Femmes e.V. und das Desert Flower Center im Krankenhaus Waldfriede. Es wird davon ausgegangen, dass in Berlin durch die Zuwanderung aus Gebieten, in denen die Praxis der Genitalverstümmelung verbreitet ist, ein zunehmender Bedarf an Beratung, Aufklärung und medizinischer Versorgung besteht. Mit der im Haushalt 2020/21 angemeldeten Einrichtung einer Koordinierungsstelle Genitalverstümmlung sollen die bestehenden Angebo- - 3 - te besser auf einander abgestimmt und die Arbeit den Bedarfen entsprechend weiterentwickelt werden. Das Familienplanungszentrum Balance (Träger: Familienplanungszentrum Berlin e.V.) wird kontinuierlich aus dem Integrierten Gesundheitsprogramm gefördert. Eine jährliche Erfolgskontrolle für das geförderte Projekt insgesamt findet regelmäßig im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung statt. 2.4. Welche Mittel werden (wofür) im Haushalt 2020/2021 für die Unterstützung der vorhandenen Infrastruktur bereitgestellt? (Bitte nach Träger/Einrichtung bzw. Projekte, Förderhöhe und Jahr aufschlüsseln). Zu 2.4.: Im Doppelhaushalt 2020/21 sind 120.000€ für die Einrichtung einer neuen Koordinierungsstelle Genitalverstümmelung angemeldet, um die bestehenden Strukturen noch enger miteinander zu verbinden und die vorhandenen Angebote weiter auszubauen. Unabhängig davon soll die Finanzierung der Angebote von Balance e.V. auch im Doppelhaushalt 2020/21 fortgeführt werden. Darüber hinaus sind insbesondere die aus Mitteln der Senatsverwaltung Gesundheit, Pflege und Gleichstellung finanzierten Frauenprojekte für Migrantinnen, die spezifische Beratungs- und Hilfeangebote bereitstellen, Anlaufstellen, die allgemeine Informations- und Aufklärungsarbeit leisten und ggf. Betroffene weitervermitteln . Die Beratungsleistungen der Projekte in Bezug auf Genitalverstümmelung werden nicht gesondert erfasst. 2.6. Wie bzw. inwiefern werden ausreichend Fachkräfte (z. B. im ärztlichen, sozialpädagogischen, rechtlichen Bereich) zum Umgang mit Betroffenen, zur Beratung und Hilfestellung ausgebildet? Welche Form der Unterstützung (z. B. Fortbildung) erhalten Jugendämter? Zu 2.6.: Fachkräftefortbildungen im sozialpädagogischen Bereich werden regelmäßig vom Familienplanungszentrum Balance e.V. in Zusammenarbeit mit Terre des Femmes e.V. angeboten . Mehrtägige Fortbildungen für medizinisches Fachpersonal werden zudem vom Desert Flower Center im Krankenhaus Waldfriede angeboten. Drohende oder bereits erfolgte Genitalverstümmelung gilt als Kindeswohlgefährdung Von sozialpädagogischen Fachkräften der Jugendämter wird ein grundsätzliches Wissen über alle Arten von Kindeswohlgefährdung erwartet. Da Genitalverstümmelung fast ausschließlich unter Geheimhaltung in den Familien stattfindet ist eine Erkennung und Information der Fachkräfte im Jugendamt sehr erschwert. Wenn das Jugendamt von diesen Fällen erfährt, greift das vorgegebene Berliner Kinderschutzverfahren. Zur Unterstützung und Beratung der Fachkräfte stehen in diesen Einzelfällen spezialisierte Fachberatungsstellen zur Verfügung bzw. erfolgt eine Vermittlung zu entsprechend spezialisierten Beratungen mit Unterstützung der Kinderschutzkoordinatorinnen und Kinderschutzkoordinatoren. Zusätzlich finden zweimal jährlich mehrtägige Fortbildungen im Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB) für Fachkräfte der Jugendämter und der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe zum migrationssensiblen Kinderschutz statt, in diesem Rahmen werden auch Fortbildungsinhalte zu weiblicher Genitalverstümmelung vermittelt. Sollte es im Rahmen der Clearingphase bei weiblichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Verdachtsmomente bzw. Hinweise auf Genitalverstümmelung geben, so werden diese innerhalb des Desert Flower Center vorgestellt. Das Desert Flower Center - 4 - ist bei Jugendhilfeträgern, Jugendämtern und bei der Amts- und Vereinsvormundschaft bekannt. 2.5. Gibt es nach Auffassung des Senates auf Landesebene speziellen Bedarf, beispielsweise bezogen auf Räumlichkeiten für die Aufklärungsarbeit, Personal- oder Fortbildungsbedarf? 2.7. Wie bewertet der Senat die Aussagen der Anzuhörenden im Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zum Tagesordnungspunkt „Prävention, Beratung und medizinische Versorgung bei weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C)“ in der Anhörung vom 17.09.2018, es fehle an einer koordinierten Strategie bzw. einem Angebot auf Landesebene? 2.8. Inwiefern konnte der Senat aus der in der Anhörung gewonnenen Erkenntnis, „dass wir in Berlin mehr Koordinierungsbedarf haben“, Handlungsempfehlungen ableiten, und wie erfolgt zwischenzeitlich die interinstitutionelle Zusammenarbeit? 2.10. Inwiefern ist die am 11.02.2019 in der 30. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung angekündigte zentrale Stelle in Berlin eingerichtet worden? Welchen Auftrag hat die Stelle und welches sind die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten? Zu 2.5, 2.7., 2.8. und 2.10.: Der Senat teilt die Auffassung der Anzuhörenden, dass in Berlin Expertise zum Thema vorhanden ist und dass ein Koordinierungs- und Entwicklungsbedarf hinsichtlich der vorhanden Angebote besteht. Im Jahr 2020 soll zu diesem Zweck ‒ unter Vorbehalt der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2020/21 ‒ eine Koordinierungsstelle gegen weibliche Genitalverstümmelung eingerichtet werden. Im Rahmen der Umsetzung der o.g. Koordinierungsstelle wird u. a. auch geprüft werden, welche besonderen Bedarfe für Räumlichkeiten für die Aufklärungsarbeit sowie Personal- oder Fortbildungsbedarfe bestehen. 2.9. Inwiefern liegen dem Senat Erkenntnisse vor, die die Wirksamkeit des Gesamtkonzeptes (wie auch der einzelnen Maßnahmen) zur Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung in den letzten 5 Jahren belegen ? Welche? (Bitte um begründete Antwort und ggf. auch zahlenmäßige Entwicklungen miteinbeziehen). Zu 2.9.: Über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wurden bisher keine Evaluierungen durchgeführt , die Aussagen darüber ermöglichen. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Aufklärungsarbeit durch die geförderten Projekte für die Bekämpfung weiblicher Genitalverstümmelung eine hohe Bedeutung aufweist. 3. Seit 2013 ist die weibliche Genitalverstümmelung in der ICD klassifiziert (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), die Ziffer Z91.7, „Weibliche Genitalverstümmelung in der Eigenanamnese“, untergliedert sich in vier Typen weiblicher Genitalverstümmelung. 3.1. Wie viele Fälle der weiblichen Genitalverstümmelung wurden in Berlin seit 2013 anamnestisch erfasst (nach ICD und incl. der dazugehörigen Untergliederungen)? (Wenn keine Datenerfassung erfolgt ist, bitte um Erklärung, weshalb dies nicht der Fall ist). Zu 3.1.: Die Anamnese einer Patientin unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Hierzu werden dem Senat keine Daten übermittelt, weshalb die Frage nicht beantwortet werden kann. 3.2. Welche Rolle spielten bei der Feststellung von weiblicher Genitalverstümmelung die Vorsorgeuntersuchungen (U- und J-Untersuchungen)? - 5 - Zu 3.2.: Die Früherkennungsuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter werden nicht standardisiert und qualitätsgesichert dokumentiert. Eine Datenerfassung und Auswertung der Früherkennungsuntersuchungen über den Sachverhalt der Inanspruchnahme hinaus erfolgt nicht. Daher ist keine Aussage darüber möglich, inwieweit diese Untersuchungen bei der Feststellung weiblicher Genitalverstümmelung eine Rolle spielen. 3.3. In wie vielen Fällen haben betroffene Mädchen und Frauen Versorgungsleistungen der GKV (nach ICD) in Anspruch genommen, für den Zeitraum 2013-2018? Zu 3.3.: Diagnosen ambulanter Versorgungsleistungen werden dem Senat nicht übermittelt. Für die stationäre Versorgung gibt die Krankenhausdiagnosestatistik fallbezogen Auskunft über die Hauptdiagnosen stationär aufgenommener Patientinnen und Patienten. Die weibliche Genitalverstümmelung wird daher nur dann in der Krankenhausdiagnosestatistik erfasst , wenn sie die Hauptdiagnose bzw. der Behandlungsanlass war. In den gemäß Krankenhausstatistik -Verordnung übermittelten Daten der Krankenhausdiagnosestatistik werden seit 2016 für Berlin Fälle mit der Hauptdiagnose Z91.7 ausgewiesen. Demnach wurden im Jahr 2016 insgesamt unter 20 Berlinerinnen mit der Hauptdiagnose Z91.7 aus vollstationärer Behandlung Berliner Krankenhäuser entlassen, im Jahr 2017 waren es unter 10 Berlinerinnen. Die Daten für 2018 liegen noch nicht vor. 3.4. Erfolgt eine systematische und koordinierte Datenerhebung über die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffenen und bedrohten Mädchen und Frauen in Berlin? (Falls nein, bitte um begründete Erklärung, warum nicht.) Zu 3.4.: Erhebungen personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Gesundheitsdaten unterliegen dabei besonderem Schutz. Für die Informationsbedürfnisse der Gesundheitsplanung verarbeitet die Gesundheitsberichterstattung des Landes Berlin Daten gemäß Gesundheitsdienstgesetz, die vorwiegend aus Routineerhebungen stammen, bereitet diese gemäß Indikatorensatz der Länder auf und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Der Sachverhalt der weiblichen Genitalverstümmelung ist hier nicht Bestandteil. Der Straftatbestand § 226a StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien) wurde im Laufe des Jahres 2013 eingeführt. Seit dem Jahr 2014 erfolgt hierzu eine gesonderte Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). 4. Wie wird die Anwendung und Durchsetzung des geltenden Rechts kontrolliert, und wie verteilen sich die Zuständigkeiten? - 6 - Zu 4.: Sobald der Polizei Berlin Hinweise auf einen Verstoß gegen § 226a StGB bekannt werden, wird diesen konsequent nachgegangen und gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet . 4.1. Ist der Senat der Auffassung, dass die aktuellen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen – auf Bundes- wie auf Landesebene – ausreichend sind, um die weibliche Genitalverstümmelung in Berlin zu überwinden? Zu 4.1.: 2013 wurde in das Strafgesetzbuch mit § 226a StGB der Straftatbestand der Verstümmelung weiblicher Genitalien eingefügt. Demnach wird mit einer Freiheitsstrafe von mindestens ein Jahr bestraft, wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt. Mit der Schaffung von § 226a StGB wird durch einen eigenen Straftatbestand, der ausdrücklich die Genitalverstümmelung unter Strafe stellt, ein Beitrag zum Schutz des Rechtsgutes der körperlichen Unversehrtheit und zur Schärfung des Bewusstseins für das Unrecht der Genitalverstümmelung geleistet. Damit wird auch Art. 38 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention)“ umgesetzt. Wie in der Gesetzesbegründung zu §226a StGB (BT-Drs. 17/1370) ausgeführt, muss der “Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Genitalverstümmelung [muss] in erster Linie im präventiven und sozialen Bereich liegen “. 4.2. Welche Maßnahmen auf Landesebene sind zur Förderung der Bewusstseinsbildung geplant und welche Aufklärungsaktionen richten sich speziell an (potenzielle) Täter-Personengruppen? 4.5. Plant der Senat Maßnahmen zur Reduzierung der Dunkelziffer, um davon ausgehend die Präventionsund Schutzmaßnahmen ggf. anzupassen bzw. neu auszurichten? (Bitte um begründete Antwort). Zu 4.2 und 4.5.: In Rahmen der -unter Vorbehalt der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2020/21- geplanten Koordinierungsstelle Genitalverstümmelung soll die Aufklärungsarbeit für die betroffenen Communities gestärkt werden. Eine erfolgreiche Stärkung des Bewusstseins im Hinblick auf die Bedeutung der körperlichen Unversehrtheit bei den Communities und vor allem bei Betroffenen geht mit einer Reduzierung der Zahl der gefährdeten Mädchen und Frauen einher. 4.3. Inwiefern sind bisherige Erkenntnisse zur Einschätzung der Gefahrenlage einerseits sowie der Bedarfe zur Verhinderung von weiblicher Genitalverstümmelung andererseits ausreichend, um daraus die notwendigen Interventionsmaßnahmen zum Schutz gefährdeter Kinder und Frauen abzuleiten? Zu 4.3.: In Berlin ist reichliche Expertise zum Thema durch die Arbeit der Träger, die in dem Bereich tätig sind, vorhanden. Darüber hinaus wurde eine vom Bundesministerium für Familie , Senioren, Frauen und Jugend beauftragte empirische Studie zur Genitalverstümmelung mit Zahlen für Deutschland im Februar 2017 veröffentlicht. - 7 - Für die Studie wurden qualitative Befragungen mit verschiedenen Zielgruppen in Berlin durchgeführt, so dass die Studie eine gute Grundlage für eine Lageeinschätzung und die Benennung von Bedarfen darstellt. 4.4. Wie bewertete der Senat die Forderung des Terre des Femmes, bundesweit verpflichtende ärztliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche einzuführen, „um Fälle von […] Genitalverstümmelung an Mädchen frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern“? Zu 4.4.: Der Senat ist generell für verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche , um die Verantwortung der Eltern stärker am Wohl des Kindes und des Jugendlichen auszurichten. Die für das Gesundheitswesen zuständige Senatsverwaltung hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Stärkung der Kinder- und Jugendgesundheit erstellt, mit dem Ziel, durch gesamtgesellschaftliches und geeintes Zusammenwirken im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft Kindern und Jugendlichen durch ein positives und ihnen zugewandtes Lebensumfeld ein gesundes Auf- und Heranwachsen zu ermöglichen und dabei gleichzeitig die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vor allem in belasteten Lebenslagen, mit sozialer Benachteiligung oder individueller Beeinträchtigung zu stärken. Berlin, den 11. November 2019 In Vertretung Barbara König Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung