Drucksache 18 / 21 364 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 24. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Oktober 2019) zum Thema: Landesantidiskriminierungsgesetz und Diskriminierungserleben und Antwort vom 13. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21364 vom 24. Oktober 2019 über Landesantidiskriminierungsgesetz und Diskriminierungserleben -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) zum Thema: Sozialer Status und Landesantidiskriminierungsgesetz [Drucksache 18/21036] beantwortet der Senat u.a. wie folgt: "Zu 1. bis 4.: Gesellschaftliche Ausgrenzungsrealitäten, die an die Frage der Erwerbstätigkeit oder –losigkeit , an den Bildungsstand, an Armut und Wohnungslosigkeit oder auch an den Familienstatus anknüpfen, sind vielfach belegt. Mit der Aufnahme des Verbotes einer Diskriminierung aufgrund des sozialen Status wird das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) der Tatsache gerecht, dass dieses Merkmal im Diskriminierungserleben der Menschen zunehmend an Bedeutung gewinnt und dem auch antidiskriminierungsrechtlich Rechnung getragen werden muss. Das LADG ermöglicht allen Berlinerinnen und Berlinern einen diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugang zu öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen. Kollektive Rechtsschutzinstrumente wie die Prozessstandschaft und das Verbandsklagerecht, wie aber auch die Einrichtung der Ombudsstelle, werden maßgeblich dazu beitragen, bestehende Machtdisparitäten und auch im sozialen Status bedingte Zugangserschwernisse zur Durchsetzung der Rechte nach dem LADG abzubauen." 1. Inwiefern gewinnt Diskriminierung aufgrund des sozialen Status zunehmend an Bedeutung? 2. Lassen sich im Bereich der öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen Ausgrenzungsrealitäten belegen und welche sind dies? Zu 1. und 2.: Gesellschaftliche Ausgrenzungsrealitäten, die an den sozialen Status und mit ihm an die Frage der Erwerbstätigkeit oder -losigkeit, an den Bildungsstand, an Armut und Wohnungslosigkeit oder auch an den Familienstatus anknüpfen, werden aus der Arbeit der Berliner Beratungsstellen gegen Diskriminierung immer wieder berichtet und sind zudem durch einschlägige Studien belegt. Es wird an dieser Stelle u. a. auf die umfassende und repräsentative Untersuchung „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“, die 2015 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstellt wurde, verwiesen1. Ein gutes Drittel, 35,6 %, der befragten Personen gaben danach an, in den letzten beiden Jahren Diskriminierung erlebt zu haben. Einbezogen in diese Untersuchung waren 1Beigang,Steffen; Fetz,Karolina; Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung. Herausgabe v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Baden-Baden:Nomos. 2 auch Diskriminierungserfahrungen aufgrund nicht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgeführter Merkmale. Von besonderer Relevanz war hier die sozioökonomische Lage als Ausgangspunkt von Benachteiligungen. Insgesamt gaben 10,1 % der Befragten an, aus diesem Grund diskriminiert worden zu sein. Damit ist dieser Studie zufolge die sozioökonomische Lage – nach dem Lebensalter mit 14,8 % - der zweithäufigst in Deutschland geschilderte Diskriminierungsgrund. Auch die Ergebnisse des aktuellen „Berlin-Monitors“2 unterstreichen diesen Befund sehr deutlich. Etwa jeder zehnte Berliner oder Berlinerin berichtet von Diskriminierung aufgrund von Arbeitslosigkeit und jeder siebte Berliner hat bereits Diskriminierung aufgrund des eigenen Einkommens erlebt. Damit rückt die Soziale Lage als ein wesentliches Merkmal für Diskriminierung und Abwertung in den Vordergrund und ist eigenständig zu berücksichtigen. Die Untersuchung der Bundesantidiskriminierungsstelle erfasst auch die Diskriminierung nach Lebensbereichen. Hier zeigt sich, dass der Bereich Ämter, Behörden und Politik mit 8,5 % - nach dem der Arbeit mit 13,6 % - als ein Bereich wahrgenommen wird, in dem besonders häufig Diskriminierung erlebt wird. 3. Bedeutet der Terminus "Diskriminierungserleben", dass Menschen das Verhalten anderer Menschen oder Institutionen ihnen gegenüber als Diskriminierung auslegen? Falls "Ja": Wodurch ließe sich die Plausibilität dieser jeweils subjektiven Wahrnehmung objektiv überprüfen ? Zu 3.: In die in der Antidiskriminierungsarbeit und –forschung gängigen Begriffe des Diskriminierungserlebens und der Diskriminierungserfahrungen fließen bewusst die Betroffenenperspektive und mithin subjektive Komponenten mit ein. Die Termini werden der Tatsache gerecht, dass nicht jede individuelle Diskriminierungserfahrung mit einer „objektiven “, beispielsweise juristischen oder sozialwissenschaftlichen Definition von Diskriminierung , einhergehen muss. 4. Hat der (vermeintlich) Betroffene den Nachweis zu führen, daß er durch öffentlich-rechtliche Dienstleister diskriminiert wird oder haben diese Dienstleister nachzuweisen, dass er dies nicht wird? Zu 4.: Nach § 7 des Entwurfs des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG-E) muss die Person, die eine Diskriminierung geltend macht, Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 2 oder § 6 LADG-E wahrscheinlich machen. Für die Glaubhaftmachung der Tatsachen ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass das Vorliegen einer Diskriminierung oder Maßregelung wahrscheinlicher ist als das Nichtvorliegen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn bei der erforderlichen umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Diskriminierung spricht als dagegen. Die prozessuale Folge der dann greifenden widerleglichen Vermutungsregel ist eine Umkehr der Beweislast. Der beklagten öffentlichen Stelle obliegt sodann nach allgemeinen Grundsätzen der Beweis des Gegenteils (Drs. 18/1996, S. 30). Berlin, den 13. November 2019 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung 2 https://berlin-monitor.de/