Drucksache 18 / 21 386 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Efler (LINKE) vom 23. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Oktober 2019) zum Thema: Protestwoche von Extinction Rebellion und Antwort vom 12. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Dr. Michael Efler (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21386 vom 23. Oktober 2019 über Protestwoche von Extinction Rebellion ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Einsätze gab es im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 von der Polizei? Bitte nach Orten und Einsatzgründen auflisten. Zu 1.: Bei den Klimaprotesten von Extinction Rebellion vom 7. bis 13. Oktober 2019 in Berlin handelte es sich um einen durchgängigen Einsatz, bei dem zahlreiche Versammlungen und Veranstaltungen durch die Polizei Berlin geführt worden sind. Eine Einzelaufstellung im Sinne der Fragestellung ist aufgrund der dynamischen Einsatzlage nicht möglich. 2. Wie viele a. Festnahmen und Ingewahrsamnahmen (bitte einzeln nach Gründen auflisten), b. Haftbefehle (bitte einzeln nach Gründen auflisten), c. Ordnungswidrigkeiten bzw. eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren (bitte einzeln nach Tatbeständen auflisten), d. Straftaten bzw. eingeleitete Strafverfahren (bitte einzeln nach Tatbeständen auflisten) gab es im Zusammenhang mit den Protesten von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019? Zu 2.a.: Im Zusammenhang mit den Klimaprotesten von Extinction Rebellion gab es insgesamt 17 Festnahmen. Davon erfolgten 15 Freiheitsentziehungen wegen Verdachts des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie jeweils eine wegen Verdachts der Körperverletzung und des Landfriedensbruchs. Zu 2.b.: Es wurde ein Haftbefehl wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erlassen. Zu 2.c.: Derzeit sind 478 Ordnungswidrigkeitenverfahren bekannt. Seite 2 von 4 Davon wurden 477 infolge einer unerlaubten Ansammlung nach § 113 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) sowie eines wegen der Teilnahme an einer Versammlung innerhalb des befriedeten Bezirks (§ 2 Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes) eingeleitet. Zu 2.d.: Insgesamt wurden 103 Strafermittlungsverfahren wegen folgender Verdachtslagen eingeleitet (Ermittlungsstand 31. Oktober 2019): 56 x Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte oder gleichstehende Personen (§ 113, 115 StGB) 21 x Verstoß Versammlungsgesetz 10 x Sachbeschädigung (§ 303 StGB) 7 x Nötigung (§ 240 StGB) 4 x gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 2 x Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) 1 x Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) 1 x Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) 1 x Anzeige gegen Extinction Rebellion, wegen verschiedener Delikte. Mit weiteren Vorgangseingängen muss ggf. gerechnet werden. 3. Wie viele Verletzte gab es im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 auf Seiten der Polizist*innen und auf Seiten der Aktivist*innen? Bitte nach der Art Verletzung und Gruppe (Aktivist*innen, Polizist*innen) auflisten. Zu 3.: Während der Einsatzmaßnahmen vom 7. bis 13. Oktober 2019 wurden insgesamt 13 Einsatzkräfte leicht verletzt. Es handelte sich dabei überwiegend um Hand-, Fuß- und Gesichtsverletzungen. Dem Senat ist nicht bekannt, wie viele Aktivistinnen und Aktivisten sich verletzt haben. 4. Kamen bei der Auflösung von Straßenblockaden im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 sogenannte Schmerzgriffe seitens der Polizei zur Anwendung? Wenn ja, wie oft, an welchen Orten und aus welchen Gründen? Bitte nach Anzahl, Orten und Gründen auflisten. Zu 4.: Im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion waren im beschriebenen Zeitraum an verschiedenen Örtlichkeiten im Stadtgebiet Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung versammlungsrechtlicher Beschränkungen erforderlich. Diese wurden nach vorherigen Verfügungsdurchsagen vorgenommen. Dabei sind ausschließlich Zwangsmaßnahmen der körperlichen Gewalt zur Anwendung gekommen. Hierunter sind auch Transport-, Hebel- und Druckpunkttechniken, ggf. unter Setzen von Schmerzreizen, zu subsumieren. Bei der zwangsweisen Durchsetzung von Platzverweisen nach Nichtentfernen aus einer Sitzblockade wird grundsätzlich die Form des Wegtragens als mildestes Mittel gewählt. Wenn dies jedoch faktisch zunächst nicht möglich ist, weil Personen polizeiliche Maßnahmen beispielsweise durch Unterhaken, Versteifen oder Festhalten erschweren, ist es im Einzelfall erforderlich, einen Schmerzreiz zu setzen, um die beteiligten Personen voneinander zu lösen. Eine dezidierte Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. Seite 3 von 4 5. Gab es im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 Beschwerden oder Anzeigen gegen Polizist*innen? Wenn ja, wie viele und welche? Bitte nach Anzahl und Gründen auflisten. Zu 5.: Im Zusammenhang mit der Klimaprotestbewegung im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 ging bislang eine Beschwerde im Sinne der Fragestellung bei der Polizei Berlin ein. Diese richtete sich gegen polizeiliche Maßnahmen im Bereich der Fischerinsel am 9. Oktober 2019. Eine freiberufliche Redakteurin ignorierte die polizeilichen Lautsprecherdurchsagen zur Ankündigung von Räumungsmaßnahmen. In der Folge beklagte sie, durch Einsatzkräfte weggeschoben worden zu sein. Die Beschwerde wurde an die zuständige Fachdienststelle abgegeben, da die Petentin Strafanzeige gegen Polizisten stellte. 6. Wie viele Polizeikräfte waren im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 im Einsatz? Zu 6:: Die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Protesten von Extinction Rebellion wurden unter Einsatz von insgesamt 5585 Polizeidienstkräften bewältigt. 7. Wann wurden die Polizist*innen im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 über ihre jeweiligen Einsätze informiert? Wie viel Zeit hatten die Polizist*innen, sich auf den Einsatz vorzubereiten? Bitte nach allen Einsätzen im oben genannten Zeitraum auflisten. Zu 7.: Es ist nicht möglich, dies für jeden einzelnen Einsatzanlass innerhalb der Protestwoche von Extinction Rebellion vom 7. bis 13. Oktober 2019 aufzuschlüsseln. Grundsätzlich erforderte die Lageentwicklung mit zahlreichen spontanen Versammlungen eine hohe Flexibilität der Dienstkräfte auch unter Inkaufnahme einer Reduzierung der Vorbereitungszeit. Um die Reaktionszeit zu verkürzen und die Kommunikationswege zu straffen, befanden sich alle beteiligten Dienstkräfte und Dienststellen unter der einheitlichen Führung des Führungsstabes der Direktion Einsatz. Grundsätzlich ist jedoch das Bewältigen von Einsatzlagen, bei denen nur eine kurze Vorbereitungszeit zur Verfügung steht, dem Polizeiberuf immanent. 8. Welche Einschränkugen im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 gab es im Bereich des ÖPNV? Wie viele Linien mussten aufgrund von Blockaden umgeleitet werden? Zu 8.: Während der Protestwoche von Extinction Rebellion vom 7. bis 13. Oktober 2019 kam es auf insgesamt 37 Linien bei der BVG zu teils erheblichen Beeinträchtigungen. Davon betroffen waren: 17 Stadtbuslinien (u.a. Linie 100, 200 und 300) 7 Metrobuslinien (Linie M19, M29 u.a.) 2 Expresslinien (Linien TXL, X10) Seite 4 von 4 1 Ersatzverkehr für die Straßenbahn M10 5 Nachtbuslinien (Linien N1, N2 und weitere) 5 Straßenbahnlinien (M1, M5 und weitere). 9. Wie beurteilt der Senat die Vorwürfe, dass im Rahmen der Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 am Großen Stern in den Tunneln die Rucksäcke von Aktivist*innen mit komplettem Inhalt von der Polizei entfernt und entsorgt wurden, ohne dass die Besitzer*innen darüber informiert worden sind? Zu 9.: Im Zusammenhang mit einer Versammlung von Extinction Rebellion am 8. Oktober 2019 wurde durch Einsatzkräfte in der Fußgängerunterführung zur Siegessäule eine größere Zahl von herrenlosen Taschen und Rucksäcken mit persönlichen Gegenständen aufgefunden. Da vor Ort die Eigentümer nicht ermittelt werden konnten, wurde eine Lautsprecherdurchsage durch die Einsatzkräfte durchgeführt. Insgesamt 32 Taschen und Rucksäcke konnten dennoch keinen Personen zugeordnet werden und wurden deshalb zur Eigentumssicherung sichergestellt. 10. Wie beurteilt der Senat die Proteste von Extinction Rebellion im Zeitraum vom 7. bis 13. Oktober 2019 im Bezug auf die Sicherheit und Ordnung der Stadt? Zu 10: Bei den Protesten von Extinction Rebellion wurde eine Abwägung zwischen den Individualrechtsgütern der Protestierenden und der Berliner Bevölkerung gefunden. Im Rahmen der praktischen Konkordanz wurde es ermöglicht, dass in Teilen längerfristige Versammlungen an Verkehrsknotenpunkten durchgeführt, aber auch der öffentliche Personennahverkehr sowie der individuelle Fahrzeugverkehr nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wurden. Das Konzept der ausgestreckten Hand kam während der gesamten Protestwoche zum Tragen. Erwähnenswert ist in dem Zusammenhang auch die konstruktive Kooperation zwischen der Polizei Berlin und den Klimaaktivisten. Insbesondere aufgrund der guten und nahezu permanenten Kommunikation zwischen allen Beteiligten konnte die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt dauerhaft gewährleistet werden. Berlin, den 12. November 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport