Drucksache 18 / 21 348 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Sebastian Schlüsselburg (LINKE) vom 22. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Oktober 2019) zum Thema: Auswertung von Besucher*innenströmen durch Mobilfunkdaten und Datenschutz bei mobilen Tourismus-Apps und Antwort vom 07. Nov. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (Die Linke) und Herrn Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21348 vom 22. Oktober 2019 über Auswertung von Besucher*innenströmen durch Mobilfunkdaten und Datenschutz bei mobilen Tourismus-Apps ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht nur aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist aber dennoch bemüht, Ihnen eine Antwort zukommen zu lassen und hat daher die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (visitBerlin) um Auskunft gebeten. Die von dort übermittelten Angaben werden nachfolgend in ihren maßgeblichen Teilen wiedergegeben. 1. Welche verschiedenen Aufträge hat die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (visitBerlin) mit welchem Zweck an das Tochterunternehmen der Deutschen Telekom Motionlogic in welchem jeweiligen finanziellen Umfang und über welchen Zeitraum vergeben? Zu 1.: visitBerlin hat der Motionlogic GmbH entsprechend des ausgeschriebenen Vergabegegenstandes der „Nutzung von Mobilfunkdaten zur Analyse von Besucherströmen“ (Kennziffer: D-0003/2019 – visitBerlin – Mobilfunkdaten) einen Auftrag erteilt. Der Projektzeitraum erstreckt sich vom 01.04.2019 bis zum 31.12.2019. Die Auftraggeberin hat die Option auf eine zweimalige Verlängerung der Datenlieferung und des Datenzugriffs um jeweils ein Jahr. Die Umsetzung des Auftrags erfolgt zu einem Festpreis von 250.000 € (netto). 2. Welche verschiedenen personenbezogenen Daten wie Aufenthaltsort oder Alter von Personen werden im Rahmen des Auftrages von visitBerlin an Motionlogic, der laut Presseberichten (Berliner Morgenpost vom 26. Juni 2019, https://www.morgenpost.de/berlin/article226299011/Berlin-will-den-glaesernen- Touristen.html) der Analyse von Besucher*innenströmen mittels Mobilfunkdaten dient, zu welchen jeweiligen Zwecken jeweils erhoben, gespeichert oder verarbeitet? a. Aus welchen Quellen (Bestandsdaten, Verkehrsdaten usw.) werden diese Daten jeweils erhoben? b. Wie genau wird die Nationalität der von der Datenerhebung betroffenen Personen ermittelt? c. Wie genau werden Standortdaten der von der Datenerhebung betroffenen Personen ermittelt (GPS- Positionen, Funkzellenortung etc.)? d. Welche Nutzer*innen welcher Mobilfunkanbieter sind von der Datenerhebung betroffen und welchen Umfang hat dieser Personenkreis? e. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird gewährleistet, dass durch die Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten keine Rückschlüsse auf individuelles Nutzungsverhalten, Bewegungsprofile oder individuelle Kommunikationsinhalte gezogen werden können? f. Wie und in welchem Umfang werden Berlin-Besucher*innen und Berliner*innen über Art und Weise der Datenerhebung informiert?? - 2 - . . . Zu 2.: Durch ein Anonymisierungsverfahren der Mobilfunkdaten seitens der Telekom Deutschland GmbH, noch vor einer Verarbeitung durch die Motionlogic GmbH, können im Projekt keine personenbezogenen Mobilfunkdaten gespeichert oder verarbeitet werden. Zu 2. a.: Das Projekt umfasst keine Auswertung personenbezogener Daten. Die Datenbasis entstammt gruppierten Mobilfunkdaten. Zu 2. b.: Die Ermittlung der Nationalität erfolgt auf Basis der Informationen der SIM- Karten über den Provider durch die Telekom GmbH. Zu 2. c.: Die Standortdaten ergeben sich aus der Kommunikation von Geräten mit Mobilfunkmasten (Funkzellen). Zu 2. d.: Datenbasis sind Signale aus dem Netz der Deutschen Telekom. Nutzer von SIM-Karten dieses Netzes tragen zur Datenbasis bei. Der Marktanteil der Deutschen Telekom liegt in Deutschland bei etwa einem Drittel aller Mobilfunknutzer. Auch bei internationalen Roamern liegt er durchschnittlich in einer ähnlichen Größenordnung, wobei die Anteile je nach Herkunftsland schwanken können. Zu 2. e.: Der Rückschluss auf individuelles Nutzungsverhalten, Bewegungsprofile oder individuelle Kommunikationsinhalte wird durch das Anonymisierungsverfahren der Telekom Deutschland GmbH ausgeschlossen. Weder die Motionlogic GmbH noch visitBerlin erhalten personenbezogene Daten. Zu 2. f.: Im Rahmen des Projekt werden keine personenbezogener Daten ausgewertet, insofern ist keine gezielte Information der entsprechenden Besucherinnen und Besucher sowie Berlinerinnen und Berliner möglich, da diese nicht bekannt sind. 3. Welche etwaigen Ergebnisse bzw. Auswertungen mit welchem Inhalt aus der Erfassung dieser Besucher *innenströme liegen seit wann visitBerlin vor? Zu 3.: visitBerlin liegen seit dem 09.08.2019 erste Ergebnisse gruppierter Daten zu Mobilfunkzellen in ganz Berlin vor. Die Daten geben Auskunft über Besucheraufkommen , Aufenthaltsdauern, soziodemographische Verteilungen (Alter und Geschlecht) und Herkunft. 4. Welche genauen Anwendungsmöglichkeiten für die aus der Auswertung von Besucher*innenströmen gewonnenen Daten plant visitBerlin derzeit im Allgemeinen und insbesondere für die Nutzer*innen von mobilen Reise-führer-Apps? Zu 4.: visitBerlin nutzt die Ergebnisse und Erkenntnisse für die Umsetzung der im Tourismuskonzept 2018+ festgehaltenen Ziele sowie die nachhaltige Entwicklung des Tourismus, beispielsweise für die zielgruppenspezifische Fortentwicklung von Reiseführer-Apps zur Entzerrung der Besucherströme. 5. Welche genauen Ergebnisse hat eine etwaige datenschutzrechtliche Prüfung der Erfassung der Besucher *innenströme im Rahmen des Auftrags an Motionlogic durch die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) erbracht bzw. welche Stellungnahme der BlnBDI liegt gegebenenfalls vor? Zu 5.: Das Projekt ist nicht darauf ausgelegt, personenbezogene Daten zu erhalten. Im Rahmen der Ausschreibung wurden entsprechende Kriterien an den Datenschutz gestellt und durch zertifizierte Datenschutzbeauftrage bestätigt. Der Anbieter hat mit den Angebotsunterlagen schriftlich nachgewiesen, dass es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Dies wurde auch durch den Datenschutzbeauftragten der Telekom Deutschland GmbH festgestellt. Überdies hat die zuständigen Aufsichtsbehörde BfDI (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) den Sachverhalt durch Nachweise und Prüfungen bestätigt. Eine zusätzliche Abstimmung mit der BlnBDI erfolgte daher nicht. - 3 - . . . 6. Welche verschiedenen mobilen Reiseführer-Apps bietet visitBerlin seit welchem jeweiligen Datum und mit wie vielen jeweiligen Nutzer*innen an? Zu 6.: visitBerlin bietet derzeit drei unterschiedliche Reiseführer-Apps an: Going Local App: · Launch: 01.04.2015 (iOS); 15.02.2015 (Android); · Installationen bis Dato: ca. 110.000; AccessBerlin App: · Launch: März 2017 (nur Android); · Installationen bis Dato: 1.450 ABOUT BERLIN App: · Launch: 14.09.2018; · Installationen bis Dato: ca. 32.000 7. Welche Unternehmen wurden mit der Programmierung und Pflege der jeweiligen Software in welchem finanziellen Umfang betraut? Zu 7.: Going Local App: · Auftragnehmer Programmierung (inkl. Hosting & Wartung): apprime GmbH · finanzieller Umfang: ca. 233.000 € AccessBerlin App: · Auftragnehmer Programmierung (inkl. Hosting & Wartung): MindTags GmbH · finanzieller Umfang: ca. 100.000 € (Zeitraum: September 2016 – Mai 2019) ABOUT BERLIN App: · Auftragnehmer Programmierung (inkl. Hosting & Wartung): AppsFactory GmbH · finanzieller Umfang: ca. 170.000 € (Zeitraum: Juni 2018 – Dezember 2019) 8. Welche verschiedenen Zugriffsberechtigungen werden von Nutzer*innen der jeweiligen Apps bei Installation oder optional aus welchen jeweiligen Gründen verlangt? Zu 8.: Going Local App: · Ortungsdaten, Google Analytics (optional; Optionen können jederzeit von Nutzerinnen und Nutzern de/reaktiviert werden). · Grund: Auswertung der Daten zur Optimierung/Weiterentwicklung von Inhalten und Technik der App. AccessBerlin App: · Standortdaten, Telefonzugriff (optional; Optionen können jederzeit von Nutzerinnen und Nutzern de/reaktiviert werden). · Grund: Für Funktionsumfang notwendig um Kartenfunktion nutzen zu können und Anrufe tätigen zu können. ABOUT BERLIN App: · Ortungsdaten, Google Analytics, Favoriten mit visitBerlin teilen (optional; Optionen können jederzeit von Nutzerinnen und Nutzern de/reaktiviert werden). · Grund: Auswertung der Daten zur Optimierung/Weiterentwicklung von Inhalten und Technik der App. 9. Welche der mobilen visitBerlin-Apps übermitteln durch die Einbindung von Social Plugins jeweils welche personenbezogenen Daten an welche Drittanbieter sozialer Netzwerke wie Facebook und Google+ oder Mikro-blogging-Dienste wie Twitter oder Instagram, wo die personenbezogenen Daten zu einem Nutzer*innenprofil zusammengeführt werden können? - 4 - Zu 9.: Keine der visitBerlin-Apps übermittelt personenbezogene Daten durch Social Plugins. 10. Aus welchen Gründen wird in den Apps nicht auf die Einbindung von Social Plugins verzichtet oder der Nutzer*in mit einer Zwei-Klick-Lösung auf die Schaltflächen die Nutzung von Social Plugins überlassen? Zu 10.: Die visitBerlin-Apps verzichten auf die Einbindung von Social Plugins. 11. Welche der Apps nutzen Tracking-Methoden von Google Universal Analytics zum Beispiel für eine geräteübergreifende Analyse von Besucher*innenströmen? Zu 11.: Die Going Local App und die ABOUT BERLIN App nutzen Google Analytics. Die hierdurch gewonnenen Daten werden für die Optimierung der Anwendungen genutzt (s. hierzu auch Antwort zu Frage 8). Nutzerinnen und Nutzer können den Dienst an diversen Stellen in der App aktiveren und reaktiveren. Eine Nutzung der App ist auch ohne Aktivierung von Google Analytics möglich. 12. Aus welchen Gründen bietet visitBerlin keine mobilen Reiseführer-Apps als freie Software über App- Quellen für quellcodeoffene Software wie dem alternativen App-Store F-Droid an? Zu 12.: visitBerlin strebt eine größtmögliche Verteilung mit bestehenden und bekannten Quellen an. Alternative Quellen sind weniger verbreitet, setzen technisches Wissen voraus und haben damit höhere Zugangsbarrieren. 13. Welche Erkenntnisse hat der Senat über etwaige Erwägungen von visitBerlin, eine mobile Reiseführer-App als freie Software anzubieten, die nach dem Grundsatz der Datensparsamkeit genutzt werden kann? Zu 13.: Siehe auch Antwort zu Frage 12. Zurzeit bestehen bei visitBerlin daher keine Planungen für eine freie App-Software. Eine Abwägung der Datensparsamkeit findet im Vorfeld der Entwicklung einer App statt. 14. Wurde die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit für eine datenschutzrechtliche Prüfung bzw. Stellungnahme zu den mobilen Reiseführer-Apps von visitBerlin eingebunden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchen genauen Ergebnissen? (Bitte ausführen.) Zu 14.: visitBerlin stimmt datenschutzrelevante Themen mit einem extern bestellten Datenschutzbeauftragten ab. Stellt dieser fest, dass eine Datenschutzfolgeabschätzung gem. Art. 35 DS-GVO notwendig ist und im Rahmen dieser, dass die erforderlichen Maßnahmen nicht ausreichen, würde die Landesdatenschutzbeauftragte gem. Art. 36 DS-GVO involviert werden. Dies war bisher nicht der Fall, da bei keiner der Reiseführer- Apps ein hohes Risiko für die Rechte und Grundfreiheiten betroffener Personen festgestellt wurde. Berlin, den 07. November 2019 In Vertretung Christian R i c k e r t s .......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe