Drucksache 18 / 21 449 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Benedikt Lux und Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 29. Oktober 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Oktober 2019) zum Thema: Lebensmittelkriminalität in Berlin: Maßnahmen des Senats zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und Antwort vom 15. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Benedikt Lux und Herrn Abgeordneten Dr. Turgut Altug (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21449 vom 29. Oktober 2019 über Lebensmittelkriminalität in Berlin: Maßnahmen des Senats zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor Lebensmittelkriminalität zu schützen? Zu 1.: Fälle von Lebensmittelkriminalität erlangen zunehmend an Bedeutung, insbesondere im globalen Markt. Der zunehmende internationale Handel und die immer komplexer werdenden Warenströme erleichtern Lebensmittelkriminalität, da in diesem Bereich hohe Gewinne zu erzielen sind und nur ein geringes Entdeckungsrisiko besteht. Bereits 2014 äußerte sich das Europäische Parlament besorgt über den Anstieg der Zahl der Betrugsfälle mit Lebensmitteln. Laut des Abschlussberichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Food Fraud (BLAG) wird in der im März 2017 verabschiedeten EU-Kontrollverordnung VO (EU) 2017/625, die am 14.12.2019 in Kraft tritt und die VO (EU) Nr. 882/2004 ablöst, die Bedeutung der Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Bekämpfung zu ergreifen, besonders hervorgehoben. Um das – wegen des geringen Entdeckungsrisikos vermutlich hohe – Dunkelfeld der Lebensmittelkriminalität aufzudecken, ist es unabdingbar, dass alle beteiligten Behörden – Lebensmittelüberwachung, Polizei, Staatsanwaltschaft und Zoll - strukturiert zusammenarbeiten . Der Senat ergreift eine Vielzahl an Maßnahmen, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor Lebensmittelkriminalität zu schützen und räumt diesem Schutz einen hohen Stellenwert ein. Auf Initiative Berlins beschloss die 12. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) am 22. April 2016 die Einrichtung einer interdisziplinären Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG), die ein Bekämpfungskonzept gegen Food Fraud/ Lebensmittelkriminalität erar- 2 beiten sollte. Die Justizministerkonferenz (JuMiKo) beschloss in der 87. Konferenz vom 1. bis 2. Juni 2016 das Vorhaben der BLAG zu unterstützen und bat den Strafrechtsausschuss , geeignete Mitglieder in die BLAG zu entsenden. Auch die Innenministerkonferenz (IMK) hat Vertreterinnen und Vertreter in die BLAG entsandt. Die BLAG nahm unter dem Vorsitz Berlins ihre Arbeit mit der 1. Sitzung am 26.01.2017 auf. Ihren Abschlussbericht mit einem detaillierten Bekämpfungskonzept zu Food Fraud/Lebensmittelkriminalität legte die BLAG im März 2018 vor. Die BLAG stellte 35 Empfehlungen zur Bekämpfung von Food Fraud/Lebensmittelkriminalität auf. Mit Beschluss vom 15. Juni 2018 forderte die VSMK Bund und Länder zur Umsetzung der Empfehlungen der BLAG auf und stellte fest, dass mit der Umsetzung der Empfehlungen der BLAG der Verpflichtung nach der VO (EU) 217/625 zur Ergreifung von Maßnahmen gegen betrügerische oder irreführende Praktiken vorsätzlich begangenen Verstößen nachgekommen wird. Die Empfehlungen der BLAG werden sukzessive je nach Zuständigkeit auf Bundes- und Länderebene umgesetzt. Berlin hat zur Umsetzung der Empfehlungen bisher folgende Schritte unternommen: Es wurde ein „Runder Tisch Food Fraud/Lebensmittelkriminalität“ unter Leitung der für Verbraucherschutz zuständigen Senatsverwaltung eingerichtet. Beteiligt sind die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, das Landeskriminalamt, die Staatsanwaltschaft Landgericht (StA), die Generalstaatsanwaltschaft Kammergericht (GStA), die Amtsanwaltschaft , das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) sowie zwei Vertreter der Bezirke - Fachbereich Veterinär- und Lebensmittelaufsicht (VetLeb). Die StA hat eine Ansprechpartnerin für Lebensmittelkriminalität benannt. In diesem Jahr fand erstmals unter Leitung von Rheinland-Pfalz (Vorsitz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV)) und Berlins eine interdisziplinäre Fachtagung statt, die künftig im Jahresrhythmus wiederholt werden soll. Auf Initiative Berlins wurde dort eine nationale Operation zur Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität für 2020 beschlossen, bei der insbesondere die Zusammenarbeit und die Kommunikationswege überprüft werden sollen. Der Beschluss der Fachtagung wurde in die LAV eingebracht , um weiteren Ländern eine Teilnahme zu ermöglichen. Im Rahmen der Fortbildung ist die Lebensmittelkriminalität erst jüngst Gegenstand eines behördenübergreifenden, interdisziplinären Workshops der BLAG „Food Fraud /Lebensmittelkriminalität “ gewesen, an dem auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teilnehmen konnten. Dieser Workshop wurde mit großem Erfolg am 12.09.2019 vom Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA) und der für Verbraucherschutz zuständigen Fachabteilung der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung durchgeführt. Eine Fortsetzung dieses Projektes ist beabsichtigt. Da Hinweise von sogenannten „Whistleblowern“ auch bei der Aufdeckung von Lebensmittelkriminalität eine wesentliche Bedeutung haben, wurde zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern für die 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) am 07. November 2019 ein Antrag eingebracht, in dem das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert wird, der EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (EU-Whistleblower- Richtlinie, 2018/0106 COD) eine hohe Priorität beizumessen und deren Umsetzung un- 3 mittelbar nach Beginn der Umsetzungsfrist in die Wege zu leiten. Ferner wird darin das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, bei der nationalen Umsetzung den Schutz von Whistleblowern nicht auf die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht zu beschränken, sondern auch auf die Meldung von Verstößen gegen nationales Recht auszuweiten. Der Antrag wurde von der JuMiKo beschlossen. Der Aspekt der Irreführung und Täuschung wird in der amtlichen Lebensmittelüberwachung berücksichtigt. Basierend auf den bundeseinheitlichen Vorgaben für eine einheitliche Verfahrensweise der amtlichen Lebensmittelüberwachung und der Kriterien für risikoorientierte Betriebskontrollen erfolgen die amtlichen Kontrollen von Lebensmittelbetrieben im Land Berlin nach risikoorientiertem Ansatz, d. h. zielgerichtet; sie obliegen, einschließlich der Festlegung der Kontrollfrequenzen, den VetLeb. Das LLBB führt Untersuchungen durch, unter anderem um den Wahrheitsgehalt von Angaben auf Lebensmittelverpackungen zu überprüfen. Die Gutachten über Beanstandungen gehen an die örtlich zuständigen VetLeb, die Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise Erlass eines Bußgeldbescheides und Anordnungen an den Hersteller, die Kennzeichnung zu ändern. Eine bundesweite interdisziplinäre „Projektgruppe Checkliste“ unter Leitung Berlins entwickelte eine Handreichung „Mögliche Kategorien/Kriterien zur Feststellung von Lebensmittelkriminalität /´Food Fraud´“ als Hilfestellung für Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung . Um die Zusammenarbeit von Polizei, Zoll und Lebensmittelaufsichtsbehörden bei der Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität zu fördern, koordiniert die für die Lebensmittelüberwachung zuständige Senatsverwaltung die Berliner Beteiligung an entsprechenden Operationen (z. B. OPSON, siehe Antwort zur 4.). 2. Welche Behörden des Landes Berlin sind in die Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität involviert? Zu 2.: Die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden, das Landeslabor Berlin Brandenburg, die Strafverfolgungsbehörden und der Zoll sind in die Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität involviert. 3. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Hauptverwaltung mit den Bezirksverwaltungen sowie Behörden des Bundes und der Europäischen Union bei der Bekämpfung von Lebensmittelkriminalität? Zu 3.: Das Hauptziel der zwischenbehördlichen Zusammenarbeit ist die Verbesserung der sogenannten horizontalen Kommunikation sowohl auf lokaler als auch auf föderaler Ebene. Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung erfolgt eine Kommunikation über nationale und EU-weite Plattformen. Direkte Kommunikation erfolgt mit Hilfe der üblichen Medien wie Schriftwechsel, E-Mail, Telefax und Telefon sowie durch regelmäßige Besprechungen . Im Land Berlin sind die einzelnen Behörden im Rahmen von fachrechtlichen Vorgaben (Berichtspflichten) sowie im Falle von Zwischenfällen im Lebensmittelverkehr, von lebensmittelbedingten Erkrankungen und von grenzüberschreitenden Amtshilfeverfahren zur Information gegenüber der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung verpflichtet. Die bezirklichen Behörden geben Vorkommnisse an die Staatsanwaltschaft ab, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Straftat vorliegt. 4 Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung informiert die bezirklichen Behörden in regelmäßigen Dienstbesprechungen oder schriftlich u. a. über neue Rechtsvorschriften (Lebensmittelüberwachung), die bundeseinheitliche Auslegung von Rechtsvorschriften (Lebensmittelüberwachung) und aktuelle relevante Entwicklungen auch betreffend Irreführung und Täuschung im Lebensmittelbereich. Die Kommunikation mit den Bundesbehörden erfolgt grundsätzlich durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vertritt Berlin in regelmäßig stattfindenden Sitzungen der Arbeitsgruppen der LAV (hier: Lebensmittel), die die Abstimmung der Länder und des Bundes untereinander ermöglichen und die im Interesse eines einheitlichen Vollzugs der Abklärung strittiger Fragestellungen im Bereich der Lebensmittelüberwachung dienen. Im Bereich der Lebensmittelüberwachung informiert das Bundesministerium für Ernährung , Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMEL) die obersten Landesbehörden u. a. über Rechtsetzungsvorhaben (Lebensmittelüberwachung) der Europäischen Union und auch betreffend Irreführung und Täuschung im Lebensmittelbereich. 4. Inwiefern beteiligt sich das Land Berlin an den „OPSON“-Operationen gegen Lebensmittelkriminalität? Zu 4.: Die deutsche Beteiligung an den von den Polizeibehörden Europol und Interpol koordinierten weltweiten OPSON-Operationen zur Aufdeckung von Lebensmittelbetrugsfällen wird durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit koordiniert . An den deutschen Operationen beteiligen sich die Berliner Lebensmittelüberwachungsbehörden aktiv. Die Koordination erfolgt durch die für die Lebensmittelüberwachung zuständige Senatsverwaltung, so dass die Berliner Lebensmittelüberwachungsbehörden gezielt bestimmte Lebensmittel zur Untersuchung bringen und bei entsprechenden Beanstandungen mit den Strafverfolgungsbehörden und dem Zoll zusammenarbeiten . 5. Welchen Stellenwert nimmt Lebensmittelkriminalität in den Ausbildungs- und Fortbildungsplänen der folgenden Gruppen ein: a. Lebensmittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrolleure b. Veterinärinnen und Veterinäre: Studium der Veterinärmedizin c. Veterinärinnen und Veterinäre: tierärztliche Staatsprüfung („Kreisexamen“) d. Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte e) Polizistinnen und Polizisten Zu 5. a): Lebensmittelkriminalität nimmt in der Ausbildung der Lebensmittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrolleure einen hohen Stellenwert ein. Das zeigt sich im hohen Umfang der damit direkt zusammenhängenden Ausbildungsinhalte aus den Bereichen Hygiene, Ernährungslehre, Mikrobiologie, Desinfektion usw. sowie der rechtlichen Grundlagen zur Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen geltende Vorschriften auf dem Gebiet der Lebensmittelkontrolle. Gemäß § 3 Abs. 2 Lebensmittelkontrolleur-Verordnung sind in der Ausbildung zur Lebensmittelkontrolleurin oder zum Lebensmittelkontrolleur u. a. Kenntnisse und Fertigkeiten auf folgenden Gebieten zu vermitteln: 5 1. Allgemeine Rechtskunde… 2. Straf-, Strafprozess- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; 3. Recht des Verkehrs mit Lebensmitteln, Erzeugnissen im Sinne von § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen einschließlich Weinrecht; … 6. Warenkunde einschließlich der Technologie und des Umgangs mit Lebensmitteln, Sensorik; … 8. Lebensmittel- und Betriebshygiene; 9. Umwelthygiene einschließlich Abfallbeseitigung; 10. Ernährungslehre einschließlich ihrer biologischen Grundlagen; 11. Mikrobiologie und Parasitologie, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Desinfektion, Sterilisation und Schädlingsbekämpfung; 12. Betriebliche Eigenkontrollsysteme; In der dazugehörenden Landesnorm der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für die Laufbahn des mittleren Lebensmittelkontrolldienstes (APOmD LK) sind dazu u. a. folgende Ausbildungsinhalte festgeschrieben: - Betriebskontrollen und Probenahmen, Sicherstellung/Beschlagnahme von Lebensmitteln, einschließlich Überwachung der unschädlichen Beseitigung - einfache physikalische und chemische Vorprüfungen/Messungen (Temperatur/Bestimmung des pH-Werts) - Prüfung technologischer Vorgänge unter besonderer Berücksichtigung der Grundsätze des Hazard Analysis Critical Control Point (HACCP)-Konzepts - Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen über den Schutz der Gesundheit, der Hygiene, der Zusatzstoffe, der Bestrahlung, der Pflanzenschutz- und sonstigen Mittel, der Stoffe mit pharmakologischer Wirkung und der neuartigen Lebensmittel - Einleitung und Durchsetzung von Maßnahmen zur Unterbindung von Rechtsverletzungen, Einholen erforderlicher Auskünfte, Einsichtnahme in geschäftliche Aufzeichnungen, Prüfung von Dokumenten im Rahmen der Eigenkontrolle, Überwachung von Lebensmittelimporten - Anzeige von Straftaten und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts - Organisation und Aufgaben der für Hygiene und Umweltmedizin zuständigen Bereiche; - Infektionsschutzgesetz, Belehrung von Personal in Lebensmittelbetrieben; - Einblick in die Aufgabengebiete Wasser-Abwasserhygiene, Schädlingsbekämpfung, klinische Bakteriologie; - Vermittlung von Kenntnissen bei der Beurteilung von Wasser für Lebensmittelbetriebe / Trinkwasser - Abgrenzung zu Oberflächen-, Brauch- und Abwasser; - Indikatoren für Fäkalverunreinigungen - Aufgaben und Organisation der für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörde. Die Ausbildung gliedert sich in einen berufspraktischen Teil von insgesamt 18 Monaten und einen fachtheoretischen Teil von sechs Monaten. Zur Ausbildung zugelassen wird nur, wer bereits einen Berufsabschluss mit zusätzlicher Fortbildungsprüfung auf Grund 6 des Berufsbildungsgesetzes, der Handwerksordnung oder als Technikerin oder Techniker mit staatlicher Prüfung in einem Lebensmittelberuf besitzt. Zu 5. b): Die Zusammenhänge der Lebensmittelkriminalität nehmen in den Ausbildungsund Fortbildungsplänen der Veterinärinnen und Veterinären einen hohen Stellenwert ein. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV) umfasst die tierärztliche Ausbildung einen praktischen Studienteil von 75 Stunden in der Hygienekontrolle und Lebensmittelüberwachung und -untersuchung sowie 100 Stunden in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Auch die theoretischen Unterrichtsveranstaltungen umfassen nach § 2 Absatz 2 TAppV in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 25 insgesamt 252 Stunden im Bereich der Lebensmittelkunde einschließlich Lebensmittelhygiene, zudem kann ein Teil des Praktikums (Wahlpraktikum ) in der Lebensmittelindustrie in der Herstellung und Prüfung von Lebensmitteln tierischer Herkunft abgeleistet werden. Letztlich umfasst nach § 29 der TAppV auch die Tierärztliche Prüfung die Prüfung in den Fächern Lebensmittelkunde einschließlich Lebensmittelhygiene und Fleischhygiene (Nr. 14 und 15). Zu 5. c): Auch im Rahmen der tierärztlichen Staatsprüfung nimmt der Themenkreis der Lebensmittelkriminalität einen zentralen Stellenwert ein. Die Weiterbildung im Bereich Öffentliches Veterinärwesen ist im Berliner Heilberufekammergesetz (BlnHKG) geregelt. § 51 des BlnHKG vom 2. November 2018 sieht für die Weiterbildung im Gebiet „Öffentliches Veterinärwesen“ das Ziel vor, Tierärztinnen und Tierärzten eingehende Kenntnisse und Erfahrungen zu vermitteln, die sie befähigen, öffentliche Aufgaben, insbesondere auch in der amtlichen Lebensmittelüberwachung und im Hinblick auf u. a. Tierseuchenbekämpfung, Tierkörperbeseitigung, Tierschutz und Futtermittelüberwachung , Tierarzneimittelüberwachung, Lebensmittelüberwachung einschließlich Hygiene von Lebensmitteln tierischer und nichttierischer Herkunft, Schlachttier - und Fleischhygiene, Geflügelfleischhygiene sowie Milchhygiene zu erfüllen. Die Kenntnisse werden in einer für die Anstellung als beamtete Tierärztin oder beamteter Tierarzt vorgeschriebenen Prüfung für das öffentliche Veterinärwesen abgeprüft. Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie das Lebensmittelrecht, das den Schutz vor Täuschung zum Gegenstand hat, sind Inhalt der Musterweiterbildungsordnung der Bundestierärztekammer. Im Zuge einer Neuregelung soll der Bereich Lebensmittelkriminalität bei den Weiterbildungsvorschriften berücksichtigt werden. Des Weiteren war das Thema Lebensmittelkriminalität auf dem 38. Internationalen Veterinärkongress des Bundesverbands der beamteten Tierärzte e.V. am 07.05.2019 schwerpunktmäßig vertreten. Zu 5. d): Das Lebensmittelrecht ist eine klassische Querschnittsmaterie, die im Rahmen allgemeiner Vorschriften Gegenstand der juristischen Ausbildung in den drei Kernrechtsgebieten ist (Zivil-, Straf- und Öffentliches Recht). In diesem Umfang können auch Fragen und Aufgabenstellungen mit Bezug auf Lebensmittel und daraus folgend auch zur Lebensmittelkriminalität in die juristischen Staatsprüfungen einfließen. Spezialkenntnisse im Bereich des Nebenstrafrechts (etwa im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB)) werden von den Prüflingen nicht verlangt. 7 Im Rahmen der Fortbildung ist die Lebensmittelkriminalität erst jüngst Gegenstand des in der Antwort zu 1 erwähnten Workshops der BLAG „Food Fraud /Lebensmittelkriminalität “ gewesen, an dem auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teilnehmen konnten und dessen Fortsetzung beabsichtigt ist. Zu 5. e): Die Polizeiakademie bietet keine speziellen Fortbildungsseminare hinsichtlich der Bearbeitung und des Erkennens von Lebensmitteldelikten an. Auch in der Ausbildung wird dieses Thema aktuell nicht gelehrt. 6. Existiert in Berlin eine Möglichkeit für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber unter Wahrung ihrer Anonymität , Hinweise auf Lebensmittelkriminalität zu geben? Zu 6.: Eine institutionalisierte Möglichkeit für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, unter Wahrung ihrer Anonymität Hinweise auf Lebensmittelkriminalität zu geben (beispielsweise ein Hinweisgebersystem für Lebensmittelkriminalität oder eine entsprechende Vertrauensperson ), ist im Zuständigkeitsbereich des Senats von Berlin nicht vorhanden. Es werden jedoch regelmäßig bei der Polizei Berlin in anonymer Form schriftlich Anzeigen erstattet und den Vorschriften entsprechend bearbeitet. 7. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit, dass beim Landeskriminalamt angesiedelte „Anonyme Hinweisgebersysteme (AHS)“ für Korruption auf andere Delikte, insbesondere Lebensmittelkriminalität, auszuweiten ? Zu 7.: Die Nutzung des anonymen Hinweisgebersystems (AHS) beim LKA, das derzeit auf Korruptionsdelikte beschränkt ist, für Delikte der Lebensmittelkriminalität wird geprüft. Es handelt sich bei der meist länderübergreifend organisierten Lebensmittelkriminalität um einen abgeschotteten Kriminalitätsbereich, bei dem die Aufdeckung wesentlich auf Hinweise von Insidern angewiesen ist und ein professioneller, den Quellenschutz wahrender Umgang mit den erlangten Informationen unerlässlich ist. Aktuell befindet sich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport in einem Abstimmungsprozess zur Entscheidung über die Erweiterung der Anwendung des Systems. Die Entscheidungsfindung ist noch nicht abgeschlossen. 8. Wie viele Strafverfahren wurden seit 2015 mit welchem Ergebnis wegen welcher Delikte gegen wie viele Tatverdächtige geführt? Zu 8.: Eine exakte Beantwortung der Frage ist nicht möglich. Denn der Begriff der „Lebensmittelkriminalität “ ist nicht allgemeingültig definiert. Es können lediglich die aus der unten stehend eingefügten Tabelle ersichtlichen Daten der Generalstaatsanwaltschaft zu Verfahren zugeliefert werden, die wegen Verstößen gegen das LFGB, das Milch – und Margarinegesetz (MilchMargG), das Seefischereigesetz (SeeFischG) und das Weingesetz (WeinG) geführt wurden. Daten zu Verfahren, die wegen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch im Zusammenhang mit Lebensmittelkriminalität geführt wurden (z. B. Betrug mit mangelhaften oder „gefälschten“ Lebensmitteln, Körperverletzung durch den Vertrieb von mangelhaften Lebensmitteln) können im elektronischen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (MESTA) nicht ermittelt werden. Um künftig Auswertungen vornehmen zu können und ein Lagebild erstellen zu können, wird entsprechend der Empfehlung der BLAG die Einrichtung eines Merkers in MESTA für Delikte der Lebensmittelkriminalität geprüft. 8 Eingangsjahr AnzahlJs Anzahl UJs Insgesamt 2015 724 13 737 2016 870 7 877 2017 642 4 646 2018 545 2 547 2019 272 13 285 Summe 3.053 39 3.092 Anzahl der Js-Verfahren und UJs-Verfahren (Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt) mit einem der Delikte § 58, 59, 999 LFGB; § 8 MilchMargG; § 19 SeeFischG; § 48, 49, 999 WeinG, die im Zeitraum 01.01.2015 bis 05.11.2019 eingegangen sind. Berlin, den 15. November 2019 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung