Drucksache 18 / 21 481 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Walter und Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 04. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. November 2019) zum Thema: Stand der Rehabilitierung und Entschädigung von Personen nach StrRehaHomG (§§151, 175) im Land Berlin und Antwort vom 18. Nov. 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sebastian Walter und Frau Abgeordnete Anja Kofbinger (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21481 vom 4. November 2019 über Stand der Rehabilitierung und Entschädigung von Personen nach StrRehaHomG (§§151, 175) im Land Berlin ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Anträge nach StrRehaHomG, ob und gegebenenfalls inwieweit ein konkretes Urteil aufgehoben wurde, sind bei der Generalstaatsanwaltschaft bzw. Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich gestellt worden ? Bitte nach Kalenderjahren der Antragstellung und Entscheidung aufschlüsseln sowie wenn möglich nach §§ 151, 175. Zu 1.: Bei der Staatsanwaltschaft Berlin sind im Jahr 2017 zwölf Anträge auf Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG) eingegangen. In einem Fall betraf der Antrag zwei Verurteilungen. Diese Anträge betrafen ausnahmslos Verurteilungen nach dem westdeutschen Strafrecht (§ 175 Strafgesetzbuch (StGB)). In den Jahren 2018 und 2019 (Stand: 7. November 2019) sind keine weiteren Anträge eingegangen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin sind keine Anträge eingegangen. 2. Durch wen wurde die Feststellung der Aufhebung der Urteile beantragt? Bitte aufschlüsseln nach Antragsberechtigten : - durch die verurteilte Person - nach deren Tod durch: ihren Ehegatten oder ihre/-n Lebenspartner/-in; die Person, mit der sie ein Verlöbnis oder ein Versprechen eingegangen war, eine Lebenspartnerschaft zu begründen; ihre Eltern, Kinder oder Geschwister. Zu 2.: Die Anträge wurden ausnahmslos von verurteilten Personen gestellt. 3. Wie viele Anträge erreichten die Generalstaatsanwaltschaft bzw. Staatsanwaltschaft Berlin - aufgrund örtlicher Zuständigkeit, weil das aufgehobene Urteil im ersten Rechtszug von einem Berliner Gericht erlassen wurde? - weil sich die zuständige Staatsanwaltschaft nicht bestimmen lässt und die antragsstellende Person ihren Wohnsitz in Berlin hat? - weil die antragstellende Person ihren Wohnsitz im Ausland hat und sich nicht mehr sagen lässt, welches Gericht das Urteil ausgesprochen hat? Bitte jeweils nach §§151, 175 aufschlüsseln. 2 Zu 3.: Soweit die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Berlin gegeben war, war dies ausschließlich der Fall, weil das aufgehobene Urteil von einem Berliner Gericht erlassen worden war. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin sind keine Anträge eingegangen. 4. Wie viele der eingereichten Anträge führten zur Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung? Zu 4.: Von den eingegangen Vorgängen wurde jeweils ein Vorgang nach § 3 Abs. 4 S. 1 StrRehaHomG an die Staatsanwaltschaften Rostock und Bochum zur weiteren Bearbeitung abgegeben. Die verbliebenen zehn Anträge wurden dahingehend beschieden, dass in acht Vorgängen Rehabilitierungsbescheinigungen gemäß § 3 Abs. 1 StrRehaHomG erteilt wurden, während in den zwei weiteren Vorgängen der Antrag abgelehnt werden musste. 5. Wie viele der eingereichten Anträge führten zur Feststellung einer teilweisen Rehabilitierung? Welche Gründe lagen vor, wenn keine vollständige Rehabilitierung anerkannt wurde? Bitte nach Gründen aufschlüsseln . Zu 5.: In zwei Fällen erfolgte die Feststellung einer teilweisen Rehabilitierung, weil in den zugrundeliegenden Urteilen neben § 175 StGB in der jeweils geltenden Fassung eine Verurteilung auch wegen weiterer Delikte erfolgt war. 6. Wie viele der eingereichten Anträge wurden abgelehnt? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung nach Gründen der Ablehnung. Zu 6.: In zwei Fällen wurde die Erteilung abgelehnt, nachdem auch auf wiederholte Nachfrage und Mitteilung von Hilfsangeboten keine nach dem StrRehaHomG erforderliche Glaubhaftmachung oder sonstige Reaktion erfolgte, wobei in einem Fall bekannt wurde, dass der Verurteilte zwischenzeitlich verstorben war. 7. Wie lange dauert im Schnitt die Bearbeitung eines Antrags zur Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung ? Zu 7.: Statistische Erhebungen liegen dazu nicht vor. Durchschnittlich wird ein Antrag innerhalb von drei bis vier Monaten beschieden. 8. Wie schätzt der Senat das aktuelle, von der Bundesregierung kommende, Informationsangebot über das Verfahren zur Rehabilitierung und Entschädigung für potenzielle Anspruchsberechtigte ein? Zu 8.: Sowohl das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) als auch das Bundesamt für Justiz (BfJ) bieten mit ihren Internetauftritten Informationen über das Gesetz und die Verfahrenswege, die über die Suchfunktion aufgerufen werden können . Für eine weitergehende Unterstützung und Beratung der Betroffenen besteht die Möglichkeit, mit dem im BfJ zuständigen Referat unmittelbar Kontakt aufzunehmen. Nach Einschätzung des Senats kann die komplexe Darstellung der Inhalte, die sich an Personen im hohen Lebensalter richtet, für diese durchaus eine Zugangshürde darstellen . Das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und BMJV verweisen auf den Homepages an die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e.V. (BISS), die eine Hotline eingerichtet hat und Betroffene zu allen Fragen der Rehabilitierung und des individuellen Entschädigungsanspruchs kostenfrei berät und begleitet . Hierfür wird sie vom BMJV und BMFSFJ mit Zuwendungen gefördert. Weitere Informationsangebote der Bundesregierung sind dem Senat nicht bekannt. 3 9. Bestehen aus Sicht des Senats weitere Möglichkeiten, um potenziell Antragsberechtigte niedrigschwellig zur Einreichung von einem Antrag zu überzeugen? Wenn ja, welche Formate sind dies? Zu 9.: Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung fördert das Projekt „Netzwerk Anders Altern“ der Schwulenberatung gGmbH sowie die Angebote des Trägers Mann-O-Meter e.V. für schwule und bisexuelle Männer im Alter. Beide Einrichtungen sind Gründungsmitglieder der BISS und ermutigen die Nutzenden ihrer Angebote, das Verfahren zur Rehabilitierung und Entschädigung in Anspruch zu nehmen . Im Rahmen der Absage einer ursprünglich durch die Ansprechpersonen für LSBTI der Staatsanwaltschaft Berlin mit „MANEO - Das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin“ geplanten gemeinsamen Informationsveranstaltung zum Rehabilitierungsrecht nach dem StrRehaHomG aufgrund fehlender Teilnehmer wurde bekannt, dass bei den als Antragstellern in Betracht kommenden Personen Vorbehalte bestünden, sich in diesem Kontext in der Öffentlichkeit zu zeigen. Dies könnte insgesamt auf eine nachvollziehbare Zurückhaltung von Betroffenen hindeuten, sich für ein Entschädigungsverfahren an die Behörden zu wenden, der nur schwer zu begegnen sein dürfte. Berlin, den 18. November 2019 In Vertretung Margit Gottstein Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung