Drucksache 18 / 21 483 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) vom 01. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. November 2019) zum Thema: Ausbau von Täter- und Täterinnenprogrammen bei Häuslicher Gewalt und Antwort vom 15. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Bernd Schlömer (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21483 vom 1. November 2019 über Ausbau von Täter- und Täterinnenprogrammen bei Häuslicher Gewalt -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Projekte werden zum jetzigen Stand gefördert, die sich der Gewaltprävention und dem Opferschutz widmen? Wie gestalten sich deren Laufzeiten und wer ist für Planung und Ausführung zuständig? Zu 1.: Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung fördert in den Bereichen „Gewaltprävention“, „Opferschutz“ und „Opfer“ zurzeit folgende Projekte: · Einzel- und Gruppentherapie von Tätern mit Weisung; Träger: Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk gAG · Beratung für Männer - gegen Gewalt (Kooperationsverbund mit Kind im Blick); Träger: Volkssolidarität Landesverband Berlin e.V. · Kind im Blick (Kooperationsverbund mit Beratung für Männer - gegen Gewalt); Träger: Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) · Gewaltschutzambulanz (seit 2016 inklusive Kinderschutzambulanz); Träger: Charité - Universitätsmedizin Berlin · iTOB - Stop Stalking; Träger: Stop Stalking KUB e.V. · Zeugenbegleitprogramm; Träger: Wildwasser e.V. · Zeugenbetreuungsstelle im Kriminalgericht Moabit; Träger: Opferhilfe Berlin e.V. · Opferbeauftragter des Landes Berlin 2 · LesMigraS - Opferberatung und -begleitung für Lesben und bisexuelle Frauen sowie transgeschlechtliche Menschen; Träger: Lesbenberatung Berlin e.V. · L-SUPPORT - niedrigschwellige Anlaufstelle für lesbische und bisexuelle Gewaltbetroffene ; Träger: L-Support e.V. · MANEO - Opferberatung und -begleitung für Schwule und bisexuelle Männer; Träger: Mann-O-Meter e.V. Eine Täterarbeit nach den von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit e. V. entwickelten Standards wird aktuell nur im Projekt „Beratung für Männer – gegen Gewalt“ der Volkssolidarität e. V. angeboten. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung fördert ein Projekt, das Partnerinnen von Tätern berät, die an den Täterkursen der Volkssolidarität teilnehmen. Die Beratung findet bei der Fachberatungs- und Interventionsstelle Frauentreffpunkt des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. Berlin statt. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie fördert im Rahmen der Kinderund Jugendhilfe das Projekt „Täter-Opfer-Ausgleich“. Das von der Evangelisches Jugend - und Fürsorgewerk gAG geleitete Projekt richtet sich an im Strafverfahren beschuldigte junge Menschen in der Altersgruppe von 14 bis 21 Jahren. Die Laufzeiten der vom Senat zuwendungsfinanzierten Projekte richten sich nach den vom Haushaltsgesetzgeber durch die jeweiligen Haushaltspläne vorgegebenen Zeiträumen . 2. Welche genauen Förderkriterien sind ausschlaggebend für die Förderung von Projekten bei der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung im Förderbereich „Prävention und Opferschutz “? Wie ist das Fördermanagement aufgestellt, wie gestaltet sich der Verfahrensablauf, durch den die Förderung beantragt wird? Zu 2.: Der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung obliegt die Zuständigkeit für die Arbeit mit Straftäterinnen und Straftätern im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt im Bereich der Führungsaufsicht, Auflagenerfüllung und Resozialisierung sowie mit Täterinnen und Tätern, denen eine familiengerichtliche Beratungsanordnung erteilt wurde. Entsprechende Projekte werden von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gefördert. Daraus folgt, dass diese Projekte Täterinnen und Täter im Sinne des Strafrechts in den Fokus nehmen. So stehen für diese spezielle Täterinnen- und Tätergruppe sowohl innerhalb als auch außerhalb des Strafvollzuges ausreichend Beratungs- und Trainingsangebote zur Verfügung . Eine darüber hinausgehende Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung für die Förderung von allgemeinen Präventiv- Projekten besteht grundsätzlich nicht. Da die Übergänge zwischen Präventiv-Projekten und solchen mit Justizbezug oftmals fließend sind, kommt es jedoch vereinzelt zur Förderung von Projekten, die neben dem Justizbezug auch einen präventiven Ansatz aufweisen. So steht es auch mit dem von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung geförderten Angebot der Volkssolidarität „Beratung für Männer - gegen Gewalt“, welches die Tätergruppe mit Justizbezug berät und ausreichend Plätze für diese bereitstellt. Da die durch justi- 3 zielle Stellen zugewiesenen Täter weniger als ein Drittel der Klienten ausmachen und sich der übrige Teil der Klienten aus Selbstmeldern sowie aus durch die Polizei oder das Jugendamt zugewiesenen Tätern zusammensetzt, fördert die Senatsverwaltung für Justiz , Verbraucherschutz und Antidiskriminierung im Ergebnis auch Täterinnen- und Täterarbeit im präventiven Bereich, ohne dass für diese Förderung eine originäre Zuständigkeit bestehen würde. Aufgrund der verschiedenen Gruppen von Täterinnen und Tätern und der fließenden Übergänge zwischen diesen, sieht der Senat die Arbeit mit Täterinnen und Tätern und die Prävention als ressortübergreifende Aufgabe an. Ansonsten gilt, dass die jeweiligen Projekte so ausgerichtet sein müssen, dass durch ihre Umsetzung ein Beitrag zu den vom Senat angestrebten Zielen im Bereich der Gewaltprävention und des Opferschutzes geleistet werden kann. Maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Projekt durch Zuwendungen von Seiten der Senatsverwaltung gefördert werden soll, ist dessen inhaltliche Qualität. Diese Prüfung obliegt der jeweils zuständigen Fachverwaltung , welche die Entscheidung über eine Förderung trifft. 3. Warum wird die bestehende Einrichtung BIG (Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen e.V.) im Bereich der Täter- und Täterinnenarbeit häuslicher Gewalt gefördert, hingegen eine für die Stadt zwingend notwendige weitere Einrichtung mit gleichem Tätigkeitsbereich jedoch abgelehnt? Zu 3.: Beim Projekt BIG Koordinierung (Träger ist die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen e.V.) ist eine ressortübergreifende, interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft „Täterorientierte Intervention“ angesiedelt. Diese ist konzeptionell und koordinierend tätig. Dort findet jedoch keine Arbeit mit Täterinnen und Tätern häuslicher Gewalt statt. Ein Bedarf für eine weitere koordinierende Stelle ist dem Senat derzeit nicht bekannt. 4. Wie verhält sich die o.a. Ablehnung vor dem Hintergrund, dass noch am 4. Februar 2018 in der ‘Fachkommission häusliche Gewalt’ deutlich entschieden worden ist, dass der Senat für ein ausreichendes Angebot für Täterarbeit häuslicher Gewalt zu sorgen hat und dass dafür ausreichende Mittel im Haushalt 2020/2021 veranschlagt werden sollten? a) Was können Sie zum aktuellen Stand der Umsetzung dieses Beschlusses mitteilen? b) Was hat sich seit der Schriftlichen Anfrage der Kollegin Anja Kofbinger (GRÜNE) (Drucksache 18/18419) ergeben? Zu 4.: Im Senat findet derzeit ein ressortübergreifender Abstimmungsprozess der Umsetzung dieser Empfehlung statt. 5. Welche Form muss ein den Vorgaben der sogenannten Istanbul-Konvention entsprechendes Angebot zur Gewaltprävention und dem Opferschutz konkret haben, um den fachlichen Standards zu entsprechen? a) Warum besteht in diesem Kontext kein Förderungsbedarf für allgemeine Präventiv-Projekte (vgl. (Drucksache 18/18419)? b) Wie gedenken Sie Förderkonflikte in diesem Kontext zu lösen? Zu 5.: Die Arbeit mit Tätern ist Gegenstand des Artikels 16 der Istanbul-Konvention, der wiederum in den Ziffern 102 bis 104 des erläuternden Berichts konkretisiert wird. Zu den Anforderungen, die hier formuliert werden, gehört ein genderreflektierter Ansatz, die Qualifikation der Betreuenden, die sprachliche und kulturelle Kompetenz, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen sowie die Ausrichtung an den Bedürfnissen und der Sicherheit der Opfer sowie ihrer Menschenrechte. Die Bundesregierung verweist in ihrer Denkschrift zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention hierzu auf die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. entwickelten Standards. 4 6. Im Jahr 2014 wurde das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut Freiburg (SOFFIF) von der damals zuständigen Senatsverwaltung damit beauftragt, eine Studie zur Weiterentwicklung des Berliner Unterstützungssystems bei häuslicher Gewalt zu erstellen. Welche Implikationen hatten die Resultate dieser Studie bei der Erstellung von Betreuungsangeboten für Frauen und Kinder seitdem? Zu 6.: Die Autorinnen der Studie bewerten die Grundversorgung gewaltbetroffener Frauen und ihrer Kinder in Berlin als gewährleistet. Für bestimmte Zielgruppen (z.B. Frauen mit starken psychischen Belastungen bzw. psychischen Erkrankungen, suchtkranke Frauen, Frauen mit Beeinträchtigungen, Migrantinnen mit Multiproblemlagen) wurden Bedarfslücken identifiziert, an deren Schließung die für Frauen und Gleichstellung zuständige Senatsverwaltung seitdem kontinuierlich arbeitet. Der Leitgedanke für die Weiterentwicklung ist, dass jeder betroffenen Frau und ihren Kindern eine auf ihre spezielle Situation zugeschnittene, passgenaue Hilfe und Unterstützung angeboten werden soll. Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen ist ein kontinuierlicher Prozess. Im Rahmen der Umsetzung wurde u.a. damit begonnen, ein besseres Unterstützungsangebot für Frauen mit psychischen Belastungen durch die Schaffung einer Psychologinnen-Stelle in einem Frauenhaus aufzubauen. Im Zuge der Schaffung neuer Frauenhausplätze wird auf Barrierefreiheit geachtet. Als Beispiel sei hier der Umzug des Frauenhauses der Interkulturellen Initiative in eine andere Immobilie genannt, durch den 15 zusätzliche Plätze zur Verfügung gestellt werden. Die Immobilie wird baulich barrierefrei sein, sowie 5 Plätze für Frauen mit Beeinträchtigungen vorhalten. Außerdem soll in diesem Zusammenhang das Angebot für von Gewalt betroffene Frauen mit älteren Söhnen ebenfalls geprüft werden. Für Frauen mit Lernschwierigkeiten wurde das Informationsangebot weiter ausgebaut. Die Broschüre „Häusliche Gewalt ist nie in Ordnung“ in leichter Sprache wurde 2017 überarbeitet und in Arabisch, Farsi, Englisch, Somali und Tigrinya übersetzt und gedruckt . Auf der Grundlage dieser Broschüre wurde eine Website in Leichter Sprache erstellt , die auch für die Ausgabe über Smartphones und Tablets optimiert ist (www.liebemit -respekt.de). Aufgrund der hohen Nachfrage ist auch die Broschüre „Was tun bei sexueller Gewalt? Wichtige Informationen für Frauen und Mädchen in Leichter Sprache“ 2018 überarbeitet und mit 10.000 Exemplaren neu aufgelegt worden. Sie wird insbesondere über Frauenbeauftragte in Werkstätten in Berlin an Frauen mit Behinderungen und über die für Soziales zuständige Senatsverwaltung an Frauen mit Behinderungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe verteilt. Berlin, den 15. November 2019 In Vertretung Dr. Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung