Drucksache 18 / 21 522 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader (LINKE) vom 07. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2019) zum Thema: Pegida München-Demonstration im Görlitzer Park und Rigaer Straße am 4. und 5. Oktober 2019 und Antwort vom 20. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) und Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21522 vom 7. November 2019 über Pegida München-Demonstration im Görlitzer Park und Rigaer Straße am 4. und 5. Oktober 2019 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen nahmen für welche jeweiligen Zeiträume an der Demonstration von Pegida München im Görlitzer Park am 4. Oktober 2019 und der Demonstration „Rigaer 94 - ein Ort undemokratischer Denkweise und Verfassungsfeindlichkeit“ am darauffolgenden Tag teil? Zu 1. Bei der Kundgebung „Drogenpolitik Görlitzer Park/Berlin ein Desaster für Rechtsstaat und Gesellschaft“ am 4. und 5. Oktober 2019 waren fünf Teilnehmende anwesend. An der Kundgebung „Rigaer Straße 94 – Ein Ort undemokratischer Denkweise und Verfassungsfeindlichkeit“ am 5. und 6. Oktober 2019 nahmen sieben Personen teil. 2. Durch welche Organisationen wurde auf welche Arten wann jeweils zu den Versammlungen mobilisiert? Zu 2.: Der Anmelder äußerte, seine Kundgebungen auf seiner eigenen Internetpräsenz zu bewerben. 3. Welche Auflagen wurden den Anmeldern der 24h-Demonstration im Görlitzer Park dem Wortlaut nach erteilt und welche Verstöße gegen diese wurden von den Sicherheitsbehörden erfasst? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 3.: Für die „24h-Demonstration“ im Görlitzer Park ist kein Auflagenbescheid ergangen. Seite 2 von 5 4. Mit Hilfe welcher sozialer Netzwerke und jeweiliger Seiten bzw. Gruppen oder Accounts wurde zu den unter 1. genannten Versammlungen aufgerufen? Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 2. 5. Wie genau hat die Polizei im Vorfeld der Demonstrationen welche genauen Vorerkenntnisse zum Anmelder der beiden Versammlungen aus dem Bereich Politisch Motivierte Kriminalität–rechts auch von welchen anderen Behörden abgefragt, untersucht und in die Planung der Polizeieinsätze und in eine Gefährdungsbewertung einfließen lassen? Zu 5.: Die Erstellung einer Gefährdungsbewertung erfolgt zur Unterstützung des behördeninternen Entscheidungsprozesses zur Einsatzbewältigung. Teile des Inhalts gründen sich dabei auf bereits vorhandene Erkenntnisse hinsichtlich des Anmelders und analoger Versammlungen in der Vergangenheit. Ergänzend dazu erfolgen Social Media Ermittlungen und -jeweils aktuell und lageangepasst- auch Anfragen zur Informationsgewinnung bei der Versammlungsbehörde und dem Berliner Verfassungsschutz. Zu personenbezogenen Daten, insbesondere hinsichtlich der anmeldenden Person, werden aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Angaben gemacht. 6. Aufgrund welcher konkreter zugrunde liegender Anhaltspunkte und Lageeinschätzungen waren während der Pegida-Dauerdemonstration und der anschließenden Demonstration in der Rigaer Straße über 200 Polizeidienstkräfte durchgängig im Einsatz? Zu 6.: Wegen der besonderen Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit darf ihre Ausübung nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden. Der Kräfteansatz mit Spezialkräften, die kommunikativ besonders geschult und erfahren sind, war nötig, um körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Versammlungsteilnehmenden der unterschiedlichen Lager vorzubeugen und so die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. 7. Wie viele Demonstrierende nahmen jeweils an den Gegenprotesten teil? Zu 7.: Anlässlich der Kundgebung im Görlitzer Park wurden in der Spitze bis zu 300 Teilnehmende bei Gegenprotesten festgestellt. Bei der Kundgebung am Folgetag in der Rigaer Straße wurden bei den Gegenversammlungen folgende Zahlen in der Spitze erhoben: „Nordkiez gegen Rassismus und Nazis“ – 70 Teilnehmende, „Keine Münchner Nazis in Friedrichshain“ – 300 Teilnehmende, „Menschenrechte statt rechte Menschen“ – 50 Teilnehmende. 8. Aufgrund welcher Geschehnisse kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmer*innen der Pegida-Demonstration und Gegendemonstrierenden? Seite 3 von 5 Zu 8.: Im Rahmen der Kundgebung im Görlitzer Park kam es nicht zu Auseinandersetzungen im Sinne der Fragestellung. Während der Pegida - Kundgebung in der Rigaer Straße wurden im nahen Umfeld die drei in der Antwort zu Frage 7 aufgeführten Gegenversammlungen angemeldet. Aus der Versammlung „Menschenrechte statt rechte Menschen“ heraus kam es zu lautstarken Unmutsäußerungen der Teilnehmenden mit latenter Aggressivität. 9. Kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Demonstrierenden und/oder Gegendemonstrierenden? Wenn ja, aufgrund welcher Geschehnisse? (Bitte einzeln nach Ort, Uhrzeit und Vorfall aufschlüsseln.) Zu 9.: Während der Versammlung im Görlitzer Park gab es keine Auseinandersetzungen im Sinne der Fragestellung. Der Versammlungsleiter beendete seine Versammlung störungsfrei. Im Rahmen der Versammlung in der Rigaer Straße kam es im Bereich der Absperrung gegen 23:50 Uhr zu einem Flaschenwurf einer Teilnehmenden der Gegendemonstration „Menschenrechte statt rechte Menschen“ in Richtung der Polizeidienstkräfte. Hierbei wurde eine Polizeidienstkraft schwer am Kopf verletzt. Während der Versammlung „Keine Münchner Nazis hier in Friedrichshain“ wurde eine männliche Person festgenommen, die zuvor bei der Begehung einer Straftat festgestellt wurde. Teilnehmende versuchten die Absperrgitter zu übersteigen. Vereinzelt kam es zu Flaschenwürfen gegen die eingesetzten Polizeidienstkräfte. 10. In welchen Zeiträumen registrierte die Polizei während der Dauerkundgebungen im Görlitzer Park und in der Rigaer Straße auf Seiten der extrem rechten Kundgebung weniger als zwei Versammlungsteilnehmer*innen und wie wurde durch die Polizei darauf reagiert? Zu 10.: Während der jeweils angemeldeten Versammlungszeiträume waren nie weniger als zwei Teilnehmende anwesend. 11. In welchen Zeiträumen registrierte die Polizei während der Dauerkundgebungen im Görlitzer Park und in der Rigaer Straße auf Seiten der extrem rechten Kundgebung weder Rede- noch Musikbeiträge und wie wurde durch die Polizei darauf reagiert? Zu 11.: Der Artikel 8 Grundgesetz (GG) räumt den Veranstaltenden einer Versammlung eine weitgehende Typen- und Gestaltungsfreiheit ein. Die Versammlungen waren im Wesentlichen durch unterbrechungsfreie, fortlaufende Videodarstellungen und Musikdarbietungen geprägt. 12. Wie und zu welchen Zeitpunkten wurde der Veranstalter der extrem rechten Versammlung gegebenenfalls im Laufe der Kundgebung von der Polizei angesichts fehlender Versammlungsteilnehmer*innen und ausbleibender Beiträge darauf hingewiesen, dass das Geschehen der kollektiven öffentlichen Meinungsbildung und Kundgabe dienen sollte, um vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit erfasst zu sein? Seite 4 von 5 Zu 12.: Siehe Antworten zu den Fragen 10 und 11. 13. Welche verschiedenen technischen Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen oder - übertragungen wurden bei den Polizeieinsätzen im Rahmen der unter 1. genannten Versammlungen jeweils aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken eingesetzt oder zum Einsatz vorgehalten? Zu 13.: Die eingesetzten Polizeidienstkräfte waren entsprechend dem bundesweit abgestimmten Ausstattungsnachweis für die Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes ausgerüstet. Für die beweissichere Dokumentation werden von den Einsatzkräften tragbare Kameras mitgeführt. Weitergehende technische Mittel zur Anfertigung von Ton- und Bildaufzeichnungen wurden im Rahmen des Versammlungsschutzes nicht eingesetzt. Darüber hinaus war, unabhängig von den angemeldeten Versammlungen, ein Videoanhänger der Polizei Berlin im Görlitzer Park aufgestellt. Eine Datenerhebung (Ausrichtung des Objektivs und/oder Aufzeichnen von Sequenzen) hat nicht stattgefunden. 14. Welchen Grund hatten die polizeilichen Maßnahmen durch Polizeidienstkräfte der 33. Einsatzhundertschaft im Bereich der Rigaer Straße gegen eine am Boden liegende Person mit einer Beinschiene, die trotz Verletzung durch zwei Beamt*innen mit körperlicher Gewalt über die Straße getragen wurde? Zu 14:: Diese Person war Tatverdächtigter einer vorangegangenen Straftat nach § 86a StGB (Ausruf „Sieg Heil“ sowie Heben des linken Armes). Zur Sicherung weitergehender strafprozessualer Maßnahmen waren daher freiheitsbeschränkende Maßnahmen nötig. Die Person hatte sich auf den Boden fallen lassen, nachdem sie sich zuvor an Gehhilfen äußerst agil im Versammlungsbereich bewegte. Medizinische Hilfe wurde angeboten, durch die betroffene Person jedoch abgelehnt. 15. Wurde gegen Polizeidienstkräfte anlässlich des vorgenannten Sachverhalts ein Disziplinar- oder Strafverfahren wegen welcher in Frage kommender Tatbestände eingeleitet? Wenn nein, aus welchen konkreten Gründen nicht? Zu 15.: Nein, es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens oder einer Straftat. 16. Aus welchen Gründen hat die Polizei wann und wo jeweils im Rahmen des Versammlungsgeschehens in der Rigaer Straße die Erstversorgung von Verletzten durch Demosanitäter*innen behindert oder nicht zugelassen? Zu 16.: Der Polizei Berlin ist kein Sachverhalt im Sinne der Fragestellung bekannt. Seite 5 von 5 17. Welche Kenntnisse hat der Senat auf Grundlage der Veranstaltungsdatenbank über weitere Veranstaltungen, für die die Anmelder*innen des rechten Aufmarsches im Görlitzer Park am 4. Oktober 2019 und in der Rigaer Straße am darauffolgenden Tag ebenso als Anmelder*innen fungierten? (Bitte einzeln nach Datum, Bezirk und Namen der Veranstaltung aufführen und wie Drs. 18/16119 beantworten.) Zu 17.: Datum Bezirk Thema 04.10.2018 Mitte "Merkel muß weg; Islam - Gefahr für unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung" 16. bis 18.11.2018 Mitte "Merkel muß weg - Migrationspakt - Islam, die Gefahr für unsere Demokratie" 18. Welche Versammlungen mit welchem jeweiligen Titel sind für die Zukunft mit welcher zu erwartenden Teilnehmer*innezahl im Görlitzer Park oder in der Rigaer Straße für welches Datum jeweils angemeldet? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 18.: Einer zur Veröffentlichung bestimmten Beantwortung dieser Frage steht das Grundrecht der Versammlungsveranstaltenden aus Art. 8 Grundgesetz (GG) entgegen. Das Fragerecht nach Art. 45 Absatz 1 Verfassung von Berlin (VvB) findet seine Grenzen u. a. in den Grundrechten Dritter. Überwiegt der Grundrechtsschutz nach der von Verfassungs wegen gebotenen Abwägung im Einzelfall das parlamentarische Informationsinteresse, so scheidet eine zur Veröffentlichung bestimme Beantwortung aus. Das Recht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG und Art. 26 VvB beinhaltet das Recht, darüber zu entscheiden, welche Informationen und Angaben zur Versammlung öffentlich bekannt gemacht werden. Dies gilt insbesondere für die Bekanntgabe der Wegstrecke bzw. des Versammlungsorts. Die Abwägung dieser Grundrechtsposition mit dem mit der Frage verfolgten Informationsinteresse führt dazu, dass eine vorgezogene öffentliche Bekanntgabe der angemeldeten Versammlungen zu unterbleiben hat. Ungeachtet dessen kann zur Wahrnehmung des Rechts aus Art. 45 Absatz 1 VvB für Abgeordnete die Möglichkeit gegeben werden, die Unterlagen über bevorstehende angemeldete Versammlungen einzusehen. Berlin, den 20. November 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport