Drucksache 18 / 21 526 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tobias Schulze (LINKE) vom 07. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. November 2019) zum Thema: Neuverhandlung Semesterticket II und Antwort vom 27. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung - Herrn Abgeordneten Tobias Schulze (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21526 vom 07. November 2019 über Neuverhandlung Semesterticket II ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht ohne Beiziehung der Hochschulen des Landes Berlin beantworten kann. Diese wurden um Stellungnahme gebeten . 1. Welche Ergebnisse haben die Verhandlungen zur Fortschreibung der Semesterticket-Verträge der Berliner Hochschulen ergeben? Zu 1.: Den verfassten Studierendenschaften wurde ein Angebot für unbefristete Semesterticketverträge mit Preissteigerungen nach dem Indexverfahren vorgelegt. Der Beratungs- Zusammenschluss der Semesterticketreferentinnen und -referenten der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technischen Universität Berlin, Universität der Künste Berlin, Beuth-Hochschule für Technik Berlin und „Alice-Salomon“-Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin (kurz: Semtix-Ratschlag) brach im Frühjahr 2019 die Verhandlungen ab, da aus deren Sicht das Zustandekommen der tatsächlichen Tarifanpassung für die Semestertickets intransparent blieb. Als Alternative wurde zunächst das Tarifangebot Semesterticket Berlin ABC (Solidarmodell ) bis einschließlich Wintersemester 2020/2021 von allen Berliner Hochschulen akzeptiert , die Ergänzungsvereinbarungen dazu sind bereits unterzeichnet. Der Semtix-Ratschlag, d.h. die Vertretung der verfassten Studierendenschaften, sieht in Anbetracht aktueller Entwicklungen (kostenlose Tickets für Schülerinnen und Schüler, 365€-Jahrestickets für Azubis, gültig im gesamten Verkehrsverbund Berlin Brandenburg) eine Notwendigkeit zu grundsätzlichen Anpassungen beim Semesterticket. - - 2 2. Wann sind weitere Verhandlungsrunden geplant? Zu 2.: Anfang Dezember 2019 werden die Vertragsverhandlungen zum Tarifangebot „Semesterticket Berlin ABC“ ab dem Sommersemester 2021 aufgenommen. 3. Welche Hochschulen haben bereits Verträge für das Sommersemester 2020 unterschrieben? Zu 3.: Alle staatlichen sowie die konfessionellen Hochschulen des Landes Berlin haben die Verträge für ein Semesterticket Berlin ABC für das Sommersemester 2020 unterzeichnet. 4. Wie sind diese Vertragsunterzeichnungen zu Stande gekommen? Beruhen sie auf separaten Verhandlungen mit einzelnen Hochschulen? Zu 4.: Aufgrund des Beschlusses des Aufsichtsrates des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg GmbH (VBB) vom 28. März 2019 wurden die Studierendenschaften der Berliner Hochschulen Anfang Mai 2019 darüber informiert, dass die Semesterticketpreise für die Studierenden der Berliner Hochschulen (Gültigkeitsbereich Berlin ABC) auch im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/2021 nicht angehoben werden und der Semesterticketpreis damit bis einschließlich Wintersemester 2020/2021 weiterhin 193,80 Euro beträgt . Die Hochschulen wurden, wie auch im Verfahren für das Wintersemester 2019/20, um Zustimmung gebeten. Mit Einverständniserklärung jeder Hochschulen verlängert sich damit die Laufzeit der Semesterticketverträge bis einschließlich Wintersemester 2020/2021. 5. Wie können Studierende das im VBB-Tarif 2019 enthaltene Ticket verbundweit für 242 Euro aktuell erhalten ? Gibt es Hochschulen, die dieses Semesterticket anbieten? Zu 5.: Voraussetzung für das „Semesterticket mit Nutzung im gesamten Verbundgebiet für Berliner Studierende“ ist, dass sich die Mehrheit der Studierenden bei einer Urabstimmung für dieses Ticket mit einem Preis von aktuell 242,00 Euro je Semester entscheidet. Jede Berliner Hochschule vereinbart in einem Semesterticketvertrag einheitlich ein für sie anzuwendendes Tarifangebot als Solidarmodell. Die Studierenden jeder Berliner Hochschule haben dabei die Wahl zwischen einem „Semesterticket Berlin ABC“ und dem „Semesterticket mit Nutzung im gesamten Verbundgebiet für Berliner Studierende“. Bisher hat sich keine Berliner Hochschule für das Tarifangebot „Semesterticket mit Nutzung im gesamten Verbundgebiet für Berliner Studierende“ entschieden. 6. Wie bewertet der Senat das Solidarmodell der Berliner Hochschulen zum Semesterticket aus verkehrsund hochschulpolitischer Sicht sowie in Bezug auf die Einnahmesituation der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen ? - - 3 Zu 6.: Der Senat bewertet das Angebot an die Studierendenschaften, Semestertickets für alle Studierenden einer Hochschule als Solidarmodell zu vereinbaren als ein attraktives Angebot , da es abhängig von der Wahlmöglichkeit den Nutzerinnen und Nutzern eine freizügige Mobilität in und um Berlin im Tarifbereich ABC bzw. sogar im gesamten VBB ermöglicht und damit nicht nur den Hochschulbesuch, sondern auch eine gesellschaftliche Teilhabe unterstützt. Aus Verkehrserhebungen ist bekannt, dass Berliner Studierende das Tarifangebot in hohem Maße nutzen. Aus verkehrspolitischer Sicht senkt ein solidarisches Ticket die Zugangshürden zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dient dem Ziel einer Erhöhung des ÖPNV- Anteils an den von der Berliner Bevölkerung genutzten Verkehrsarten. Vertrieblich ist es einfach umsetzbar und hilft, verlässliche Erlöse zur Sicherung des Angebots im ÖPNV zu generieren. Aus den Gesprächen mit Studierendenvertreterinnen und Studierendenvertretern ist bekannt , dass auch diese das Semesterticket als Erfolgsmodell betrachten, das im VBB-Tarif fortgeführt werden solle. Auch die Ausgestaltung als Solidarmodell wird als wichtig eingeschätzt . Ziel ist es, die erreichten Erfolge mit langfristigen Verträgen zu sichern. Im Rahmen der anstehenden Verhandlungen sollen bei der Preisgestaltung bereits beschlossene Tarifmaßnahmen mit berücksichtigt werden. 7. Sieht der Senat das Solidarmodell als zukünftiges Modell für Auszubildende? Wenn nein, warum nicht? Zu 7.: Bei den Semestertickets handelt es sich um ein solidarfinanziertes Zeitkartenangebot. Um ein derartiges Angebot zu verwirklichen, muss sich ein bestimmter Anteil der betroffenen Personengruppe, hier der Studierenden, in einer Urabstimmung für die Annahme eines entsprechenden Tarifangebotes aussprechen (§ 18 a Berliner Hochschulgesetz - BerlHG). Im Falle der Annahme eines solchen Tarifangebotes müssen alle Studierenden (unabhängig vom Abstimmverhalten und unabhängig von der Nutzung) den Betrag für das Semesterticket zahlen. Durch die verpflichtende Abnahme durch alle Studierenden wiederum ergibt sich ein vergleichsweise günstiger Preis für die einzelnen Personen. Der jeweilige Semesterticketvertrag wird von der verfassten Studierendenschaft, dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) abgeschlossen. Die Studierendenschaft ist eine rechtsfähige Teilkörperschaft der Hochschule mit Pflichtmitgliedschaft. Die Realisierung eines solidarischen Tarifmodells setzt zum einen einen klar definierten Kreis von Nutzerinnen und Nutzern und zum anderen eine geeignete, vertretungsberechtigte Organisation voraus, die im Namen der Betroffenen Verträge aushandeln und das Verhandlungsergebnis zur Abstimmung bringen darf. Dies lässt sich bei Auszubildenden schwer umsetzen, insbesondere da es hier keine derart klare Zuordnung gibt wie bei Studierenden einer Hochschule. Auch bei bestehenden Tarifangeboten für Auszubildende stellt die Frage der Berechtigung mit Blick auf die unterschiedlichsten Arten einer Ausbildung die größte Hürde dar und bringt hohen Aufwand bei der Nachweisführung mit sich. Ein solidarisches Auszubildendenticket könnte diese Unterschiede nicht berücksichtigen (z.B. in Bezug auf Ausbildungszeiten, -intervalle, -orte). Zudem gibt es keine entsprechende Vertretungsorganisation, die für sich in Anspruch nehmen könnte, für alle Auszubildenden zu sprechen. - - 4 Ein Solidarmodell wird daher vom Senat nicht als geeignetes Modell für künftige Tarifangebote für Auszubildende gesehen. Somit fiel die Entscheidung beim neuen Tarifangebot für Auszubildende (VBB Abo Azubi für 365 Euro/Jahr) zugunsten eines frei wählbaren Tickets . 8. Erwägt der Senat, Studierende und Auszubildende bei VBB-Tarif und Leistungsangebot gleichzustellen? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Eine tarifliche Gleichstellung von Studierenden und Auszubildenden bedarf aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen der beiden Personengruppen (vgl. auch Antwort zu Frage 7) einer vertieften Prüfung und wäre daher aus Sicht des Senates nur mittelfristig umsetzbar. 9. Wie bewertet der Senat, Leihfahrradsysteme für die Mobilität von Studierenden in das Solidarmodell einzubeziehen ? Zu 9.: Die Integration von Leihfahrradsystemen müsste aus rechtlichen Gründen anbieterneutral umgesetzt werden, d.h. alle Anbieter müssten die Möglichkeit bekommen, ihr Angebot in den VBB-Tarif zu integrieren. Dies ist schon aufgrund der Volatilität des Anbietermarktes schwierig. Auch die Abgrenzung auf das Kernangebot birgt Herausforderungen - manche Anbieter würden nicht nur Fahrräder, sondern ggf. auch Elektroroller, Mopeds, Kraftfahrzeuge und auch Ridesharingangebote mit integrieren können. Hinzu kommt, dass für eine Einbeziehung von Leihfahrradsystemen in ein solidarisches Tarifangebot aufgrund der notwendigen Berücksichtigung im Rahmen der Einnahmenaufteilung und der Notwendigkeit einer praktikablen Abrechnung Gespräche nicht nur mit allen Leihfahrradanbietern, sondern auch mit allen Verkehrsunternehmen im VBB und den jeweiligen Aufgabenträgern zu führen wären. Bei bisherigen Vorgesprächen dazu konnten bislang noch keine Lösungsmöglichkeiten identifiziert werden. Bei einer Einbeziehung in das Solidarmodell von Studierenden wäre dazu voraussichtlich eine Urabstimmung je Hochschule vorab erforderlich, bei der die Mehrheit der Studierendenschaft für eine Einführung eines solidarischen Leihradsystems entweder in Kombination mit dem Semesterticket oder als eigenes, zusätzliches Angebot stimmen muss. Vor dem Hintergrund, dass die Studierendenschaften jeweils selbst die Entscheidungen treffen müssen und es viele Leihfahrrad und ggf. -rolleranbieter am Markt gibt, wäre eine Vertragsgestaltung in Verbindung mit den Semesterticketverträgen sehr komplex. - - 5 10. Ist es den verfassten Studierendenschaften möglich, Verträge zu einem Solidarmodell für die Nutzung von Leihfahrrädern abzuschließen? Zu 10.: Studierendenschaften können im Rahmen der Selbstverwaltung grundsätzlich Verträge mit privaten Unternehmen (auch Dienstleistungsunternehmen) abschließen. Zur Finanzierung könnte beispielsweise ein eigener Beitrag erhoben werden. Berlin, den 27. November 2019 In Vertretung Steffen Krach Der Regierende Bürgermeister von Berlin Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung -