Drucksache 18 / 21 553 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 11. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. November 2019) zum Thema: Staatsschutzdelikt Adbusting? und Antwort vom 20. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21553 vom 11. November 2019 über Staatsschutzdelikt Adbusting? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1. Wie viele Polizeidienstkräfte waren wie lange jeweils mit Ermittlungen in dem Verfahren beschäftigt, bei der einer Person zur Last gelegt wurde, öffentliche Werbeplakate gegen politisch-satirische Botschaften (Adbusting) ausgetauscht zu haben, und das am 8. Oktober 2019 zu einer Einstellung des daran anschließenden Strafverfahrens vor dem Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldstrafe von 1.200 Euro führte (siehe Presseartikel „Prozess wegen Adbusting gegen Auflagen eingestellt“ vom 8. Oktober 2019, https://www.tagesspiegel.de/berlin/anti-nazi-plakate-prozess-wegen-adbusting-gegenauflagen -eingestellt/25096658.html)? (Bitte einzeln nach Arbeitsstunden und Deliktvorwürfen aufschlüsseln.) Zu 1.: An den mehr als vier Jahre dauernden Ermittlungen zum Strafermittlungsverfahren, Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Berlin 231 Js 761/18, haben drei Dienstkräfte zeitlich aufeinanderfolgend gewirkt. Eine Aufschlüsselung der Arbeitsstunden nur für dieses Verfahren kann jedoch nicht erfolgen, weil jede Dienstkraft zeitgleich mehrere Ermittlungsverfahren führt. 2. Welchen polizeilichen Dienststellen gehörten diese Dienstkräfte jeweils an? Zu 2.: Die drei Dienstkräfte gehörten dem zuständigen Fachkommissiarat des Landeskriminalamts Berlin an. 3. Von welchen anderen Ermittlungsverfahren in welchen Phänomenbereichen politisch motivierter Kriminalität wurden gegebenenfalls Polizeidienstkräfte zur Unterstützung der Ermittlungen im unter 1. genannten Adbusting-Fall abgezogen? Zu 3.: Andere Ermittlungsverfahren waren im Sinne der Fragestellung nicht betroffen. 4. Welchen Umfang hat die Ermittlungsakte in dem unter 1. genannten Fall? Seite 2 von 4 Zu 4.: Zum Zeitpunkt der Abgabe der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft umfasste sie drei Bände Akten, zwei Sonderbände „Beweismittel“ und eine Beiakte. 5. Aus welchen jeweiligen Gründen wurden wie viele Hausdurchsuchungen mit wie vielen Polizeidienstkräften bei der unter 1. genannten Person anlässlich des Verfahrens durchgeführt und welche und wie viele Gegenstände sind dabei jeweils sichergestellt worden? Zu 5.: Gegen den Beschuldigten bestand der dringende Tatverdacht des gewerbsmäßigen Diebstahls von Werbeplakaten aus verschlossenen Schaukästen der Firma Wall über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Aus diesem Grund wurden zwei Durchsuchungen in dessen Wohnräumen durchgeführt. Aus dem Ergebnis der ersten Durchsuchung ergaben sich weitere Tatverdachtsmomente, die eine Beschlagnahme weiterer Beweismittel erforderlich machten. Im Ergebnis sind mehr als 1.000 der Firma Wall gestohlene Werbeplakate beschlagnahmt worden. Darüber hinaus wurden diverse zur Begehung dieser Straftaten erforderliche Tatmittel sichergestellt, darunter Schablonen zur Verfremdung von Plakaten oder selbst hergestellte Schlüssel zur Öffnung von Werbevitrinen der Firma Wall. 6. Welche jeweiligen Gerichte erließen Beschlüsse für die unter Frage 5 genannten Maßnahmen, um in die Unverletzlichkeit der Wohnung einzugreifen? (Bitte einzeln aufschlüsseln.) Zu 6.: In beiden Fällen wurden die Beschlüsse durch das Amtsgericht Tiergarten erlassen. 7. In welcher Weise, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken kooperierte die Berliner Polizei in dem unter 1. genannten Fall gegebenenfalls mit welchen Bundesbehörden und welche Informationen wurden dabei ausgetauscht? Zu 7.: Für eine Kooperation mit Bundesbehörden bestand in dem genannten Fall kein Erfordernis. 8. Welche Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung wurden gegebenenfalls im Rahmen der unter 1. genannten Ermittlungen aus welchen Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage angeordnet und durchgeführt? Zu 8.: In dem Verfahren 231 Js 761/18 sind keine Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt worden. 9. Wann und aus welchen Gründen erfolgte gegebenenfalls eine Übermittlung der Daten von Tatverdächtigen oder sonstigen Beteiligten des unter 1. genannten Sachverhaltes als „Kriminaltaktische Anfrage-Politisch Motivierte Kriminalität“ (KTA-PMK) an das Bundeskriminalamt? Zu 9.: Bis zum jetzigen Zeitpunkt erfolgte keine Übermittlung gemäß der Fragestellung. 10. In welchen Verbunddateien hat die Polizei gegebenenfalls personenbezogene Daten von Tatverdächtigen oder sonstigen Beteiligten des unter 1. genannten Sachverhaltes gespeichert? Seite 3 von 4 Zu 10.: Die erkennungsdienstlichen Daten des Beschuldigten wurden in der Verbunddatei INPOL-Zentral gespeichert. 11. In welcher Weise, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken hat die Polizei gegebenenfalls eine Bündelung von Ermittlungskapazitäten im Bereich Adbusting vorgenommen? (Bitte für den Zeitraum seit 2004 ausführen.) Zu 11.: Bei der Begrifflichkeit „Adbusting“ handelt es sich nicht um einen deliktischen Erfassungsgrund des Polizeilichen Landessystems zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS). Diesbezügliche Straftaten werden grundsätzlich als Sachbeschädigung (bei Veränderung) oder Diebstahl (bei Wegnahme des Originals) aufgezeichnet. Beide Tatbestände sind Gegenstand der „minderschweren Kriminalität“ und werden effizienzorientiert bearbeitet. Für eine „Bündelung“ von Ermittlungskapazitäten im Sinne der Fragestellung bestand und besteht kein Anlass. 12. Welche polizeilichen Dienststellen sind üblicherweise mit Ermittlungen anlässlich von vermeintlichen Straftaten im Zusammenhang mit Adbusting befasst? Zu 12.: Für die in Frage kommenden Tatbestände der Sachbeschädigung bzw. des Diebstahls sind grundsätzlich die Abschnittskommissariate verantwortlich. Lediglich in Fällen politisch motivierter Straftaten ist der polizeiliche Staatsschutz zuständig. Im vorliegenden Fall war wegen der überwiegend anzunehmenden Zusammenhänge mit den Themenkomplexen „Antirepression“ und „Antimilitarismus“ das für politisch motivierte Kriminalität -links- zuständige Kommissariat mit der Bearbeitung betraut. 13. Wie viele Strafanzeigen gab es jeweils in den Jahren seit 2014 anlässlich unbefugt ausgetauschter oder veränderter Werbeplakate? Zu 13.: Für die in Frage kommenden Tatbestände der Sachbeschädigung bzw. des Diebstahls ist eine separate Auflistung zu ausgetauschten und veränderten Werbeplakaten im automatisierten Verfahren nicht recherchierbar. 14. Wie hoch schätzt die Polizei das Personenpotenzial im Bereich Adbusting? 15. Wie viele DNA-Spurenprofile von unbekannten Tatverdächtigen wurden im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen Adbusting a. molekulargenetisch analysiert, b. mit Vergleichsmaterial abgeglichen und c. in Datenbanken gespeichert? 16. Von wie vielen Personen wurden im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren wegen Adbusting wie oft und wann jeweils durch körperliche Eingriffe a. Körperzellen entnommen, b. molekulargenetisch analysiert, c. mit Vergleichsmaterial abgeglichen und d. in Datenbanken gespeichert? 17. Gegen wie viele Personen, gegen die wegen Adbusting ermittelt wurde, hat die Polizei jeweils wie oft seit dem Jahr 2014 Hausdurchsuchungen durchgeführt, und welche Gerichte haben diese Hausdurchsuchungen jeweils angeordnet? Seite 4 von 4 18. Welche und jeweils wie viele bei Hausdurchsuchungen oder Durchsuchungen von Tatverdächtigen sichergestellten Gegenstände sind aus welchen jeweiligen Gründen gegebenenfalls vernichtet worden? Zu 14.-18.: Bei der Begrifflichkeit „Adbusting“ handelt es sich nicht um einen deliktischen Erfassungsgrund von POLIKS. Eine Erhebung dieser Erscheinungsform findet nicht statt. Berlin, den 20. November 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport