Drucksache 18 / 21 590 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 12. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. November 2019) zum Thema: PMK 2018: Sogenannte „Reichsbürger“ in Berlin und Antwort vom 26. November 2019 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Nov. 2019) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/21590 vom 12. November 2019 über PMK 2018: Sogenannte „Reichsbürger“ in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist für polizeiliche und ggf. falls abweichend Zwecke des Verfassungsschutzes der Begriff des „Reichsbürgers“ definiert? Zu 1.: Die umfassende Bearbeitung des Spektrums erfolgt sowohl bei der Polizei Berlin als auch bei der Abteilung II der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Verfassungsschutz, aufgrund der ideologischen Schnittmenge unter dem Begriff „Reichsbürger und Selbstverwalter“. Die zwischen Verfassungsschutzverbund und der Polizei abgestimmte Arbeitsdefinition lautet: „‘Reichsbürger und Selbstverwalter‘ sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen – unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht – die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und deshalb die Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen.“ 2. Durch wen auf welcher Grundlage erfolgt die Zuordnung eines Bürgers zur zur Gruppe der „Reichsbürger“ durch Polizei oder Verfassungsschutz? Zu 2.: Bei Vorliegen entsprechender Hinweise beim Berliner Verfassungsschutz erfolgt die Zuordnung von Personen zum Spektrum der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ nach Subsumierung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Regelungen des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin (VSG Bln), sofern tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf entsprechende Bestrebungen vorliegen (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 VSG Berlin) sowie unter Beachtung der für den Berliner Verfassungsschutz geltenden allgemeinen Geschäftsanweisungen. Für die Seite 2 von 4 Zuordnung gilt beim Berliner Verfassungsschutz ein Zustimmungsvorbehalt durch die zuständige Referatsleitung. Die Zuordnung bei der Polizei Berlin erfolgt anhand der in der Definition enthaltenen Parameter bzw. Kriterien auf den strafprozessualen und gefahrenabwehrrechtlichen gesetzlichen Grundlagen. 3. Welche Tatsachen können – ggf. exemplarisch an bisherigen Fällen – die Annahme rechtfertigen, es handele sich bei einem Bürger um einen „Reichsbürger“? Zu 3.: Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zuordnung von Personen zum Spektrum der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ im Rahmen von Einzelfallprüfungen können insbesondere sein: - Erklärungen über die Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland o.ä. - Versand von Briefsendungen unter Bezugnahme auf Regelungen des Weltpostvertrages, z.B. Vermerke „Kriegsgefangenpost“ o. „non domestic F.R.G“ - Bezugnahme auf Regelungen der Haager Landkriegsordnung (HLKO) - Bezugnahme auf Regelungen der sog. „SHAEF-Gesetze“ - Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit reichsbürgertypischen Komponenten (z.B. Bezugnahme auf Staatsangehörigkeiten untergegangener Reiche oder ungültige frühere Gesetze) - Antrag auf Änderung der Staatsangehörigkeit im Melderegister (z.B. in Deutsches Reich, Königreich Preußen usw.) - Rückgabe eines Personalausweises oder Reisepasses - sog. Erklärung zum eigenen Personenstand - Antrag auf Löschung oder Kündigung eines „Personenkontos“. Exemplarisch wird an dieser Stelle auf ideologisch geprägte Aktionen zweier „Reichsbürger“-Gruppierungen mit Sitz in Berlin hingewiesen, die deren Mitglieder nachhaltig als Anhänger der Bewegung identifizieren. So beabsichtigte die Gruppierung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“, die ideologietypisch die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennt, in der Vergangenheit mehrfach Dienstgebäude des Landes Berlin zu „übernehmen“ und in ihre Verwaltung zu überführen. Die Gruppierung „Stiftung 36 Grad“, die in der Vergangenheit eine Vielzahl von reichsbürgertypischen Drohschreiben an staatliche Institutionen versandte, veröffentlichte im Zusammenhang mit einer Forderung im Juni 2019 eine Verlautbarung auf ihrer Internetseite, unter der sie zahlreichen namentlich genannten Personen aus Politik, Medien und dem öffentlichen Leben unverhohlen drohte. Darüber hinaus sind in Berlin auch Gruppierungen von „Reichsbürgern/ Selbstverwaltern“ ansässig. Exemplarisch ist hier „staatenlos.info“ zu nennen. Diese Gruppierung tritt u.a. im Rahmen turnusmäßiger Versammlungen in Erscheinung. Die in Berlin wohnhaften „Reichsbürger/ Selbstverwalter“, die durch Straftaten polizeilich bekannt geworden sind, haben insbesondere Delikte wie Urkundenfälschung gemäß § 267 Strafgesetzbuch (StGB), Kennzeichenmissbrauch gemäß § 22 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB verwirklicht. 4. Bestehen Weisungen, Handreichungen, Dienstvorschriften oder sonstwede amtlichen Unterlagen bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport oder der Senatsverwaltung für Justiz zum Seite 3 von 4 Umgang mit „Reichsbürgern“? Sind diese als VS eingestuft? Wenn ja, seit wann? In diesem Fall beantrage ich hiermit Akteneinsicht nach Art. 45 II VvB in diese Unterlagen. Andernfalls: wie lauten diese im Wortlaut? Zu 4.: Bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport bestehen zwei Weisungen aus den Jahren 2016 und 2017 im Zusammenhang mit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit von „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“. Sie sind nicht als Verschlusssache eingestuft. Über Ihren diesbezüglichen Akteneinsichtsantrag erhalten Sie gesondert Nachricht. Ansonsten hat der Berliner Verfassungsschutz einen Informationsflyer zu „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ veröffentlicht, der unter www.berlin.de/sen/inneres/verfassungsschutz/publikationen/infoflyer abzurufen ist, dieser ist allerdings nicht nach innen gerichtet sondern dient der Information der Öffentlichkeit. Eine entsprechende Arbeitshilfe für die Mitarbeitenden in der Berliner Justiz sowie eine Handlungsanweisung für die Bediensteten des Vollzuges, beide herausgegeben von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung sind als Anlage 1 und 2 beigefügt. 5. Wie ist für polizeiliche und ggf. falls abweichend Zwecke des Verfassungsschutzes der Begriff des „Preppers“ definiert? 6. Durch wen auf welcher Grundlage erfolgt die Zuordnung eines Bürgers zur zur Gruppe der „Preppers“ durch Polizei oder Verfassungsschutz? Zu 5. und 6.: Der Begriff „Prepper“ wird folgendermaßen definiert: Bei den sog. „Preppern“ (engl. „to prepare“ = vorbereiten) handelt es sich um Personen,die sich Vorräte (Lebensmittel, Dinge des alltäglichen Bedarfs, evtl. auch Waffen zur Verteidigung) anlegen, um auf Katastrophen (Naturkatastrophen, politische Umstürze, Kriege) vorbereitet zu sein. Das Phänomen der „Prepper“ wird seitens des Berliner Verfassungsschutzes nicht originär als Beobachtungsobjekt bearbeitet. Eine Relevanz ergibt sich nur, wenn bei einzelnen Personen gleichzeitig tatsächliche Anhaltspunkte auf verfassungsfeindliche Bestrebungen (jedweden Phänomenbereichs) vorliegen. Ebenso tritt eine polizeiliche Relevanz erst dann ein, wenn weitere Kriterien, wie zum Beispiel illegaler Waffenbesitz hinzutreten. 7. Welche Tatsachen können – ggf. exemplarisch an bisherigen Fällen – die Annahme rechtfertigen, es handele sich bei einem Bürger um einen „Prepper“? Zu 7.: Anhaltspunkte für „Prepper“ könnten sein: Eine Bevorratung mittels darauf ausgerichteter Maßnahmen, die weit über das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlene Maß hinausgeht sowie Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen in diesem Kontext zur Vorbereitung auf einen nicht näher zu definierenden „Tag X“ bzw. diesbezügliche Werbung oder Anleitung. 8. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2014 bis 2018 und wie viele aktuell in 2019 der Gruppe a) der „Reichsbürger“ und b) der „Prepper“ zugerechnet? Gibt es Personen – wenn ja, wie viele – die beiden Gruppen zugerechnet werden? Seite 4 von 4 Zu 8.: Von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Abteilung II Verfassungsschutz wird Personenpotenzial „Reichsbürger und Selbstverwalter“ wie folgt eingeschätzt: 2014: keine gesonderte Erfassung 2015: 100 (seinerzeit nur Erfassung rechtsextremistischer „Reichsbürger“) 2016: 400 2017: 500 2018: 670 2019: 670 Über das Personenpotential zur Prepper-Szene in Berlin kann der Senat keine Aussagen treffen. Den Sicherheitsbehörden sind lediglich Einzelpersonen bekannt. Hinsichtlich einer Überschneidung zur „Reichsbürgerszene“ liegen keine Erkenntnisse vor. 9. Welchen Alters – ggf. nach Kategorien – und welchen Geschlechts sind die Personen zu 8)? Zu 9.: Zur Altersstruktur werden weder bei der Polizei Berlin noch bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, II Verfassungsschutz, gesonderte Statistiken geführt. Aktuell ergibt sich im Bereich „Reichsbürger und Selbstverwalter“ folgende Geschlechterverteilung: Frauen: 26 % Männer: 74 % Divers: nicht bekannt. Berlin, den 26. November 2019 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Umgang mit sogenannten Reichsbürgern Eine Arbeitshilfe für die Praxis 2017 1 Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht erst seit den Vorfällen im vergangenen Jahr in Bayern und in Sachsen-Anhalt, bei denen sogenannte „Reichsbürger“ auf Polizistinnen und Polizisten geschossen haben, wissen wir, dass es sich nicht um eine harmlose Bewegung handelt. Viele von Ihnen haben mit „Reichsbürgern“ vermutlich schon Erfahrungen sammeln müssen . Mir ist bewusst, dass der Umgang mit „Reichsbürgern“ nicht nur besonders zeitintensiv sein kann, sondern sich auch als erhebliche Belastung für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erweist. Mit dieser Arbeitshilfe wollen wir Sie über die Ansichten der „Reichsbürger“ informieren . Sie soll Ihnen Hinweise und praktische Tipps für den Umgang im Arbeitsalltag liefern. Zugleich möchte ich Ihnen versichern, dass Sie durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Unterstützung erfahren werden , wenn Sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz von „Reichsbürgern“ unter Druck gesetzt oder gar Opfer von Straftaten werden sollten. In diesem Zusammenhang weise ich Sie auf das in dieser Arbeitshilfe ausgeführte Unterstützungsangebot hin, wenn Sie von der sogenannten Malta-Masche betroffen sein sollten, bei der Reichsbürger versuchen, zivilrechtliche Ansprüche mit Hilfe des maltesischen Rechts durchzusetzen. Für Ihren täglichen Einsatz für unseren Rechtsstaat möchte ich Ihnen meinen Respekt aussprechen. Meine Unterstützung sei Ihnen gewiss und mein Dank ist Ihnen sicher. Mit freundlichen Grüßen Dr. Dirk Behrendt Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung 2 Inhalt Teil I: Allgemeine Informationen................................................................................................ 3 Woher kommt die „Reichsbürgerbewegung“ und was will sie?............................................ 3 Teil II: Allgemeine Handlungsempfehlungen zum Umgang mit „Reichsbürgern“ ..................... 7 Teil III: Störung von Gerichtsverhandlungen ............................................................................. 9 Teil IV: Unerlaubte Foto-, Film- und Tonaufnahmen ............................................................... 12 Teil V: Geltendmachung von Forderungen durch „Reichsbürger“ .......................................... 14 Schuldnerregister UCC ......................................................................................................... 16 Praktische Vorgehensweise im Fall einer erfolgten Zustellung in einem maltesischen Gerichtsverfahren ................................................................................................................ 17 Titulierungsversuche in Malta .............................................................................................. 17 Europäischer Zahlungsbefehl ........................................................................................... 18 Mahnverfahren nach maltesischem Recht ...................................................................... 20 3 Teil I: Allgemeine Informationen Woher kommt die „Reichsbürgerbewegung“ und was will sie? Als „Reichsbürger1“ bezeichnen sich Einzelpersonen sowie verschiedene Gruppierungen , die sich für Angehörige eines „Deutschen Reiches“ halten. „Reichsbürger“ bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und vertreten die Auffassung , das „Deutsche Reich“ bestehe noch heute in den Grenzen von 1937 völkerrechtlich fort. Bei der Bundesrepublik Deutschland handele es sich nach Auffassung dieser Kreise um ein von den Alliierten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs künstlich erschaffenes, völkerrechtlich illegales Konstrukt, das mithilfe des Grundgesetzes das deutsche Volk unterdrückt und ausbeutet. Die Bundesrepublik wird von den „Reichsbürgern“ daher häufig auch als GmbH bezeichnet, aus der auszutreten man das Recht und sogar die Pflicht habe. Sie erkennen deshalb die Gültigkeit deutscher Gesetze nicht an und verweigern die Zahlung von Steuern, Sozialabgaben und Bußgeldern und treten Vertretern und Organen des Staates oftmals feindselig gegenüber . Auf der „Reichsideologie“ von „Reichsbürgern“ beruhen die seit den 1980‘er Jahren entstanden „Reichsregierungen“. Diese stimmen in all ihren Erscheinungsformen darin überein, dass sie die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland verneinen, den Fortbestand des Deutschen Reiches propagieren und behaupten, dieses zu vertreten . Teilweise werden zusätzlich revisionistische und antisemitische Positionen eingenommen. Neben „Reichsbürgern“ und „Reichsregierungen“ existiert auch der Typus der „Selbstverwalter“. Dabei handelt sich zumeist um Einzelpersonen, die im Gegensatz zu „Reichsbürgern“ und „Reichsregierungen“ nicht vom Weiterbestehen des Deutschen Reiches überzeugt sind, sondern behaupten, sie könnten durch Erklärung aus der Bundesrepublik ausscheiden oder dass diese gar nicht existent sei. Deshalb se- 1 Eine geschlechterspezifische Differenzierung wurde aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nicht durchgängig vorgenommen. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter 4 hen sie die Gesetze der Bundesrepublik als für sie nicht wirksam an. Manche der „Selbstverwalter“ rufen sogar Königreiche aus. Weil die von „Reichsbürgern“, „Reichsregierungen“ und Selbstverwaltern“ genutzten Argumente und ihre Verhaltensweisen gegenüber öffentlichen Stellen meist deckungsgleich sind, fällt es in der Regel schwer, eine gezielte Einordnung vorzunehmen . Aufgrund der Heterogenität der „Reichsbürgerbewegung“ existieren zahlreiche Theorien und Ideologien, die die Illegitimität oder Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland begründen sollen. Jede Gruppierung verwendet unterschiedliche pseudojuristische Argumentationsmuster. Jedoch tauchen einige Argumente häufiger in der Szene auf als andere. Hier sind einige der bekannteren und am häufigsten verwendeten Rechtfertigungen nebst einer kurzen Kommentierung aufgeführt2. Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei somit als Staat nichtexistent. Das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung 1990 seine Gültigkeit verloren. Es sei folglich dringend notwendig, dass sich Deutschland nach Art. 146 GG eine neue Verfassung gebe. Bis dahin befinde sich Deutschland nach wie vor im Kriegszustand mit den Kriegsparteien des Zweiten Weltkrieges, da kein Friedensvertrag vorliege . Alle staatlichen Institutionen seien ergo illegitim. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist durch die Anpassung der Präambel und der Art. 23 und 146 GG die Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands. Ein Friedensvertrag ist aufgrund des Abschlusses des Zwei-Plus-Vier-Vertrages nicht notwendig. Das Staatsgebiet der Bundesrepublik steht seitdem fest. US-Außenminister James Baker und UdSSR-Außenminister Eduard Schewardnadse hätten im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen 2 Zu vertieften Informationen siehe: Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung, Dirk Wilking (Hg.), „Reichsbürger“ – Ein Handbuch, Juli 2015 http://www.gemeinwesenberatung-demos.de/Portals/24/media/UserDocs/publikationeneigene /Handbuch%20Reichsbuerger.16220426.pdf 5 zur Einheit Deutschlands durch mündliche Äußerungen die Art. 23 und 146 GG außer Kraft gesetzt. Da Art. 23 den Geltungsbereich des Grundgesetzes regelt, sei somit die Wirksamkeit des Grundgesetzes entfallen. Vorschriften und Artikel des Grundgesetzes können ausschließlich nach Art. 79 GG geändert werden. Zudem enthält eben jener Zwei- Plus-Vier-Vertrag Regelungen zum Umgang mit Art. 23 GG. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe 1973 mit dem Urteil zum Grundlagenvertrag die Legitimation zur Gründung von „Reichsregierungen “ geschaffen. Im Rahmen dieser Entscheidung stellte das Gericht auch dar, welche völkerrechtlichen Probleme sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Teilung Deutschlands hinsichtlich des deutschen Staates („als Ganzes“) aufgetan hatten. Die für die „Reichsregierungen“ wichtigsten Sätze des Urteils lauten: „Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. […] Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet , sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates – StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches […].“ 6 Die verschiedenen „Reichsregierungen“ sehen sich demgemäß als die nach Bundesverfassungsgericht fehlenden Organe an und reklamieren, durch ihre Existenz das Deutsche Reich auf der Grundlage der ihrer Meinung nach noch gültigen Weimarer Verfassung wieder handlungsfähig gemacht zu haben. Zudem stützen sie sich auf die Aussage, die Bundesrepublik sei nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Daher, so die „Reichsregierungen“, habe diese auch keinerlei Befugnisse , für das Deutsche Reich zu handeln. In diesem Urteil attestierte das BVerfG, dass das Deutsche Reich nicht untergegangen, allerdings auch nicht handlungsfähig sei. Der letzte Satz der oben zitierten Passage geht allerdings noch etwas weiter und lautet daher vollständig (vgl. hierzu eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 373/83 = BVerfGE 77, 137 ff.)): „Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ‚Deutsches Reich‘, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ‚teilidentisch‘, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit be- ansprucht.“ Dadurch ist daher kein Recht auf Gründung von kommissarischen o. ä. „Reichsregierungen“ entstanden. Die Teilidentität der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich ermöglichte es der Bundesregierung, mit der Deutschen Demokratischen Republik einen Einigungsvertrag abzuschließen und sich somit als Regierung für ganz Deutschland zu legitimieren . Sie könnten sich zu „Selbstverwaltern“ erklären. Dazu berufen sich die „Reichsbürger“ auf die UN-Resolution A/RES/56/83. Zudem trete die Bundesrepublik als „BRD-GmbH“ auf, aus der jeder nach Belieben austreten könne. Die Staatsbürger wären lediglich Personal der GmbH, was der Personalausweis verdeutliche. 7 Die o. g. UN-Resolution regelt kein Recht auf „Selbstverwaltung“, solange handlungsfähige staatliche Organe existieren. Dies ist in der Bundesrepublik definitiv der Fall. Die Bundesrepublik ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht durch ein Treuhand- Gegenmodell abgeschafft werden kann. Die neuen Bundesländer und einige Kommunen seien mangels Gründungsurkunden nicht wirksam entstanden. Die gesetzliche Grundlage für die Gründung der neuen Bundesländer ist das Ländereinführungsgesetz der DDR vom 22. Juli 1990. Ebenfalls sind die Kommunen durch Gesetze wirksam gegründet worden. Eine Gründungsurkunde ist dazu nicht erforderlich. Seit den Schüssen sog. Reichsbürger auf Polizeibeamte in Reuden und Georgensgmünd relativiert sich die bisher weit verbreitete Einschätzung, bei diesem Personenkreis handle es sich lediglich um harmlose Gruppierungen bizarr anmutender Gedankenwelten. Das von diesen ausgehende Gefahrenpotential gerät zunehmend in den Blick der Sicherheits- und Justizbehörden. Auch in Berlin ist es im Juli diesen Jahres im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens zu einer Bedrohung eines Sachverständigen auf dem Grundstück eines „Reichsbürgers“ durch Schüsse mit einem (Schreckschuss-) Revolver sowie durch Anlegen eines Sportbogens gekommen. Teil II: Allgemeine Handlungsempfehlungen zum Umgang mit „Reichsbürgern“ Vorsicht wenn eine Diensthandlung auf Grundstücken vorzunehmen ist, die „Reichsbürgern“ gehören! Es ist damit zu rechnen, dass diese auf ein „Eindringen in ihr Territorium“ mit einem erhöhten Gewaltpotential reagieren können. 8 Diskussionen mit „Reichsbürgern“ sind in der Regel nicht zielführend. Die zum Teil sehr langen schriftlichen Ausführungen, die oft mit einer Fülle von Anlagen und Fundstellen zur Darlegung der vorgetragenen Position verwandt werden, dienen letztlich dem Zweck, Verunsicherung zu verursachen. Die Argumentation ist allerdings rechtlich nicht haltbar. Weil es nach den gewonnenen Erfahrungen in der Regel ausgeschlossen ist, die „Reichsbürger“ argumentativ zu erreichen, sollten ein Schriftverkehr und auch die mündliche Auseinandersetzung auf das Notwendige beschränkt werden. Es wird empfohlen, zu den pseudorechtlichen Argumenten nicht Stellung zu nehmen, sondern sich darauf zu beschränken, mitzuteilen, dass die Gerichte und Behörden verpflichtet sind, das geltende Recht zu beachten, dass die Gesetze verfassungsgemäß zustande gekommen und anzuwenden sind, solange sie nicht vom Bundesverfassungsgericht in dem dafür vorgesehenen Verfahren als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar oder für nichtig erklärt werden. Auf konkret formulierte Anträge der „Reichsbürger“ sollte nur in kurzer schriftlicher Form geantwortet werden. Solche Eingaben, die erkennbar ausschließlich den Zweck haben, die betroffenen Gerichte und Behörden mit abwegigen Rechtsargumenten zu beschäftigen oder ein anhängiges Verfahren zu verzögern, sollten nicht beschieden werden, sofern sie darüber hinaus keine förmlichen Anträge oder Dienstaufsichtsbeschwerden enthalten. In der Korrespondenz mit schwierigen Verfahrensbeteiligten sollte auf die Angabe des Vornamens verzichtet werden, um Recherchen im privaten Umfeld zu erschweren. Im Schriftverkehr mit „Reichsbürgern“ sollte es unbedingt vermieden werden, dass von diesen benutzte Titel oder Bezeichnungen (einschließlich verwendeter Namenszusätze wie „von“) in das Adressfeld oder in die Anrede aufgenommen werden. Das wird nämlich von diesen als staatliche Anerkennung ihrer Position interpretiert. Solche Schrei- 9 ben werden dann gegenüber anderen Stellen in Schreiben als Anlagen beigefügt und zitiert sowie zur Untermauerung der dortigen Argumentation verwendet. Wenn Ordnungswidrigkeiten begangen werden, sollte umgehend die Polizei informiert werden, damit etwaige Bußgeldverfahren eingeleitet werden können. Strafrechtlich relevante Übergriffe von „Reichsbürgern“ wie etwa Beleidigungen , Bedrohungen, Hausfriedensbruch oder Körperverletzungen sollten unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden. Kommt es zu strafbaren Handlungen, ist grundsätzlich auch der Dienstvorgesetzte möglichst umgehend über das Geschehen zu informieren , damit dieser ggf. prüfen kann, ob Strafantrag gestellt oder sonstiges, etwa im Hinblick auf die Sicherheit der Behörde, veranlasst werden muss. Findet das Geschehen in einem Gericht oder einer Behörde statt, ist es angezeigt, gegen den Störer ein Hausverbot auszusprechen und dieses auch durchzusetzen, falls erforderlich unter Zuhilfenahme von Wachtmeistern oder Polizeibeamten. Bei Verstößen gegen ein Hausverbot sollte der Hausrechtsinhaber grundsätzlich Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen. Dienstlicher Schriftwechsel mit „Reichsbürgern“ sollte auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt bleiben. Materialien von „Reichsbürgern“ mit augenscheinlich rechtsextremistischen Inhalten sollten dem zuständigen Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt werden. Teil III: Störung von Gerichtsverhandlungen In jüngerer Zeit ist es immer öfter zu erheblichen Störungen von Gerichtsverfahren durch „Reichsbürger“ gekommen. Häufig erscheinen sie nicht nur als Verfahrens- 10 beteiligte, sondern bringen zu den Verhandlungen Gleichgesinnte als Zuhörer mit. Dann bestreiten sie zusammen die Legitimation des Gerichts, der Behörde bzw. ihrer Bediensteten und auch die Geltung bestehender Gesetze. Ferner wird versucht, das Verfahren insbesondere durch eine Häufung offensichtlich aussichtsloser Anträge zu behindern. Um auf solche potentiellen Risiken von Störungen angemessen reagieren zu können, empfiehlt es sich, die in den §§ 172 ff. GVG zur Verfügung gestellten Mittel konsequent anzuwenden. Auch Rechtspfleger haben diese Befugnisse, wenn eine mündliche Verhandlung im Rahmen der übertragenen Aufgaben wahrzunehmen ist, § 4 Abs. 1 Rechtspflegergesetz; ausgenommen sind allerdings freiheitsentziehende Maßnahmen (§ 4 Abs. 2 Rechtspflegergesetz). Bereits bei der Vorbereitung einer anstehenden Amtshandlung oder eines Gerichtsverfahrens sollte man daher wachsam sein und auf Anzeichen achten, die auf ein mögliches Zusammentreffen mit schwierigen Verfahrensbeteiligten hinweisen. Häufig wird man schon im Rahmen der Terminsvorbereitung Hinweise dafür finden, dass im Umgang mit einzelnen Verfahrensbeteiligten Probleme auftreten können. Solche können sein: Schreiben an das Gericht mit Argumenten, wie sie unter Teil I dargestellt wurden . Erscheinen unmittelbar vor der Sitzung ungewöhnlich viele Zuhörer, welche augenscheinlich dem Lager eines Betroffenen angehören? Gibt es Versuche, an Informationen über die Lebensumstände der sachbearbeitenden /entscheidenden Personen zu gelangen, wird das persönliche Umfeld einbezogen, erfolgt eine Kontaktaufnahme? Es gibt entsprechende Hinweise und Erkenntnisse bereits aus dem Ermittlungsverfahren sei es durch die Polizei, sei es durch die Staatsanwaltschaft. Wenn es solche Hinweise gibt, ist es möglicherweise sinnvoll, über folgende Maßnahmen nachzudenken: 11 Information der Hausverwaltung, der Wachtmeisterei, der Pressestelle und der örtlich zuständigen Polizeidienststelle. Information der Kolleginnen und Kollegen im Gericht, die möglicherweise über Befangenheitsanträge zu entscheiden haben. Erlass einer Sicherungsverfügung gemäß § 176 GVG (in der Regelungen bezüglich Öffentlichkeit, Medienberichterstattung, Sitzungspolizei, Einlasskontrollen , etc. getroffen werden können). Anordnung von gesonderten Eingangskontrollen zum Sitzungssaal mit Aufnahme der Personalien, wodurch Personen ohne gültigen Ausweis keinen Zutritt erhalten und Störaktionen mangels Anonymität erschwert werden. Bei der Terminierung berücksichtigen, dass der Umgang mit Störungen des Verfahrensablaufs zu zeitlichen Verzögerungen führen kann, weshalb insbesondere bei der Ladung von Zeugen ausreichend Zeit einzuplanen ist. Wenn es im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Störungen kommt, können folgende Maßnahmen in Betracht gezogen werden3: Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 GVG) für die Verhandlung oder einen Teil derselben, wenn individuelle Maßnahmen nach den §§ 176 ff. GVG nicht ausreichen, eine ordnungsgemäße Durchführung der Verhandlung sicherzustellen. Form und Verfahren richten sich nach § 174 GVG. Versagung des Zutritts gem. § 175 GVG gegenüber einzelnen Personen. Die Sitzungspolizei gem. § 176 GVG umfasst alle Maßnahmen, die erforderlich sind, einen ungestörten Ablauf der Sitzung zu gewährleisten, etwa durch 3 Zur Behandlung von möglicherweise durch „Reichsbürger“ gestellten Befangenheitsanträgen wird auf die in der Anlage beigefügte Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten vom 1. November 2016 hingewiesen. Zum Umgang mit weiteren Anträgen oder Störungen in der Hauptverhandlung wird auf die ebenfalls als Anlage beigefügte von einer Arbeitsgruppe des Oberlandesgerichts Thüringen erarbeitete Handreichung hingewiesen. 12 Ermahnungen und Rügen, die Untersagung ungebührlichen Verhaltens, Abwehr von Einflussnahmen, Schutz der Verfahrensbeteiligten. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung gem. § 177 GVG, wenn Anordnungen nicht befolgt werden. Ordnungsmittel wegen Ungebühr gem. § 178 GVG in Form von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft als eigenständige Regelung bei Vorliegen von „Ungebühr“. Beachtung der Protokollierungspflichten nach §§ 182, 183 GVG bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln und bei Begehung von Straftaten in der Sitzung Teil IV: Unerlaubte Foto-, Film- und Tonaufnahmen Versuche, Justizangehörige bei Amtshandlungen zu fotografieren, zu filmen oder heimliche Tonaufnahmen zu fertigen kommen immer wieder vor und sind nicht hinzunehmen . Gibt es schon vor einer Verhandlung etwa aus entsprechenden Schreiben der Betroffenen Hinweise auf zu erwartende störende Verhaltensweisen, so stellt der Erlass der - schon beschriebenen - Sicherungsverfügung, die es den Zuschauern verbietet, solche Gegenstände in den Sitzungssaal mitzubringen, die für Bild- oder Tonaufnahmen geeignet sind (Insbesondere Handys), ein probates Mittel dar, solches durch die Durchführung von Personenkontrollen vor Betreten des Saales zu unterbinden. Versucht jemand, Bild- und Tonaufnahmen zu machen, soll der Anfertigung solcher Aufnahmen sofort energisch widersprochen werden. Dabei soll deutlich gemacht werden, dass es keine Einwilligung zur Fertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder deren Veröffentlichung gibt und dass eine solche auch nicht erteilt werden wird, weshalb das Fertigen oder die Veröffentlichung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes darstellt. Wenn Tonaufnahmen des gesprochenen Wortes ohne Einwilligung gefertigt werden, ist darauf hinzuweisen, dass dies eine Straftat (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) darstellt. Der Aufzeichnende soll 13 sofort aufgefordert werden, die Foto- und Filmaufnahmen bzw. Tonaufnahmen zu löschen. Erfolgt dies nicht oder werden die Aufnahmen fortgesetzt, kann die Amtshandlung abgebrochen werden. Es soll dann in Aussicht gestellt werden, dass wegen der Fertigung von Tonaufnahmen oder der öffentlichen Verbreitung von Foto- oder Filmaufnahmen weitere strafrechtliche und zivilrechtliche Schritte ergriffen werden (Strafanzeige , Strafantrag gemäß § 205 StGB bei Tonaufnahmen bzw. § 33 Kunsturhebergesetz bei unberechtigter Verbreitung von Foto- oder Filmaufnahmen, zivilrechtliche Abmahnung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung, Aufforderung zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung). Weiter soll angekündigt werden, dass zum Schutz des Persönlichkeitsrechts und um die Fortsetzung der Aufnahmen zwangsweise zu unterbinden (vorläufige Sicherstellung, Beschlagnahme des Aufnahmegerätes oder Tonträger) Polizeibeamte hinzugezogen werden. Wenn die Aufnahmen in einem Gerichtsgebäude stattfinden, so ist zwischen dem Hausrecht des Gerichtsvorstandes und der sitzungspolizeilichen Gewalt des Vorsitzenden nach § 176 GVG zu unterscheiden. Das Hausrecht ermöglicht es, als verhältnismäßige Maßnahmen zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes Regelungen über die Zulässigkeit von Ton-, Film- und Bildaufnahmen im Gerichtsgebäude zu treffen. Dies geschieht in den Berliner Gerichten in der Regel durch Hinweise im Eingangsbereich der Gerichtsgebäude auf das bestehende allgemeine Film-/Foto- und Tonaufzeichnungsverbot . Kommt es zu unberechtigten Aufnahmen, ist deren Fortsetzung zu verbieten und ein Hausverbot auszusprechen. Bei Verstößen gegen das Hausverbot sollte grundsätzlich Strafantrag gestellt werden. Soweit erforderlich sollen Wachtmeister oder die Polizei hinzugezogen werden, um das Verbot durchzusetzen. Das Hausrecht des Gerichtsvorstandes tritt hinter der sitzungspolizeilichen Gewalt des Vorsitzenden nach § 176 GVG zurück. Diese gilt nicht nur für die Verhandlung und den Sitzungssaal, sondern ist räumlich auch auf die Zugänge zum Sitzungssaal und die unmittelbar angrenzenden Räume, von den Störungen der Sitzung ausgehen können ausgedehnt. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sie sich vom Öffnen des Sit- 14 zungssaales bis zu dem Zeitpunkt, da das Gericht diesen nach der Verhandlung verlassen hat. Kommt es nach der Fertigung von unerlaubten Film-, Bild-, und Tonaufnahmen zur Veröffentlichung derselben im Internet oder in sozialen Netzwerken, soll der Dienststellenleiter umgehend informiert und rechtliche Schritte gegen den Hersteller, Verbreiter bzw. Provider in den Blick genommen werden. Als solche kommen in Betracht ein Strafantrag, die Abmahnung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung, eine Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Aufforderung Bilddateien zu löschen (§§ 823, 1004 BGB i.V.m. § 22 Kunsturhebergesetz). Insbesondere sollte der Gerichts- oder der Behördenvorstand per E-Mail den Betreibern der Videoplattform (z. B. legal@support.youtube.com; impressumsupport @support.facebook.com) zur Löschung auffordern und hierbei die verbotenerweise gefertigten Foto- und Filmaufnahmen, Tonaufnahmen so genau wie möglich beschreiben. Wichtig sind auch die Angabe von Nickname des einstellenden Nutzers , Titel und URL. Ferner sollte erläutert werden, worin die Rechtsverletzung besteht und dabei auf das gemäß § 169 GVG bestehende Verbot hingewiesen werden. Bei Facebook ist die ergänzende schriftliche Übersendung der Beseitigungsaufforderung an folgende Adresse empfehlenswert: Facebook Germany GmbH, Caffamacherreihe 7, Brahmsquartier, 20355 Hamburg. Nach erfolgter Löschung sollte noch einige Zeit beobachtet werden, ob die gefertigten Aufnahmen unter einem anderen Titel oder einer anderen URL erneut im Internet oder sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Dann muss eine erneute Löschung veranlasst werden. Teil V: Geltendmachung von Forderungen durch „Reichsbürger“ Wenn sich „Reichsbürger“ behördlichen Verfahren oder Gerichtsverfahren ausgesetzt sehen, gehen sie häufig wie folgt vor: Die zuständigen Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen, Richter/Richterinnen oder Behördenvorstände werden angeschrieben und aufgefordert, die Verfahren aufzuheben, bzw. nicht weiter zu betreiben. Zur Begründung erfolgen Ausführungen, in denen Paragrafenketten aus tatsächlich existierenden Gesetzen und Gesetze des Deutschen 15 Reiches (oder Besatzungsrecht), die nicht mehr gültig sind, vermischt werden. Wenn dann entgegen der Aufforderung das rechtmäßige behördliche oder gerichtliche Verfahren fortgesetzt wird, behaupten die Reichsbürger, dass hierdurch gegen gültiges Recht verstoßen und sie entehrt worden seien. Nunmehr erfolgt schriftlich die neue fristgebundene Aufforderung, alle Verfahren aufzuheben und dies schriftlich mitzuteilen oder aber die Rechtsgültigkeit aller in den anhängigen Verfahren erlassenen Verfügungen, Beschlüsse und Urteile nebst der rechtsstaatlichen Legitimation der Behörde/des Gerichtes nachzuweisen. Ferner sollen die mit dem Verfahren befassten Personen von den „Reichsbürgern“ beigefügte Erklärungen unterschrieben einreichen. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, wird das Zustandekommen eines bindenden Vertrages angedroht und etwa auf eine als Anlage beigefügte Gebührentabelle verwiesen. Die beigefügten Erklärungsformulare enthalten beispielhaft aufgeführt die zum Teil unsinnige, unverständliche und rechtlich unhaltbare Aufforderung nachzuweisen: dass man Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist eine Ernennung auf Grundlage des GVG i. d. F. von 1924 erfolgte und die Befugnis des Ernennenden vorgelegt werden kann dass es sich bei dem Gericht um ein Staatsorgan nach § 15 GVG und Art. 126 der Verfassung (Verwaltungsgerichte Art. 138)handelt dass die Vereidigung nach dem Militärregierungsgesetz auf das deutsche Recht und das alliierte Besatzungsrecht erfolgte dass eine besatzungsrechtliche Genehmigung vorliegt, um als Richter tätig zu sein dass die Genehmigung der zuständigen Besatzungsbehörde in Ausführung der Anordnung der Alliierten Kommandantur in Berlin über die Zuständigkeit der deutschen Gerichte vorliegt ferner soll durch die jeweils tätig werdenden Personen eine eidesstattliche Versicherung darüber abgegeben werden dass sie Amtsträger nach deutschem Recht/Richter mit einer wirksamen Ernennung sind, etc. Wenn derartige Erklärungen selbstverständlich nicht abgegeben werden und auch keine Einstellung der Verfahren vorgenommen wird, folgen weitere Schreiben, die etwa die Bekanntmachung „internationaler kommerzieller Ansprüche“, Mahnung und 16 Ankündigung eines Pfandrechtes oder eine „Sicherungsvereinbarung“ zum Inhalt haben. Gleichzeitig wird angekündigt, dass eine Eintragung der behaupteten Forderungen im UCC-Register oder sonstigen internationalen Schuldnerverzeichnissen erfolgen wird. Weil es im Bundesgebiet zu Fällen kam, in denen versucht wurde, die behaupteten Forderungen titulieren zu lassen, werden hierzu die folgenden Hinweise erteilt: Schuldnerregister UCC Der Uniform Commercial Code (UCC) des Staates Washington in den USA erlaubt es Gläubigern, im Online-Verfahren Forderungen gegen Schuldner in ein dort geführtes Schuldnerregister einzutragen (https://fortress.wa.gov/dol/ucc/ ). Ein Nachweis (z.B. Titulierung) ist hierfür nicht erforderlich. Ob man als Schuldner in dem Register steht, kann online überprüft werden. Das Justizministerium Sachsen-Anhalt hat hierzu einen Leitfaden erstellt (abrufbar unter http://www.mj.sachsenanhalt .de/service/recht-und-gesetz/malta-masche/ )4. Anders als teilweise in den Medien dargestellt hat die Eintragung keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen und kann lediglich im Fall der Insolvenz des Schuldners im Staat Washington ein Recht des Gläubigers auf vorrangige Befriedigung herbeiführen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Sogenanntes Malta Inkasso bei Richterinnen und Richtern und Justizangestellten“, BT-Drs. 18/9978, S. 2 f.). Die Eintragung ist insbesondere nicht erforderlich, um die Forderung abtreten oder in Malta titulieren zu können. 4 Ein Formulierungsbeispiel für einen Löschungsantrag ist als Anlage beigefügt. Dieser ist per E-Mail zu richten an: ucc@dol.wa.gov Jackie Gansberg Notary Public Program; Uniform Commercial Code Program POB 9660; Olympia, Washington 98507-9660 17 Praktische Vorgehensweise im Fall einer erfolgten Zustellung in einem maltesischen Gerichtsverfahren Obschon es in Berlin nach den Erkenntnissen der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung bisher zu keiner Zustellung eines gerichtlichen Schreibens aus Malta an Justizbedienstete gekommen ist, ist nunmehr die folgende Verfahrensweise für einen solchen Fall vorgesehen: Wird Ihnen als Justizangehöriger/m eine Klage oder ein sonstiger Antrag von einem maltesischen Gericht zugestellt, wenden Sie sich über Ihre Dienststellenleitung an die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung zu Händen des dortigen Ansprechpartners5 und übersenden diesem sofort eine Ablichtung der zugestellten Urkunden. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wird dann direkten Kontakt zu einem Anwalt in Malta aufnehmen und mit diesem das weitere Vorgehen abstimmen. Insbesondere wird geklärt, ob Sie tatsächlich in Person nach Malta reisen müssen, um sich gegen den Klageanspruch zu verteidigen, oder ob es ausreicht, einen Anwalt vor Ort zu bevollmächtigen. Die Kosten für die anwaltliche Beratung und die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens werden unmittelbar durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung übernommen. Bitte nehmen Sie die Zustellungen und die Verfahren ernst. Sie sollten sich nicht darauf verlassen, dass Sie nach Abschluss des maltesischen Verfahrens nachträglich Rechtsschutz vor deutschen Gerichten erhalten werden. Titulierungsversuche in Malta Die Angaben, welche prozessualen Wege vom Inkassounternehmen beschritten werden, variieren. In Betracht kommen theoretisch: 5 Herr Dr. Hucke, I A 12, Tel.: 90133065; Matthias.Hucke @senjustva.berlin.de; Zum neuesten Stand des Informati- onsaustausches mit den Behörden auf Malta siehe auch das als Anlage beigefügte Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 18. November 2016 18 Europäischer Zahlungsbefehl Europäische Zahlungsbefehle werden aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens erlassen. Nach Art. 2 Abs. 1 der VO gilt sie in grenzüberschreitenden Rechtssachen in Zivilund Handelssachen; ausdrücklich ausgeschlossen ist die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii”). Nach Art. 2 Abs. 2 d) ist die VO auf Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen nur anwendbar, soweit sie Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind oder sie sich auf bezifferte Schuldbeträge aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben. Die Zuständigkeit bestimmt sich gemäß Art. 6 Abs. 1 nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (insbesondere der EuGVVO). Erlässt das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl, kann der Antragsgegner innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung auch ohne anwaltliche Vertretung (Art. 24 lit. b) schriftlich Einspruch einlegen (Art. 16). Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass das Verfahren gemäß den nationalen Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt wird (Art. 17). Wird kein Einspruch eingelegt, so erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl für vollstreckbar (Art. 18). Der vollstreckbar gewordene Europäische Zahlungsbefehl wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt , ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann (Art. 19). Nach Ablauf der Einspruchsfrist kann der Antragsgegner bei dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls beantragen, falls dieser gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen oder aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen offensichtlich zu Unrecht erlassen worden ist (Art. 20 Abs. 2). Im Vollstreckungsmitgliedstaat darf der Europäische Zahlungsbefehl dagegen nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden (Art. 22 Abs. 3). Der Weg des europäischen Mahnverfahrens stellt keine erhöhte Gefahr für die Betroffenen dar, weil sie sich durch schriftlichen Einspruch vergleichsweise leicht gegen den Europäischen Zahlungsbefehl wehren und so die Vollstreckbarerklärung verhin- 19 dern können. Auch nach Ablauf der Einspruchsfrist könnte der Europäische Zahlungsbefehl vor maltesischen Gerichten überprüft werden. Abgesehen von der ganz offensichtlich nicht bestehenden Forderung liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls offensichtlich nicht vor, weil - nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-Verordnung, EuGVVO) unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine internationale Zuständigkeit maltesischer Gerichte besteht und - der Europäische Zahlungsbefehl grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet, deliktische Ansprüche zu verfolgen. Eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls durch deutsche Gerichte scheidet dagegen grundsätzlich aus (Art. 22 Abs. 3). In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass die Durchbrechung der Rechtskraft eines Vollstreckungstitels (z.B. eines Vollstreckungsbescheids) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt werden darf, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zu Lasten des Schuldners ausnutzt. Voraussetzung hierfür ist nicht nur die materielle Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und die Kenntnis des Gläubigers hiervon; hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die sich aus der Art und Weise der Titelerlangung oder der beabsichtigten Vollstreckung ergeben und die das Vorgehen des Gläubigers in sittenwidriger Weise prägen, so dass es letzterem zugemutet werden muss, die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1998 – VI ZR 160/97 –, Rn. 13, juris Rn. 12 f.). Der BGH hat jedoch ein besonderes Schutzbedürfnis des Schuldners in Fällen verneint, in denen der Schuldner es trotz Kenntnis vom Vollstreckungsbescheid unterlassen hat, Maßnahmen zur Gegenwehr zu ergreifen (a.a.O., juris Rn. 19), so dass sich die Betroffenen nicht auf erfolgreichen nachträglichen Rechtsschutz in Deutschland verlassen sollten. 20 Mahnverfahren nach maltesischem Recht In Malta gilt der „CODE OF ORGANIZATION AND CIVIL PROCEDURE”, elektronisch abrufbar unter http://www.justiceservices.gov.mt/downloaddocument.aspx?app=lom&itemid=8577 . Ein dem deutschen Mahnverfahren vergleichbares Instrument kennt das maltesische Prozessrecht nicht. Allerdings sehen die Artikel 166A f. COCP ein spezielles optionales Verfahren (special procedures in respect of certain unopposed claims) für bestimmte , fällige Forderungen bis zu einer bestimmten Höhe vor. Das Verfahren ist aber nur zulässig, wenn auch der Schuldner in Malta ansässig ist, so dass es in dieser Konstellation nicht in Betracht kommt. Beschleunigtes Verfahren nach maltesischem Recht In Malta besteht die Möglichkeit, bezifferte Zahlungsansprüche im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens (special summary procedure) einzuklagen (Art. 167 ff. COCP). Hierfür muss der Kläger unter Eid versichern, dass seiner Meinung nach keine Verteidigung gegen die Klage möglich ist. Außerdem ist eine eidesstattliche Versicherung einer anderen Person nötig, die die Tatsachendarstellung des Klägers bestätigt. Dem Beklagten wird die Klage zugestellt, zusammen mit einer Terminsbestimmung , wobei der Termin in einem Zeitraum zwischen 15 und 30 Tagen liegen muss. In diesem Termin muss der Beklagte vor Gericht erscheinen, um der geltend gemachten Forderung zu widersprechen. Falls der Beklagte nicht zu dem anberaumten Termin erscheint oder falls er zwar erscheint, aber keine (stichhaltigen) Argumente gegen die Forderung vorbringt, gibt das Gericht der Klage statt. Andernfalls erhält der Beklagte die Möglichkeit, innerhalb von 20 Tagen eine Verteidigungsschrift einzureichen , und die Sache wird im normalen Klageverfahren weiterbehandelt. Ein in Malta ergangenes Urteil wäre in Deutschland ohne Anerkennungs- oder Vollstreckbarkeitsentscheidung eines deutschen Gerichts vollstreckbar (Art. 36, 39 EuG- VVO; § 1112 ZPO; die Vollstreckbarkeit wird vom Ursprungsgericht unter Verwen- 21 dung eines Formblatts bescheinigt, Art. 37, 42, 53 EuGVVO i.V.m. Anhang I). Ein Betroffener hätte nur die Möglichkeit, beim für seinen Wohnsitz zuständigen Landgericht die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung zu beantragen (Art. 45 ff. EuGVVO, § 1115 ZPO). Die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags können nicht beurteilt werden. (1) Beispiele siehe Anlagen Hinweise zum Umgang mit sog. Reichsbürgern 1. Allgemeine Informationen In zunehmendem Maße werden auch Justizbehörden der Bundesrepublik Deutschland mit Auftritten sog. Reichsbürger konfrontiert. Vorfälle betrafen bislang überwiegend Gerichte, aber auch in Berliner Justizvollzugsanstalten sind vereinzelt „Reichsbürger“ in Erscheinung getreten und Vorkommnisse mit ihnen zu verzeichnen gewesen. Auftritt und Argumentation dieser Personen ist gekennzeichnet von einer Leugnung der Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat, dem Gebrauch obskurer Fantasievollmachten und - ausweise (1) über Drohungen mit Gewalt oder mit Strafanzeigen, dem Stellen vermeintlicher Schadensersatzansprüche bis zu heimlichen Ton- und Filmaufnahmen von Justizbediensteten, die im Internet veröffentlicht werden. Erfahrungen aus dem Berliner Justizvollzug bestehen im Erschleichen von Besuchssprechstunden durch Außenstehende unter Vorlage von Fantasievollmachten (z.B. „Vollmacht zur Vertretung in Rechtsangelegenheiten“ einer „Vereinigung Rechtssuchender und Justizopfer“). Auch mit verbalen Argumentationen durch Gefangene in dieser Richtung ist zu rechnen. Spätestens seit der Tötung eines Polizisten in Bayern im Herbst 2016 sind auch Gewalttaten nicht auszuschließen. Diese Hinweise sollen eine Hilfestellung für eventuelle Vorkommnisse bieten: 2. „Nichtanerkennung“ der Bundesrepublik Deutschland "Reichsbürger" leugnen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bzw. behaupten die Existenz eines "eigenen" Staates auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, um daraus häufig wortreich und regelmäßig abwegig zu argumentieren, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und Amtshandlungen bundesdeutscher Behörden für sie keine Gültigkeit hätten bzw. dass den ihnen gegenüber stehenden Justizbediensteten die Befugnis fehle, in ihrem konkreten Fall tätig zu werden. Die „Reichsbürgerbewegung“ ist in vielfältigen Erscheinungsformen unterwegs. Es treten Gruppierungen und Einzelpersonen auf, die sich z.B. als Angehörige einer „Reichsregierung “, einer „Kommissarischen Reichsregierung“, der „Amtierenden Reichsregierung des Deutschen Reiches“, der „Exil-Regierung Deutsches Reich“, des „Präsidiums des Deutschen Reiches“, des „Zentralrats Deutscher Staatsbürger“, des „Reichsverfassungsrechtlichen Staates Deutsches Reich“ oder einer „Arbeitsgemeinschaft Staatlicher Selbstverwaltungen (StaVeSE)“ bezeichnen. Einige der zur „Reichsbürgerbewegung“ zählenden Personen nehmen u. a. für sich in Anspruch, „Reichskanzler“ oder sonstige Regierungsvertreter eines „Deutschen Reiches“ zu sein oder als „Richter“ im Namen des „Deutschen Reiches“ bis hin zur Todesstrafe Recht sprechen zu dürfen. Mitunter wird die Existenz eigenständiger Staaten wie „Germanitien“ oder „Fürstentum Germania“ auf deutschem Staatsgebiet behauptet. Die Ausführungen - zumeist mit einer Vielzahl von Anlagen und Fundstellen zur Untermauerung der dortigen Argumentation verbunden - und ständig wiederholte Rügen vermeintlicher Formalerfordernisse sollen die betroffenen Justizangehörigen verwirren, einen hohen, unvertretbaren Arbeitsaufwand verursachen und dadurch Verfahren verzögern. 2 3. Handlungsempfehlungen Die Argumentation der „Reichsbürger“ ist rechtlich abwegig und deswegen unbeachtlich. Die geltende Verfügungslage der Anstalt ist konsequent anzuwenden und durchzusetzen. In Zweifelsfällen sind Vorgesetzte zur Klärung hinzuzuziehen. Im Einzelnen gilt folgendes: Vorgelegte Unterlagen von Externen (Ausweise, Vollmachten, sonstige „Dokumente“) sind eingehend zu prüfen und bei Identifikation als Scheindokument im oben beschriebenen Sinne zurückzuweisen. Gegebenenfalls vom „Reichsbürger“ begehrte Amtshandlungen sind zu verweigern. Dies kann bei Externen insbesondere die Gewährung eines Zutritts zur Anstalt oder die Kontaktaufnahme zu Gefangenen und Untergebrachten betreffen. Droht eine gewaltsame Eskalation, ist Alarm auszulösen und je nach Lage die Polizei hinzuzuziehen . Dies gilt auch für Beleidigungen, Bedrohungen oder die Weigerung, das Gebäude bzw. das Gelände der Anstalt freiwillig zu verlassen. In all diesen Fällen ist Strafanzeige zu erstatten und Hausverbot zu erteilen. Von „Reichbürgern“ hinterlassene Materialien insbes. rechtsextremistischen Inhalts sind über die Abteilung Sicherheit dem Verfassungsschutz zuzuleiten. Bei Inhaftierten und Untergebrachten sind anstehende vollzugliche Amtshandlungen auf Grundlage der anzuwendenden Vollzugsgesetze konsequent und unbeirrt gemäß der in der Anstalt geltenden Verfügungslage durchzuführen. Es ist nicht möglich, „Reichsbürger“ argumentativ zu erreichen. Mündliche Auseinandersetzungen sind deshalb auf das absolut Notwendigste zu beschränken. Ein Eingehen auf ihre irrelevanten rechtlichen Pseudo - Argumente ist zu vermeiden. Stattdessen ist kurz und deutlich zu erklären, dass die Bediensteten der Anstalt bei ihren Entscheidungen die geltenden Gesetze zu beachten haben, dass diese Gesetze verfassungsgemäß zustande gekommen und zu vollziehen sind, da sie nicht vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz unvereinbar oder für nichtig erklärt worden sind. Schriftliche Anträge oder Schreiben sind nur kurz zu beantworten. Ein tiefergehendes Eingehen auf die Argumente der „Reichsbürger“ sollte unterbleiben. Zudem ist unbedingt zu vermeiden, von ihnen in Kopfbögen oder Adressangaben verwendete Fantasiebezeichnungen in Schreiben oder Bescheide der Anstalt zu übernehmen. Regelmäßig interpretieren „Reichsbürger“ dies als Zeichen der Anerkennung ihrer „Rechtsansicht“ oder ihres Pseudostaatsgebildes. Diese Schreiben und Bescheide werden sodann in anderen Fällen als Anlagen beigefügt oder zitiert und zur Untermauerung der abstrusen Argumentation missbraucht. Eine Übernahme der vom „Reichsbürger“ verwendeten Bezeichnungen, Titel, Dienstgrade und dergleichen ist sowohl im mündlichen wie auch im schriftlichen Verkehr zu unterlassen . Keinesfalls darf der Eindruck der „Anerkennung“ bestimmter Gruppierungen etwa 3 durch Übernahme „amtlicher“ Bezeichnungen oder Organisationnamen (z.B. „Zentralrat Deutscher Staatsbürger – ZDS“) oder durch die Anrede als Funktionär eines fiktiven Staates (z.B. „ Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium“ oder "Reichsgerichtspräsident") entstehen. „Reichsbürger“ nutzen dies zur Behauptung, die vorgetragene Argumentation bzw. Rechtslage sei anerkannt: Behörden hätten die vom Verfasser genannten Bezeichnungen bei Antworten in das Adressfeld übernommen oder aber innerhalb einer vom Verfasser gesetzten Frist keinen Widerspruch erklärt. In der Regel empfiehlt sich eine Bezeichnung allein mit Name und Adresse des Verfassers. Eine schriftliche Bescheidung missbräuchlicher Eingaben, die erkennbar einzig und allein darauf angelegt sind, die Anstalt oder Einrichtung mit abstrusen Rechtsargumenten zu beschäftigen wie etwa die „Bundesrepublik Deutschland existiere nicht“ kann unterbleiben , sofern sie darüber hinaus keine förmlichen Anträge, Dienst – oder Fachaufsichtsbeschwerden enthalten. Fälle des Auftretens von Reichsbürgern sind der Aufsichtsbehörde zu berichten. Material mit rechtsextremistischem Inhalt ist dem Verfassungsschutz zu übergeben