Landtag Brandenburg Drucksache 6/10001 6. Wahlperiode Eingegangen: 20.11.2018 / Ausgegeben: 26.11.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3969 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/9754 Wie stuft Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde inzwischen die AfD ein? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 13.10.2018, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen „offiziellen Prüfprozess“ bezüglich der AfD betreibe - in diesem Rahmen sollten die Landesbehörden für Verfassungsschutz bis zum Ende der ersten Oktoberwoche ihre AfD- Erkenntnisse dem BfV mitteilen. Parallel dazu hat das Thüringer Verfassungsschutzamt kürzlich die AfD zum „Prüffall“ erklärt. Der dortige Behördenleiter Stephan Kramer wird vom „Spiegel“ wie folgt zitiert: „Wenn die AfD Björn Höcke zum Spitzenkandidaten macht, bekennt sie sich zu dem, was er sagt. Damit würde die Partei zementieren, wo sie steht.“ Der Thüringer AfD-Landesverband hat Höcke am 13.10.2018 zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gewählt. Frage 1: Hat Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde im Rahmen des Prüfprozesses beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bis zum Ende der ersten Oktoberwoche Erkenntnisse bezüglich der AfD an das BfV übermittelt? Falls nein: Warum nicht? Falls ja: a) Wie viele Seiten umfasste die Erkenntnismitteilung? b) Basierte diese Erkenntnismitteilung ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Informationen? c) Welche Erkenntnisse bezüglich der AfD hat Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde gewonnen und welche ans BfV übermittelt? d) Zu welchem Ergebnis kommt Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde in ihrer Erkenntnis-Mitteilung an das BfV - sind die AfD oder Teile der AfD rechtsextremistisch und/oder verfassungsfeindlich, ist eine Beobachtung der AfD oder von Teilen der AfD durch den Verfassungsschutz erforderlich? zu Frage 1: Die im Frühjahr 2018 von der Brandenburgischen Verfassungsschutzbehörde dem Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelte Erkenntniszusammenstellung stellt eine Verschlusssache dar, so dass nähere Einzelheiten hierzu nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Frage 2: Hat Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde die AfD ebenfalls offiziell zum „Prüffall“ gemacht oder mit der Beobachtung der AfD begonnen? Falls ja: Seit wann? Falls nein: Warum nicht? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10001 - 2 - Frage 3: Wie stuft Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde den AfD-Landesverband Brandenburg ein - sieht der Verfassungsschutz rechtsextremistische und/oder verfassungsfeindliche Tendenzen im Brandenburger AfD-Landesverband? Und auf welcher Informationsgrundlage kommt die Verfassungsschutzbehörde zu diesem Ergebnis? Frage 4: Wie stuft Brandenburgs Verfassungsschutzbehörde die rechtsextremistische Sammlungsbewegung „Der Flügel“ innerhalb der AfD ein, die vom Thüringer AfD-Führer Björn Höcke gegründet worden ist, und wie stuft die Verfassungsschutzbehörde die „Patriotische Plattform“ in der AfD ein? Und auf welcher Informationsgrundlage kommt die Verfassungsschutzbehörde zu diesen Einstufungen? zu den Fragen 2 bis 4: Entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages prüft die Brandenburgische Verfassungsschutzbehörde fortlaufend, ob Anhaltspunkte für einen dahingehenden Verdacht vorliegen, dass Personenzusammenschlüsse die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder außer Kraft zu setzen versuchen. Soweit die Aktivitäten eines Personenzusammenschlusses über das Gebiet des Landes Brandenburg hinausgehen, sieht es die Brandenburgische Verfassungsschutzbehörde grundsätzlich als zweckmäßig an, die in anderen Bundesländern anfallenden Informationen hierbei mit einzubeziehen und die Bewertung gemeinsam mit den anderen Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder vorzunehmen. Da mit dem Ergebnis dieses Bewertungsprozesses zur Partei Alternative für Deutschland (AfD) sowie ihren Gliederungen nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand zeitnah zu rechnen ist, sieht die Brandenburgische Verfassungsschutzbehörde ein zusätzliches isoliertes Vorgehen derzeit nicht als erforderlich an. Auch mit Blick auf den noch laufenden Prüfprozess liegen gegenwärtig die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beobachtung der AfD oder ihr nahe stehender Gliederungen nach § 3 Absatz 1 Satz 2 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes nicht vor. Gleiches gilt auch für die öffentliche Abgabe entsprechender Wertungen im Sinne des § 5 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes. Frage 5: Wie viele der folgenden AfD-Mitglieder in Brandenburg können der rechtsextremistischen Sammlungsbewegung „Der Flügel“ innerhalb der AfD zugeordnet werden, beispielsweise weil sie die so genannte „Erfurter Resolution“ des „Flügel“ unterzeichnet haben, an einem oder mehreren der so genannten „Kyffhäusertreffen“ des „Flügel“ teilgenommen haben, das Programm von einem oder mehreren „Kyffhäusertreffen“ mitgestaltet haben oder anderweitig mit dem „Flügel“ sympathi-sieren - und welche Anstrengungen hat die Verfassungsschutzbehörde jeweils unternommen, um dies herauszufinden? a) AfD-Mitglieder (insgesamt) b) Landesvorstandsmitglieder c) Landtags-Abgeordnete d) AfD-Parteifunktionär*innen auf Orts-, Gemeinde- und Landkreisebene e) AfD-Mandatsträger*innen auf Orts-, Gemeinde- und Landkreisebene f) AfD-Kandidat*innen auf Orts-, Gemeinde- und Landkreisebene Frage 6: Wie viele AfD-Mitglieder aus Brandenburg konnten und/oder können der „Patriotischen Plattform“ der AfD als Mitglieder oder Sympathisant*innen zugeordnet Landtag Brandenburg Drucksache 6/10001 - 3 - werden - und welche Anstrengungen hat die Verfassungsschutzbehörde unternommen, um dies herauszufinden? Frage 7: Wie viele AfD-Mitglieder aus Brandenburg können der „Identitären Bewegung“ und/oder anderen rechtsextremistischen Gruppierungen als Mitglieder, Aktivist*innen oder Sympathisant*innen zugeordnet werden - und welche Anstrengungen hat die Verfassungsschutzbehörde unternommen, um dies herauszufinden? Frage 8: Wie viele Funktionsträger*innen (z. B. Landesvorstandsmitglieder) der AfD- Jugendorganisation „Junge Alternative“ in Brandenburg können der rechtsextremistischen Sammlungsbewegung „Der Flügel“ innerhalb der AfD zugeordnet werden, beispielsweise weil sie die so genannte „Erfurter Resolution“ des „Flügel“ unterzeichnet haben, an einem oder mehreren der so genannten „Kyffhäusertreffen“ des „Flügel“ teilgenommen haben, das Programm von einem oder mehreren „Kyffhäusertreffen“ mitgestaltet haben oder anderweitig mit dem „Flügel“ sympathisieren - und welche Anstrengungen hat die Verfassungsschutzbehörde unternommen, um dies herauszufinden? Frage 9: Wie viele Funktionsträger*innen (z. B. Landesvorstandsmitglieder) der AfD- Jugendorganisation „Junge Alternative“ in Brandenburg können der „Identitären Bewegung“ und/oder anderen rechtsextremistischen Gruppierungen als Mitglieder, Aktivist*innen oder Sympathisant*innen zugeordnet werden - und welche Anstrengungen hat die Verfassungsschutzbehörde unternommen, dies herauszufinden? zu den Fragen 5 bis 9: Es wird auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen. Frage 10: Wie stuft die Verfassungsschutzbehörde inzwischen den Verein „Zukunft Heimat“ ein - sieht die Verfassungsschutzbehörde rechtsextremistische und/oder verfassungsfeindliche Tendenzen in diesem Verein und/oder bei den führenden Vereinsvertreter*innen? a) Wie bewertet es die Verfassungsschutzbehörde, insbesondere unter Berück-sichtigung der Nazi-Diktatur vor gut 80 Jahren, dass „Zukunft Heimat“-Vorsitzender Christoph Berndt bei einer Kundgebung seines Vereins am 3. Oktober 2018 in Cottbus in Anbetracht von ausreisepflichtigen Ausländern, deren Aufenthaltsort den deutschen Behörden nicht bekannt sei, von einem „Staatsversagen“ sprach, „wie wir es hierzulande seit Jahrhunderten nicht gesehen haben“? b) Wie bewertet es die Verfassungsschutzbehörde, dass „Zukunft Heimat“-Vorsitzender Christoph Berndt bei einer Kundgebung des Vereins am 3. Oktober 2018 in Cottbus auf die Rechtsterrorismus-Ermittlungen des Generalbundes-anwaltes anspielte, indem er vom „Lügenmärchen ,Revolution Chemnitz‘“ sprach sowie von der „Propaganda-Lüge von den Hetzjagden in Chemnitz“ und dem „Märchen von den sieben Umstürzlern“? zu Frage 10: Es wird auf die Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage Nr. 3302 (LT-Drucksache 6/8367) verwiesen. Die Teilnahme von Rechtsextremisten in deutlich wahrnehmbarer Anzahl an den Demonstrationen des Vereins, die nicht hinreichende Abgrenzung von rechtsextremistischen Positionen, die organisatorischen und personellen Überschneidungen zur „Identitären Bewegung“ sowie die Vernetzung des Vereins mit weiteren Akteuren der sogenannten „Neuen Rechten“ werden durch die Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen und in der Bewertung berücksichtigt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10001 - 4 - Frage 11: Wie bewertet die Verfassungsschutzbehörde die Zusammenarbeit von AfD und „Zukunft Heimat“? Frage 12: Wie bewerten es Landesregierung und Verfassungsschutzbehörde, insbesondere mit Blick auf Artikel 7a der Landesverfassung, dass die stellvertretende AfD- Landes- und Landtagsfraktions-Vorsitzende Birgit Bessin bei der Kundgebung des Vereins „Zukunft Heimat“ am 3. Oktober 2018 in Cottbus gefordert hat, das Geld für das „Tolerante Brandenburg“ zu streichen? zu den Fragen 11 und 12: Unter Bezugnahme auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 werden die gesetzlichen Voraussetzungen für wertende Äußerungen nach § 5 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes nicht als gegeben erachtet.