Landtag Brandenburg Drucksache 6/10037 6. Wahlperiode Eingegangen: 27.11.2018 / Ausgegeben: 03.12.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3996 des Abgeordneten Péter Vida (fraktionslos) Drucksache 6/9797 Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens bei Windkraftanlagen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In Kleeste soll eine 217,5 m hohe Windenergieanlage errichtet werden. Diese würde die im Umfeld bereits bestehenden Anlagen höhenmäßig deutlich überragen. Das Amt Putlitz-Berge und die Gemeinde Berge haben das gemeindliche Einvernehmen zu diesem Projekt verweigert. Daraufhin hat das Landesumweltamt das fehlende kommunale Einvernehmen durch seine eigene Zustimmung ersetzt. Das ist nach hiesiger Kenntnis auch nicht der einzige derart gelagerte Fall. Ein solches Handeln einer Landesbehörde steht im krassen Gegensatz zu der vom Ministerpräsidenten verkündeten Zielsetzung, dass künftig die Kommunen mehr Mitspracherecht bei der Genehmigung von Windenergieanlagen haben sollen. Die zu diesem Thema kürzlich von Brandenburg mitgetragene Bundesratsinitiative geht ja auch in diese Richtung. 1. Befürwortet die Landesregierung das beschriebene Handeln einer Landesbehörde im konkreten Fall? zu Frage 1: Das Landesamt für Umwelt (LfU) hat bei der Bearbeitung von Genehmigungsverfahren die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Gesetze einzuhalten. Gemäß § 71 der Brandenburgischen Bauordnung (BbBO) soll die Genehmigungsbehörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen einer Gemeinde ersetzen. Nur in einem atypischen Einzelfall dürfte das LfU hiervon abweichen. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Die Entscheidung des LfU ist daher von der Landesregierung nicht zu beanstanden. 2. In wie viel Fällen wurde seit 2014 das gemeindliche Einvernehmen durch Landesbehörden ersetzt? Bitte konkret nach Jahr und Standort (WEG-Nr.) auflisten. zu Frage 2: Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens wird in der Datenbank des LfU nicht statistisch erfasst. Daher lässt sich die Anzahl der Fälle, in denen das gemeindliche Einvernehmen ersetzt wurde, nicht mit vertretbarem Aufwand ermitteln. 3. Warum ist das gemeindliche Einvernehmen vom Landesamt für Umwelt ersetzt worden , obwohl sich die beantragte Windkraftanlage außerhalb eines Windeignungsgebietes lt. Regionalplan Windenergie PR-OHV von 2003 und dem 2. Entwurf des Sachlichen Teilregionalplanes Freiraum und Windenergie PR-OHV vom 26.04.2017 befindet ? Welche Erklärung gibt es hierzu? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10037 - 2 - zu Frage 3: Laut Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz- Oberhavel befindet sich der Standort der beantragten Windkraftanlage nördlich in peripherer Randlage noch innerhalb des Eignungsgebietes Windenergienutzung Nr. 3 „Kleeste“ des in Aufstellung befindlichen Regionalplanes Prignitz-Oberhavel, Sachlicher Teilplan „Freiraum und Windenergie“ (ReP FW) vom 26.04.2017 (2. Entwurf). Der von der Gemeinde vorgebrachte Versagensgrund war daher rechtswidrig und zu ersetzen. 4. Durch derartige Ersetzungen des gemeindlichen Einvernehmens werden Präzedenzfälle geschaffen, die betroffene Kommune muss dann den Klageweg beschreiten. Solche Situationen erhöhen keineswegs die Akzeptanz von vom Land getragenen Maßnahmen . Warum wird dies dennoch gerade bei diesem Thema in dieser Vehemenz gemacht? zu Frage 4: Es werden keine Präzedenzfälle geschaffen, da die Ersetzung des Einvernehmens immer nur im Einzelfall nach umfassender Würdigung des örtlichen Sachverhaltes erfolgt. Die Beschreitung des Rechtsweges zur Wahrnehmung eigener Rechte gehört zur rechtsstaatlichen Grundordnung gem. Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und ermöglicht die unabhängige gerichtliche Überprüfung behördlicher Entscheidungen. Die Landesbehörden haben sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit an die geltenden Rechtsvorschriften zu halten. Ein Eingreifen in Entscheidungen im Rahmen von Verwaltungsverfahren zur Durchsetzung politischer Interessen würde eine Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Gewaltenteilung (Artikel 20 Abs. 3 GG) bedeuten. Die Landesregierung wird daher auch weiterhin keinen politischen Einfluss auf Verwaltungsentscheidungen nehmen, sondern sich für die Veränderung der Rechtsgrundlagen zur Verbesserung der Akzeptanz von Windkraftanlagen (WKA) einsetzen . 5. Wann wurde das Amt Putlitz-Berge bzw. die Gemeinde Berge offiziell über die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens informiert? zu Frage 5: Die Zustellung des Genehmigungsbescheides an das Amt Putlitz-Berge erfolgte am 24.9.2018. Der Genehmigungsbescheid enthält die Entscheidung zur Ersetzung des versagten Einvernehmens. 6. Besteht die Möglichkeit oder Gefahr, dass im Bereich Kleeste im Rahmen von Re- Powering die bestehenden Anlagen durch größere ertüchtigt werden? zu Frage 6: Die Durchführung von derartigen Maßnahmen unterliegt der unternehmerischen Freiheit der betreibenden Firmen. Der Landesregierung ist nicht bekannt, welche immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen in der Gemeinde Kleeste zukünftig auch ggf. für Repowering gestellt werden. Gegenwärtig liegen keine Anträge für das Repowering von Windkraftanlagen in der Gemeinde Kleeste vor. 7. Gibt es für 217,5 m hohe Windenergieanlagen neue tierökologische Abstandskriterien ? Hintergrund der Frage ist, dass in dem betreffenden Gebiet der in Rede stehenden Anlage mehre Horste des Rotmilan sind. zu Frage 7: Nein, es gibt keine neuen tierökologischen Abstandskriterien.