Landtag Brandenburg Drucksache 6/10325 6. Wahlperiode Eingegangen: 03.01.2019 / Ausgegeben: 08.01.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4087 der Abgeordneten Steeven Bretz (CDU-Fraktion), Dieter Dombrowski (CDU-Fraktion) und Rainer Genilke (CDU-Fraktion) Drucksache 6/10029 Luftqualität in der Landeshauptstadt Potsdam und Standortwahl von Messstellen zur Ermittlung der Luftgüte im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: In der Landeshauptstadt Potsdam wurden in der Zeppelinstraße und der Großbeerenstraße in den vergangenen Monaten erneut Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoff und Feinstaub festgestellt. Obwohl in der Zeppelinstraße bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen wurden, mit dem Ziel die Luftqualität zu verbessern, scheint dieses Ziel weiter nicht erreicht zu werden. Um die Luftqualität objektiv nachvollziehbar zu ermitteln, ist es entscheidend, dass bei der Installation der jeweiligen Messeinrichtungen nach einem einheitlichen Maßstab vorgegangen wird, da Vergleiche der Messergebnisse und die erforderliche rechtliche Gleichbehandlung der vor Ort Betroffenen ansonsten unmöglich ist. Die Güte der Außenluft ist europaweit nach einheitlichen Vorgaben zu überwachen und zu bewerten. Grundlage hierfür bildet die EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG sowie ihre Änderung nach der EU-Richtlinie 2015/1480/EG. Die Umsetzung in Deutschland erfolgt im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Die 39. Verordnung zur Durchführung des BImSchG regelt die Aufstellung und Lage der Messstellen zur Ermittlung der Luftgüte. Danach muss der Messeinlass z.B. einige Meter von Gebäuden, Balkonen, Bäumen und anderen Hindernissen entfernt sein. Der Messeinlass muss sich grundsätzlich zwischen 1,5 Meter und 4 Meter über dem Boden befinden und darf nicht in nächster Nähe von Emissionsquellen angebracht sein, um die unmittelbare Einleitung von Emissionen, die nicht mit der Umgebungsluft vermischt sind, zu vermeiden. Des Weiteren schreiben das EU- und Bundesrecht zur kleinräumigen Ortsbestimmung der Messstellen vor, dass die verkehrsbezogenen Probenahmestellen höchstens 10 Meter vom Fahrbahnrand oder mindestens 25 Meter vom Fahrbahnrand verkehrsreicher Kreuzungen entfernt sind. Presseberichten zufolge erfüllen viele Messstellen in Deutschland diese Voraussetzungen nicht und messen dichter an der Emissionsquelle . 1. Wie bewertet die Landesregierung die bisher im Bereich der Zeppelinstraße ergriffenen Maßnahmen vor dem Hintergrund der erneut nicht eingehaltenen Grenzwerte? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10325 - 2 - Zu Frage 1: Die im Rahmen des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt Potsdam - Fortschreibung 2015/16 umgesetzten Maßnahmen haben eine Minderung der Luftschadstoffbelastung , insbesondere im Bereich Zeppelinstraße, bewirkt. Die in den §§ 3 und 4 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BIm- SchV) als Stunden-, Tages- oder Jahresmittelgrenzwerte einschließlich zulässiger Überschreitungstage vorgegebenen Grenzwerte zu den Luftschadstoffen Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) wurden an der Messstelle Potsdam Zeppelinstraße - wie auch an allen übrigen Messstellen im Land Brandenburg - im Kalenderjahr 2017 eingehalten. Nach den bislang vorliegenden Messergebnissen werden auch für das Kalenderjahr 2018 keine Überschreitungen erwartet. Kurzzeitig auftretende erhöhte Luftschadstoffkonzentrationen innerhalb des für Jahresmittelgrenzwerte geltenden Mittelungszeitraumes von einem Kalenderjahr bedeuten keine Grenzwertüberschreitung und sind nach den einschlägigen EU-Richtlinien bzw. nach der 39. BlmSchV nicht maßgeblich. 2. Aus welchen Gründen wurden die Messstationen in der Zeppelinstraße und der Großbeerenstraße an den jeweiligen Standorten aufgestellt? Zu Frage 2: Es handelt sich um die Orte höchster Luftschadstoffbelastung im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Potsdam, die gemäß den Anforderungen des Anhangs 3, Buchstabe B der 39. BImSchV für die Probenahme ausgewählt wurden. 3. Hat sich die Position dieser beiden Stationen seit der ersten Aufstellung in den beiden Straßen jemals verändert? Falls ja, bitte erläutern und begründen. Zu Frage 3: Nein, die Position dieser beiden Stationen hat sich bisher nicht verändert. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Erhöhung des Abstandes zwischen Verkehrsstrom und Messstelle in der Zeppelinstraße durch die erfolgte Einführung eines breiten Radstreifens in Hinblick auf die Messgenauigkeit und die vorgegebene Definition „verkehrsnahe Messstelle“? Zu Frage 4: Im Rahmen des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt Potsdam - Fortschreibung 2015/16 ist ein Maßnahmenbündel in der Zeppelinstraße umgesetzt worden, das u. a. die Verringerung der Verkehrsbelastung durch Reduzierung der Fahrspuren, eine Verstetigung des Verkehrs durch Koordinierung der Lichtsignalanlagen, eine streckenweise Verringerung der Fahrgeschwindigkeit auf 30 km/h, eine Attraktivitätssteigerung des Fuß- und Radverkehrs und eine damit verbundene Verbreiterung des emissionsarmen Straßenraumes vor der bestehenden nördlichen Wohnbebauung beinhaltet. Die Maßnahmen insgesamt bewirken eine Minderung der Luftschadstoffkonzentration. Die Kriterien der 39. BImSchV zur Aufstellung von Verkehrsmessstellen wurden vor der Umsetzung des Maßnahmenbündels und werden auch unter den aktuellen straßenverkehrlichen Bedingungen eingehalten. Die Genauigkeit der Messung ist somit weiterhin gewährleistet. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen der Neuordnung des Verkehrsraums auf der Bundesstraße B1 (Zeppelinstraße) in Hinblick auf erhöhte Luftschadstoffbelastung in den angrenzenden Wohngebieten durch erhebliche Verkehrsverlagerung ? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10325 - 3 - Zu Frage 5: Die Auswirkungen der Neuordnung des Verkehrsraums auf die Verkehrs- und Immissionssituation wurden durch die Landeshauptstadt Potsdam umfänglich im Rahmen der „Evaluation des Modellversuchs Zeppelinstraße in Potsdam“ untersucht. Hierbei wurden die Entlastungen in der Zeppelinstraße bestätigt, die zur Unterschreitung des Jahresmittelgrenzwertes für NO2 führten. Im umliegenden Straßennetz kommt es danach zum Teil zu einer begrenzten Erhöhung des Verkehrsaufkommens, die jedoch nur zu einer moderaten Erhöhung der NO2-Immissionsbelastung um wenige µg/m³ im Jahresmittel führt. Die Landeshauptstadt Potsdam wird nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen weitere Maßnahmen umsetzen, die den Durchgangsverkehr im umliegenden Straßennetz verringern sollen. Das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft begleitet diese Bemühungen u. a. mit Immissionsmessungen über einen Zeitraum von einem Jahr (Passivsammler) sowie mit weiteren Untersuchungen im umliegenden Straßennetz der Zeppelinstraße. Ziel ist es, die Einhaltung der Luftschadstoffgrenzwerte in der Zeppelinstraße zu verstetigen und gleichzeitig einer Erhöhung der Belastung in deren Umfeld entgegenzuwirken. 6. Warum gibt es in der Landeshauptstadt Potsdam nur zwei verkehrsnahe Luftschadstoffmessstellen ? Wie wird die Luftqualität in anderen Teilen der Stadt überwacht und gesichert? Zu Frage 6: Neben den genannten zwei Messstellen an Orten höchster verkehrsbezogener Luftschadstoffbelastung wird die Luftqualität im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Potsdam auch am Bassinplatz zur Feststellung eines repräsentativen städtischen Hintergrundes und am Stadtrand, im Ortsteil Groß Glienicke, zu Vergleichszwecken gemessen. Die gegebene messtechnische Infrastruktur entspricht damit, bezogen auf eine Stadt in der Größe Potsdams, den Anforderungen der 39. BImSchV. Im Rahmen der Erstellung des Luftreinhalteplanes für die Landeshauptstadt Potsdam wurden darüber hinaus umfangreiche flächenbezogene Modellrechnungen durchgeführt, deren Ergebnisse hinsichtlich der Stickstoffdioxidkonzentrationen durch ergänzende Messungen (Passivsammler) bestätigt wurden. Insgesamt ist danach sichergestellt, dass bei Einhaltung der Grenzwerte an den beiden verkehrsnahen Messstationen auch in der Landeshauptstadt Potsdam insgesamt die geltenden Luftschadstoffgrenzwerte eingehalten werden. 7. Wie viele Messstellen zur Ermittlung der Luftgüte gibt es wo im Land Brandenburg? Zu Frage 7: Durch das Landesamt für Umwelt werden aktuell 24 Messstellen zur Beurteilung der Luftqualität im Land Brandenburg betrieben. Die räumliche Lage kann der Karte https://luftdaten.brandenburg.de/home/-/bereich/messstationen entnommen werden. 8. Welche gesetzlichen Vorgaben sind bei der Aufstellung von Messstellen zur Ermittlung der Luftgüte nach EU- und Bundesrecht im Einzelnen zu beachten? 9. Welche Standortkriterien sind zu erfüllen, um eine Verfälschung der Messungen zu vermeiden? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10325 - 4 - Zu Fragen 8 und 9: Die 39. BImSchV, die die Bestimmungen der EU-Richtlinien 2008/50/EG und 2015/1480/EG inhaltsgleich in nationale Regelungen überführt, enthält die zu beachtenden Kriterien sowohl zur großräumigen als auch zur kleinräumigen Ortswahl einer Messstelle. Die zu erfüllenden Standortkriterien sind insbesondere in den Anlagen 3 bis 5 der 39. BImSchV beschrieben. 10. Welche Messstellen im Land Brandenburg erfüllen die gesetzlichen Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des BImSchG und welche erfüllen diese nicht? (bitte tabellarisch auflisten) 11. Haben die im Land Brandenburg aufgestellten Messstationen in der Vergangenheit stets den rechtlichen Vorgaben entsprochen? Falls nein, bitte erläutern und begründen . 13. Aus welchen Gründen erfüllen die in der Antwort auf Frage 10) genannten Messstellen nicht die Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des BImSchG; worin weichen diese im Einzelnen ab? 14. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, sodass die gesetzlichen Vorgaben der 39. Verordnung zur Durchführung des BImSchG bei allen im Land Brandenburg vorhandenen Messstellen zukünftig erfüllt werden und Messwerte zur Luftgüte erhoben werden, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen? zu Fragen 10, 11, 13, 14: In Brandenburg erfüllen alle Messstellen die rechtlichen Anforderungen der 39. BImSchV. Dies gilt auch für die Vergangenheit. Die Standortanforderungen werden durch die jeweils zuständigen Behörden regelmäßig, mindestens alle fünf Jahre, überprüft. 12. Wurden im Land Brandenburg Messstationen aufgestellt, bevor europaweit einheitliche Regeln zur Positionierung erlassen wurden? Wurde die Position dieser Messstationen nachträglich an diese Regeln angepasst? Falls nein, warum nicht? Zu Frage 12: Das Luftqualitätsmessnetz des Landes Brandenburg wurde zu Beginn der 1990er Jahre zunächst nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung begründet, jedoch bereits unmittelbar anschließend an die Anforderungen der neuen EU-Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (Luftqualitätsrahmenrichtlinie ) und deren Tochterrichtlinien angepasst. Gleiches gilt für die jeweiligen Umsetzungen in das nationale Immissionsschutzrecht. Aufgrund der vorgreifenden bzw. rechtzeitigen Berücksichtigung neuer technischer Standards und rechtlicher Anforderungen bei der Ausgestaltung des Messnetzes waren nachträgliche Standortanpassungen nicht erforderlich.