Landtag Brandenburg Drucksache 6/10331 6. Wahlperiode Eingegangen: 04.01.2019 / Ausgegeben: 09.01.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4121 des Abgeordneten Andreas Kalbitz (AfD-Fraktion) Drucksache 6/10184 Beratungsnetzwerk „Tolerantes Brandenburg“ Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Aus dem von der Landesregierung 1998 ins Leben gerufenen sogenannten Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ ist ein aktives Netzwerk aus staatlichen und privaten Akteuren hervorgegangen. Dieses „Beratungsnetzwerk“ besteht aus einer Vielzahl von staatlichen Stellen und privaten, zum Teil zu 100 Prozent staatlich finanzierten Vereinen und anderen privaten Trägern. Wissenschaftler, die das so bezeichnete Beratungsnetzwerk analysiert haben, stellten die Verbindungen innerhalb des Netzwerkes in einer nur schwer nachvollziehbaren Weise dar (siehe Drs. 6/8946, S. 62). Sie schreiben ferner über das Netzwerk: „[…] Dieser Typ einer politischen Steuerung über ein Netzwerk, das aus staatlichen und formell nichtstaatlichen Akteuren besteht, wird in der Politikwissenschaft seit einigen Jahren unter dem Stichwort ,Governance‘ kritisch diskutiert. […]“ Eine solche Governance-Struktur halte man „unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten“ für „problematisch“. Denn: „[…] So übernehmen formell zivilgesellschaftlich verfasste Träger die Beratung zivilgesellschaftlicher und kommunaler Akteure. […] Fragen einer demokratischen Legitimität dieser Akteure treten eher in den Hintergrund. […]“ (siehe http://www.tolerantes.brandenburg.de/media_fast/5791/Endbericht%20TBB_2014-03-14- final.pdf, S. 28, zuletzt abgerufen am 07.11.2018 um 16:03 Uhr). Die Akteure des Beratungsnetzwerks sind nach der Darstellung auf der Internetseite des „Toleranten Brandenburgs “ in den Themenbereichen „Rechtsextremismusbekämpfung“, „Demokratiestärkung“ und „Toleranzförderung“ aktiv. Ferner treffen sich die Akteure des Beratungsnetzwerks in regelmäßigen Sitzungen. Auch gibt es ein bereits 2012 verabschiedetes Leitbild für die Arbeit des Beratungsnetzwerks „Tolerantes Brandenburg“1. 1 https://sixcms.brandenburg.de/media_fast/2806/Leitbild_Beratungsnetzwerk_Brandenburg .pdf, zuletzt abgerufen am 07.11.2018 um 14:57 Uhr. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10331 - 2 - Ich frage die Landesregierung: 1. Welche staatlichen Stellen und privatrechtlich verfassten Vereine, Zusammenschlüsse und sonstigen Einrichtungen zählen gegenwärtig zum „engeren“ und welche zum „weiteren “ Kreis des Beratungsnetzwerks; wer ist insoweit „nur“ ein sogenannter Kooperationspartner ? (Bitte aufschlüsseln nach den Akteuren des Netzwerks und dem Beginn und der Art der jeweiligen Zusammenarbeit.) zu Frage 1: Dem Beratungsnetzwerk des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ gehören der Verein Demokratie und Integration Brandenburg (mit den Arbeitsbereichen Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung/Mobiles Beratungsteam und der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie und der Fachstelle Islam in Brandenburg), das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit , die Opferperspektive sowie die Brandenburgische Sportjugend an. Das Beratungsnetzwerk wurde 2005 mit zunächst vier Akteuren gegründet, seit dem Jahr 2007 gehört ihm auch die Brandenburgische Sportjugend an. Ab dem 1. Januar 2019 wird dem Beratungsnetzwerk auch die Fachstelle Antisemitismus in Trägerschaft des Moses Mendelssohn Zentrum angehören. Eine Übersicht der Kooperationspartner befindet sich in Anlage 1. Über die Art der Zusammenarbeit zwischen Kooperationspartnern und der Koordinierungsstelle werden jeweils Kooperationsvereinbarungen getroffen. 2. Welche Akteure des Beratungsnetzwerks - Kooperationspartner eingeschlossen - werden zu 100 Prozent über staatliche Mittel finanziert? (Bitte konkretisieren, ob es sich dabei um Landes- und/oder Bundesmittel handelt.) zu Frage 2: Diese Frage kann nur für die Träger beantwortet werden, die durch das Land institutionell gefördert werden, da diese im Rahmen der Förderung der Koordinierungsstelle einen Wirtschaftsplan vorzulegen haben. Dieses betrifft einzig das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Aktionsbündnis verfügt neben der staatlichen Förderung in geringem Maße auch über Einnahmen aus Materialverkauf und aus Spenden. Im Übrigen ist die Mitarbeit im Netzwerk nicht daran gebunden, dass die Akteure die Herkunft ihrer Einnahmen mitteilen. 3. Welche privaten Vereine, Organisationen und sonstigen Einrichtungen sind auf Grundlage und/oder zur Umsetzung des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ bislang gegründet worden? zu Frage 3: Keine. 4. Welche Projekte wurden durch das Beratungsnetzwerk seit dem Bestehen des Handlungskonzepts „Tolerantes Brandenburg“ realisiert? (Bitte aufschlüsseln nach Projekten je Kalenderjahr seit 1998 und den jeweils daran beteiligten Akteuren des Beratungsnetzwerks .) zu Frage 4: Das Beratungsnetzwerk dient dem Austausch, es realisiert keine Projekte. 5. Was ist unter einem „Interventionsteam“ des Beratungsnetzwerks zu verstehen, und wer bildet ein solches auf wessen Initiative hin? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10331 - 3 - zu Frage 5: Der Begriff „Interventionsteam“ wurde mit dem Bundesprogramm „kompetent. Für Demokratie“ 2007 - 2010 bundesweit eingeführt. Ihm liegt zugrunde, dass in bestimmten schwierigen und komplexen Situationen einzelne Mitglieder oder das gesamte Beratungsnetzwerk durch die Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg zur Beratung und Abstimmung der Vorgehensweisen eingeladen werden und abgestimmt mit Partnerinnen und Partnern vor Ort agiert wird. 6. In welcher Regelmäßigkeit und wo finden Sitzungen des Beratungsnetzwerks „Tolerantes Brandenburg“ statt? zu Frage 6: Treffen des Beratungsnetzwerkes finden drei- bis viermal im Jahr statt, ggf. ergänzt durch anlassbezogene Beratungstreffen. Die Treffen finden in der Regel in den Räumlichkeiten der Koordinierungsstelle statt. 7. Wer, das heißt welche Vertreter welcher staatlichen Stellen und privaten Organisationen , nimmt an diesen Sitzungen regelmäßig teil? zu Frage 7: An den Treffen des Beratungsnetzwerkes nehmen in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten Mitglieder des Beratungsnetzwerkes sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg/Bündnis für Brandenburg“ teil. 8. Wer trägt die Verantwortung für die inhaltliche Schwerpunktsetzung bei den Sitzungen des Beratungsnetzwerks? zu Frage 8: Die Einladung und der Vorschlag zur Tagesordnung erfolgen in Abstimmung mit den Geschäftsführer/innen des Beratungsnetzwerkes durch die Koordinierungstelle „Tolerantes Brandenburg/Bündnis für Brandenburg“. 9. Wer leitet die Sitzungen des Beratungsnetzwerks? zu Frage 9: Die Leiterin der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg/Bündnis für Brandenburg“ 10. Wie bewertet die Landesregierung die Schaffung einer solchen Governance-Struktur, insbesondere die Verfolgung staatlicher Aufgaben und Ziele durch formal private Handlungsakteure, die zum Teil zu 100 Prozent staatlich finanziert sind, unter dem Aspekt der demokratischen Legitimität und vor dem Hintergrund weiterer verfassungsrechtlicher Grundsätze? zu Frage 10: Es steht außer Frage, dass es sich bei Rechtsextremismus um einen Problemkomplex handelt, der nicht allein durch staatliches Handeln und schon gar nicht durch marktliche Anreize angemessen bearbeitet werden kann. Insofern ist die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gut begründet. Dass staatliche Aufgaben und Ziele durch staatliche oder vom Staat finanzierte Akteure wahrgenommen werden, hält die Landesregierung grundsätzlich in demokratietheoretischer und verfassungsrechtlicher Hinsicht für den Regelfall. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10331 - 4 - Die Expertise (Schubarth/Kohlstruck/Rolfes 2014, 26-29), aus dem das in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage angeführte Zitat stammt, problematisiert im Übrigen nicht die Schaffung einer Governance-Struktur als solcher, sondern stellt Überlegungen zu deren Optimierung an. 11. Betrachtet es die Landesregierung als legitim, zu 100 Prozent staatlich geförderte private Vereine, Organisationen und sonstige Einrichtungen als „Zivilgesellschaft“ zu bezeichnen , obwohl diese ohne staatliche Initiative und Finanzierung gar nicht existieren würden? (Bitte begründen.) zu Frage 11: Die der Frage zugrunde liegende Vermutung, dass die von der Landesregierung als Zivilgesellschaft bezeichneten Vereine und Organisationen zu 100 Prozent aus staatlichen Mitteln gefördert werden, kann die Landesregierung aus den in der Antwort zu Frage 2 genannten Gründen nicht teilen. 12. Was versteht die Landesregierung unter den Begriffen „Rechtsextremismusbekämpfung “, „Demokratiestärkung“ und „Toleranzförderung“? zu Frage 12: Unter dem Begriff „Rechtsextremismusbekämpfung“ werden verschiedene Maßnahmen und Angebote staatlicher und nicht-staatlicher Akteure verstanden, die erstens über rechtsextreme Strategien und Inhalte informieren, zweitens die Verständigung zu demokratischen Werten und demokratischen Reaktions-/ als auch Handlungsweisen fördern sowie schlussendlich auch strafbare rechtsextreme Handlungen ahnden (nur staatliche Akteure). Dies findet sich auch in den drei Handlungsebenen des Handlungskonzepts Tolerantes Brandenburg wieder. Unter dem Begriff „Demokratiestärkung“ werden verschiedene Maßnahmen verstanden, die den demokratischen Diskurs in der Bevölkerung und das Engagement für ein demokratisches Miteinander befördern wie auch auf die gewaltfreie Bearbeitung von Konflikten und gesellschaftlichen Entwicklungen ohne die Diskriminierung von einzelnen Bevölkerungsgruppen abzielen. Im Handlungskonzept Tolerantes Brandenburg werden verschiedene Ansätze dargelegt. Unter dem Begriff „Toleranzförderung“ wird die Förderung von Akzeptanz der gegebenen Diversität von Individuen, z.B. hinsichtlich des familiären, lokalen und kulturellen Hintergrundes oder der Ausgestaltung des individuellen Lebensentwurfs innerhalb des rechtsstaatlichen und demokratischen Rahmens verstanden. Die Toleranz, z.B. gegenüber anderen Lebensentwürfen oder Ansprüchen an der Ausgestaltung des öffentlichen Raums, ist für den demokratischen Diskurs ein basales Element. Kompromisse, wie sie für unsere Konsensdemokratie kennzeichnend sind, sind eben nicht ohne ein Mindestmaß an Akzeptanz anderer Bedürfnisse möglich. Das Tolerante Brandenburg lässt die Vielzahl von Werten, Lebensentwürfen und politischen Einstellungen zu, solange sie nicht gegen die Menschenrechte, das Grundgesetz oder die Verfassung unseres Landes verstoßen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10331 - 5 - Die Landesregierung sieht sich bei der Umsetzung aller drei Begriffe insbesondere auch der der im Jahr 2013 eingeführten Anti-Rassismus-Klausel verpflichtet. In ihre heißt es: "Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen." Durch die Verfassungsänderung hat die freiheitliche, offene und demokratische Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit fremdenfeindlichem und rassistischem Gedankengut den wichtigen verfassungsrechtlichen Rückhalt erlangt. Anlage/n: 1. Anlage Anlage 1: Mitglieder des Kooperationspartner-Netzwerkes im Rahmen des Handlungskonzeptes Tolerantes Brandenburg Partner des TBB seit AOK Nordost - Die Gesundheitskasse 2006 Arbeitslosenverband Deutschland Landesverband Brandenburg e.V. 2011 BBU - Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. 2017 Berlin-Brandenburgische Landjugend e.V. 2011 Brandenburger Landfrauenverband e.V. 2011 Brandenburgische Sportjugend im Landessportbund Brandenburg e.V. 2005 DEHOGA - Deutscher Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg e.V. 2009 Deutscher Gewerkschaftsbund - Bezirk Berlin-Brandenburg 2006 Deutsches Jugendherbergswerk Landesverband Berlin - Brandenburg e.V. 2010 Deutsch-Polnische Gesellschaft Brandenburg e.V. 2014 Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 2008 Fachverband Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit Brandenburg e.V. (FJB) 2017 Frauenpolitischer Rat Land Brandenburg e.V. 2011 Fußball-Landesverband Brandenburg e.V. 2009 Gemeinde Schorfheide 2014 GSE Protect - Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz mbH 2013 Handelsverband Berlin Brandenburg e.V. 2009 Interessengemeinschaft ENERGIE-Route der Lausitzer Industriekultur c/o Bergbautourismusverein Stadt Welzow 2014 Internationale Jugendgemeinschaftsdienste Landesvereine Berlin, Brandenburg, Sachsen e.V. 2007 Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg e.V. 2011 Katholisches Büro Berlin-Brandenburg des Erzbistums Berlin K.d.ö.R. 2009 LAG mobile Jugendarbeit Streetwork Brandenburg e.V. c/o Lindenpark Potsdam 2012 Landesfeuerwehrverband Brandenburg e.V. 2007 Landesjugendfeuerwehr Brandenburg im Landesfeuerwehrverband Brandenburg e.V. 2007 Landesjugendring Brandenburg e.V. 2006 Landesschülerrat Brandenburg 2009 Landessportbund Brandenburg e.V. 2005 Landestourismusverband (LTV) Brandenburg e.V. 2013 Landesverband AndersARTiG – LesBiSchwules Aktionsbündnis Land Brandenburg e.V., Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange des Landes Brandenburg (LKS) 2007 Landkreis Elbe-Elster 2006 LEAG - Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG 2008 LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Brandenburg c/o Der Paritätische Landesverband Brandenburg e.V. 2006 pro agro - Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin e.V. 2016 Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit 2018 Seniorenrat des Landes Brandenburg e.V. (SRLB) 2009 Stadt Königs Wusterhausen 2010 Stadt Oranienburg 2008 Technisches Hilfswerk Länderverband Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt 2007 TMB - Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH 2007 Verband der Campingwirtschaft im Land Brandenburg e.V. 2013 Verband der Musik- und Kunstschulen Brandenburg e.V. 2007 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg 2008 Zalando Logistics SE & CO. KG 2016