Landtag Brandenburg Drucksache 6/10348 6. Wahlperiode Eingegangen: 07.01.2019 / Ausgegeben: 14.01.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4100 des Abgeordneten Péter Vida (fraktionslos) Drucksache 6/10066 Aussetzung der Vollstreckung von Verzugszinsen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 14.06.2018 die obersten Finanzbehörden der Länder angewiesen, die Vollziehung von Zinsfestsetzungen in Höhe von 6% p.a. (§ 238 Abs. 1 AO) auszusetzen, soweit Einspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung beantragt worden ist. Dies erfolgte aufgrund der vom Bundesfinanzhof geäußerten erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifel angesichts der Höhe des Zinssatzes. Das Bundesfinanzministerium erstreckt das Schreiben auf Verzinsungszeiträume ab 01.04.2015. Frage 1: Wie wird dieses Schreiben des Bundesfinanzministeriums in Brandenburg gehandhabt ? Erfolgt eine Beachtung? zu Frage 1: Das vom Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder herausgegebene Schreiben vom 14.06.2018 wurde im Bundessteuerblatt Teil I 2018, Seite 722 veröffentlicht. Es wurde inzwischen durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.12.2018 ersetzt. Mit diesem neuen Schreiben wurde der Anwendungszeitraum für eine Aussetzung der Vollziehung auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2012 erweitert. Es gilt für Zinsen auf alle Steuern, die von den Finanzämtern im Auftrag des Bundes verwaltet werden und ist für die Steuerverwaltungen der Länder und damit auch für die Brandenburger Steuerverwaltung verbindlich und im Vollzug zu beachten. Frage 2: Wurden nachgeordnete Behörden durch die Landesregierung auch angewiesen, Vollziehungen auszusetzen? zu Frage 2: Die Finanzämter des Landes Brandenburg wurden als nachgeordnete Behörden durch das Ministerium der Finanzen gesondert angewiesen, auf Antrag die Vollziehung einer zulässig angefochtenen Zinsfestsetzung entsprechend auszusetzen. Diese Anweisung gilt für alle vollziehbaren Zinsbescheide, in denen der Zinssatz gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) in Höhe von 0,5% für jeden vollen Monat (= 6% pro Jahr) zugrunde gelegt wird. Frage 3: Wurden Kommunen und kommunale Aufgabenträger angewiesen, Vollziehungen auszusetzen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10348 - 2 - zu Frage 3: Nein. Die Kommunen entscheiden im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung eigenverantwortlich über die Aussetzung der Vollziehung angefochtener Verwaltungsakte gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Frage 4: Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen trotz dieses Schreibens und trotz Einspruches und Antrages auf Aussetzung der Vollziehung die Vollstreckung betrieben wird? zu Frage 4: Der Landesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen trotz dieses Schreibens und trotz Einspruches und Antrages auf Aussetzung der Vollziehung die Vollstreckung betrieben wird. Frage 5: Wie ist dieses Schreiben in Ansehung der bis heute betriebenen Vollstreckung (!) verfassungswidriger Altanschließerbeiträge durch manche Zweckverbände zu bewerten? Bitte dies vor allem vor dem Hintergrund beleuchten, dass manche Zweckverbände derzeit dazu übergehen, zunächst gestundete Zahlungen jetzt rückwirkend voll zu verzinsen und zu vollstrecken. zu Frage 5: Es obliegt der Landesregierung nicht, das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.06.2018 zu bewerten. Der Landesregierung sind keine aktuellen Fälle bekannt, in denen kommunale Aufgabenträger vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 (Az. 1 BvR 2961/14) betroffene bestandskräftige Bescheide vollstrecken. In seinem Urteil vom 11.02.2016 (Az. 9 B 1.16, 9 B 43.15) hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg unter Bezugnahme auf die nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Kommunalabgabengesetz i. V. m. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO anwendbare Vorschrift des § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes darauf hingewiesen, dass für bereits bestandskräftige Bescheide aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 ein Vollstreckungsverbot folgt. Im Beschluss vom 12.01.2017 (Az. 3 K 58.16) hat der 3. Senat des OVG Berlin-Brandenburg das Vollstreckungsverbot verneint. Dies hat zum Teil zu Irritationen geführt. Dazu hat der 9. Senat des OVG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 11.09.2018 (Az. 9 S 10.18) ausgeführt, dass das Vollstreckungsverbot für die von der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 12.11.2015 betroffenen bestandskräftigen Bescheide greift. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die kommunale Praxis davon abweicht.