Landtag Brandenburg Drucksache 6/10455 6. Wahlperiode Eingegangen: 21.01.2019 / Ausgegeben: 28.01.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4138 der Abgeordneten Andreas Galau (AfD-Fraktion) und Christina Schade (AfD-Fraktion) Drucksache 6/10222 Stellen Finanzanlagen in Derivate ein Risiko für den Haushalt des Landes Brandenburg dar? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Das Land Brandenburg hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern Steuergelder in Finanzanlagen in Form von Derivate-Geschäften investiert. Die Landesregierung möge hierzu Auskunft geben (Quelle: Die Welt vom 26.09.2018) Die Landesregierung möge Auskunft geben, wie sich die Entwicklung der Derivate-Geschäfte seit dem letzten Bericht vom 04.06.2018/ MdF-Vorlage 11/17 entwickelt hat. Frage 1: Wie stellt sich die Entwicklung der Derivate-Geschäfte zum aktuellen Zeitpunkt dar? zu Frage 1: Das Nominalvolumen der Derivate zum Stichtag 01.12.2018 betrug 10.074,7 Mio. EUR. Gegenüber dem Nominalvolumen zum 31.12.2013 i.H.v. 16.147,5 Mio. EUR ist es um 6.072,8 Mio. EUR reduziert worden. Frage 2: Welchen Nutzen haben diese Derivate-Geschäfte für das Land, welche Risiken bergen diese Geschäfte in sich? zu Frage 2: Der Einsatz von Derivaten ist risikobehaftet, aber die Hinnahme der Zinsentwicklung ohne aktive Risikosteuerung wäre ebenfalls risikobehaftet. So existieren Zinsänderungsrisiken , die bei variabel verzinslichen bestehenden und neu abzuschließenden Krediten aus Erhöhungen der Marktzinssätze (bspw. 6-Monats-Euribor) sowie bei fest verzinslichen bestehenden Krediten aus der Reduzierung und bei festverzinslichen in der Zukunft abzuschließenden Krediten aus der Erhöhung von Marktzinssätzen (bspw. 10- Jahres-Swapsatz) resultieren. Ziel des Einsatzes von Derivaten ist daher die Reduzierung der Zinsbelastungen durch Begrenzung und Steuerung von Zinsänderungsrisiken sowie durch die Nutzung von Chancen zur Erzielung günstiger Konditionen sowohl für bestehende sowie künftig abzuschließende Kredite abzusichern und zu steuern. Die Risiken des Derivateinsatzes sind abhängig von der Art des Derivates sowie der Wertentwicklung der die Zahlungen beeinflussenden Marktparameter und der Diskontierungszinssätze. So bestehen die Risiken eines Zinsswaps in der zeitlichen Entwicklung der zukünftigen Zinssätze . Bei einer Swaption dagegen spielt zudem das Risiko der zeitlichen Entwicklung der Landtag Brandenburg Drucksache 6/10455 - 2 - Schwankungen der zukünftigen Zinssätze (= Volatilität) eine Rolle. Allen Derivaten gemein ist das Kontrahentenrisiko, das jedoch durch die Unterzeichnung eines Besicherungsanhangs und somit Stellung resp. Zahlung von Sicherheitsleistungen durch den jeweiligen Kontrahenten signifikant reduziert werden kann. Frage 3: Sind - nach jetzigem Stand - die Prognosen für 2018 eingetroffen? Wenn nicht, wie haben sie sich verändert? zu Frage 3: Werden Prognosen als Erwartungen bezüglich der zeitlichen Entwicklung der Zinssätze interpretiert, nimmt das Land eine solche Prognose nicht vor. Werden die Prognosen auf die Erwartungen bezüglich der zeitlichen Entwicklung der Zinsausgaben bezogen, verwendet das Land ein stochastisches Modell, das die zukünftigen Zinsausgaben auf Basis der zukünftigen Terminzinsen mit einer angenommenen Wahrscheinlichkeit ermittelt. Der aktuell erwartete Terminzins wird aus Marktinformationssystemen wie Reuters oder Bloomberg in das Modell importiert. Die Zinsausgabenprognose, die jeweils im Rahmen der Haushaltsaufstellung verwendet wird, bildet die Obergrenze für die zukünftigen Zinsausgaben . Für das Haushaltsjahr 2018 wurden Zinsausgaben i.H.v. 320,9 Mio. EUR veranschlagt . Die tatsächlichen Zinsausgaben für das Haushaltsjahr 2018 betragen voraussichtlich 280,4 Mio. EUR. Frage 4: Können die aktuellen Derivate-Entwicklungen börsentäglich aktuell durch das MdF abgerufen werden? zu Frage 4: Ja. Frage 5: Welche Krisenszenarien gibt es im Fall eines Börsencrashs seitens der Landesregierung ? zu Frage 5: Bei einem Börsencrash ist ein starker Kursrückgang an den Börsen beobachtbar . Dieser Kursrückgang kann sehr unterschiedliche Ursachen und Folgen haben. Generalisierende Aussagen zu den direkten und indirekten Auswirkungen eines Börsencrashs auf das Kredit- und Derivateportfolio des Landes sind daher nicht möglich. Frage 6: Ist es noch aktuell, das die Landesregierung Derivate-Geschäfte bis zum Jahr 2041 abgeschlossen hat? zu Frage 6: Ja. Zum Stichtag 01.12.2018 haben noch drei Derivate eine Laufzeit bis 2041. Frage 7: Nach Informationen der „Welt" sind die Derivate-Geschäfte des Landes Brandenburg im Minus, die des Landes Nordrhein-Westfalen hingegen im Plus. Wie erklärt sich die Landesregierung diese Diskrepanz? zu Frage 7: Eine Bewertung kann nur für das Derivateportfolio des Landes Brandenburg, nicht jedoch für das Derivateportfolio des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgen; eine Analyse der Diskrepanz ist somit nicht möglich. Der negative Barwert des Derivateportfolios des Landes Brandenburg ist grundsätzlich darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Derivate zu einem Zeitpunkt zur Zinssicherung abgeschlossen wurden, als der Marktzins deutlich höher lag als heute. Durch den gesunkenen Marktzins haben diese Geschäfte aktuell einen negativen Barwert. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10455 - 3 - Frage 8: Wo sind die Derivate-Geschäfte in ihrer vertraglichen Ausgestaltung für die Abgeordneten einsehbar? zu Frage 8: Die Verträge lagern im Referat 27 „Liquiditäts- und Schuldenmanagement, Landesschuldenverwaltung, Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, Fachaufsicht LHK, Versorgungsfonds, Kreditaufnahme und Schuldenverwaltung für Sondervermögen Finanzierungsfonds Flughafen BER“ des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg . Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse - worunter auch die Derivate-Geschäfte in ihrer vertraglichen Ausgestaltung fallen - sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie) und 49 (Berufsfreiheit) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt. Es besteht die Möglichkeit , gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Frage 9: Wurden seit dem 31.12.2017 weitere Derivate-Vereinbarungen restrukturiert? Wenn ja, in welcher Form? zu Frage 9: In 2018 wurden 9 Derivate restrukturiert. Eine Darstellung der Restrukturierung würde Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Banken enthalten. Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie) und 49 (Berufsfreiheit) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Frage 10: In welchem Haushaltstitel sind die aktuellen Derivate-Geschäfte für das Jahr 2019 dargelegt? zu Frage 10: Zahlungen bezogen auf Derivate-Geschäfte werden im Kapitel 20650 Titel 57510 „Zinsen für Kreditmarktmittel“ gebucht. Frage 11: Auf welche zukünftigen Zinssätze sind die Derivate-Geschäfte ausgelegt? zu Frage 11: Eine Darstellung der vertraglich vereinbarten Zinssätze der Derivate- Geschäfte würde Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Banken enthalten . Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie) und 49 (Berufsfreiheit) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Frage 12: Derivate-Geschäfte werden unter anderem abgeschlossen, um bei künftigen Schulden einen niedrigen Zinssatz zu erhalten. Welche künftige Schuldenhöhe will das Land mit diesen Derivaten besichern? zu Frage 12: Das Land verfolgt die Strategie, Zinsänderungsrisiken für einen Teil des Schuldenportfolios durch die Festlegung einer Obergrenze des variabel verzinslichen Anteils des Schuldenportfolios und den Einsatz von Derivaten zu vermeiden resp. zu reduzieren . Die Obergrenze des variabel verzinslichen Anteils des Schuldenportfolios liegt bei 30% (nach Derivateeinsatz). Eine absolute Schuldenhöhe ist damit nicht verbunden. Gemäß §2 Abs. 3 Satz 2 HG 2017/2018 darf die Summe der Nominalwerte der Derivate die Summe der insgesamt am Kapitalmarkt aufgenommenen Kredite nicht übersteigen. Diese Landtag Brandenburg Drucksache 6/10455 - 4 - Obergrenze wurde am Stichtag 01.12.2018 zu 68,4% in Anspruch genommen. Frage 13: Wer ist für die Unterzeichnung der Derivate-Vereinbarungen innerhalb der Landesregierung zuständig? zu Frage 13: Die Leitung und die Mitarbeitenden des Referats 27 „Liquiditäts- und Schuldenmanagement , Landesschuldenverwaltung, Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen , Fachaufsicht LHK, Versorgungsfonds, Kreditaufnahme und Schuldenverwaltung für Sondervermögen Finanzierungsfonds Flughafen BER“ des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg dürfen gemäß Dienstanweisung und unter Berücksichtigung des 4- Augen-Prinzips Derivate-Vereinbarungen unterzeichnen. Frage 14: Wie hoch liegt der Barwert aller Kündigungsrechte zum aktuellen Zeitpunkt? zu Frage 14: Der Barwert von Derivaten wird generell nur in Bezug auf das jeweilige Derivat insgesamt ermittelt. Barwert-Angaben zu einzelnen Vertragsbestandteilen wie Kündigungsrechten liegen deshalb nicht vor. Frage 15: Über welche Finanzinstitute wird der Derivatehandel des Landes Brandenburg derzeit abgewickelt? (Bitte Auflistung nach Bank und Volumen)? zu Frage 15: Das Land wickelt Derivate-Geschäfte derzeit mit 18 Banken ab. Eine Auflistung nach Bank und Volumen würde Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Banken enthalten. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie ) und 49 (Berufsfreiheit) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt . Es besteht jedoch die Möglichkeit, gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Frage 16: Welche Vergütung erhielten die Banken im Jahr 2017 und 2018 dafür? zu Frage 16: Die Vergütung der Banken ist nicht explizit ausgewiesen; sie ist aber Bestandteil der Transaktionskosten, die bei Neuabschlüssen, Restrukturierungen oder Auflösungen von Derivaten an die Bank gezahlt werden. Die Transaktionskosten werden gemäß Artikel 50 (9) der MiFID-II-Durchführungsverordnung erstmals Anfang 2019 für das Jahr 2018 von den Banken an das Land Brandenburg übermittelt. Frage 17: Was kostet das dem Land die Abwicklung der Derivate-Geschäfte? In welchem Haushaltstitel sind diese sichtbar? zu Frage 17: Die Abwicklung der Derivate-Geschäfte in Form des Handels, der Vertragsunterzeichnung , der Derivateverwaltung und der Besicherung obliegt der Leitung und den Mitarbeitenden des Referats 27 des Ministeriums der Finanzen des Landes Brandenburg. Die dazugehörigen Personal- und Sachkosten sind Bestandteile des Kapitels 12010. Sie werden nicht getrennt in Bezug auf die Derivate-Geschäfte erfasst. Die Zinszahlungen auf Grundlage der abgeschlossenen Derivate werden im Kapitel 20650 Titel 57510 „Zinsen für Kreditmarktmittel“, die Zinszahlungen für die Sicherheitsleistungen im Kapitel 20020 Titel 57110 „Zinsen für Kassenkredite und Geldanlagen der Landeshauptkasse“ sowie im Kapitel 20020 Titel 16210 „Zinseinnahmen für Kassenkredite und aus den Geldanlagen der Landeshauptkasse“ gebucht. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10455 - 5 - Frage 18: Sind einzelnen Banken Swap-Optionen eingeräumt, d.h. die Option, quasi in Vollmacht des Landes eigene Zinswetten einzuschließen? Wenn ja, welchen Banken? zu Frage 18: Zum Stichtag 01.12.2018 enthielt das Derivateportfolio des Landes Brandenburg 27 Swaptions. Diese Swaptions beschreiben ein derivatives Finanzinstrument mit dem Recht, aber nicht der Verpflichtung, in einen zukünftigen Zinsswap einzutreten. Die vom Land abgeschlossenen Swaptions beinhalten für die Käufer (=Banken) das Recht, in der Zukunft in einen Swap mit dem Land zu treten. In diesem Swap würde das Land an die Bank einen festen Zinssatz zahlen und von der Bank einen variablen Zinssatz empfangen . Die Bank übt das Recht aus, wenn die Zinsen, die es im Swap erhält höher sind als am Markt. Für die Gewährung dieses Rechts erhält das Land eine Optionsprämie, die zum Abschluss der Swaptions ermittelt wird und den Wert der Swaption zum Abschlusszeitpunkt beschreibt. Eine Darstellung der Vertragskonditionen würde Angaben zu Betriebs - und Geschäftsgeheimnissen der Banken enthalten. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie) und 49 (Berufsfreiheit) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Frage 19: Bei welchen Banken ist das Land Brandenburg in welcher Höhe aktuell verschuldet ? zu Frage 19: Das Land nutzt im Rahmen der Kreditaufnahme Schuldscheine und Landesschatzanweisungen . Landesschatzanweisungen sind handelbare Wertpapiere, die das Land emittiert und deren Inhaber nicht bekannt sind. Hingegen sind die Inhaber von Schuldscheinen des Landes bekannt. Sie teilen sich nach folgenden Gläubigergruppen auf: ausländische Nichtbanken Auslandsbanken Genossenschaftsbanken Hypothekenbanken Krankenkassen Landesbanken Private Geschäftsbanken Sonstige Sparkassen Versicherungsgesellschaften Zusatzversorgungseinrichtungen. Eine Darstellung der Verschuldung des Landes bezogen auf einzelne Gläubiger würde Angaben zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Banken enthalten. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind nach den Artikeln 41 (Eigentumsgarantie) und 49 (Berufsfreiheit ) der Landesverfassung verfassungsrechtlich geschützt. Es besteht jedoch die Möglichkeit , gemäß Artikel 56 Abs. 3 der Landesverfassung einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen.