Landtag Brandenburg Drucksache 6/10518 6. Wahlperiode Eingegangen: 30.01.2019 / Ausgegeben: 04.02.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4167 der Abgeordneten Thomas Jung (AfD-Fraktion) und Andreas Kalbitz (AfD-Fraktion) Drucksache 6/10286 Nachfrage zur Antwort auf die Kleine Anfrage 4012 - Linksextremistische Organisation „Rote Hilfe e.V.“ in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Nach Auskunft der Landesregierung ist die linksextremistische Vereinigung „Rote Hilfe e.V.“ seit über zwanzig Jahren im Land Brandenburg aktiv und wird auch seither vom Verfassungsschutz beobachtet. Weiterhin teilte die Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage 4012 mit, dass die „Rote Hilfe e.V.“ ihre Strukturen in Brandenburg „in den letzten Jahren kontinuierlich ausbauen“ konnte. Anfang 2015 widmete der linke Verein „Spartacus“ sogar einen von der Stadt Potsdam verliehenen Ehrenamtspreis der örtlichen „Roten Hilfe e.V.“.1 Ein Umdenken der Landesregierung im Hinblick auf staatlich angewandte Methoden und Maßnahmen zur Bekämpfung linksextremistischer Strukturen wird trotz dieses negativen Lageberichts offenbar nicht für erforderlich gehalten (vgl. Antworten zu den Fragen 11 und 12). Dies erstaunt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach übereinstimmenden Medienberichten vom zuständigen Bundesminister ein bundesweites Verbot der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“ erwogen wird.2 Als Reaktion darauf versuchen andere linke Vereinigungen wie etwa die SPD-Jugendorganisation „Jusos“ durch verharmlosende Gegendarstellungen das Gefahrpotenzial der „Roten Hilfe e.V.“ kleinzureden; die „Jusos“ forderten die SPD ferner via Antrag dazu auf, das Verbot zu verhindern.3 Frage 1: Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung seit 2014 ergriffen, um einem weiteren Wachstum der „Roten Hilfe e.V.“ entgegenzuwirken? zu Frage 1: Die brandenburgischen Sicherheitsbehörden verfügen über einen gesetzlich normierten Katalog repressiver und präventiver Maßnahmen, um extremistischen Gruppierungen in Brandenburg entgegen zu wirken. Diese Maßnahmen werden in lagebedingt abgestufter Intensität eingesetzt; im Falle der Roten Hilfe e.V. (RH) in Brandenburg heißt dies Einstufung und Benennung als extremistische Organisation sowie Zusammenarbeit 1 https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/linksextremistische-organisation-rote-hilfe-findet-immer-mehrunterstuetzung -15260420.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2018 um 15:20 Uhr. 2 S. etwa https://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagsabgeordnete-engagieren-sich-linken-politikerfoerdern -ihn-seehofer-will-linksradikalen-verein-rote-hilfe-verbieten_id_9994512.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2018 um 15:32 Uhr. 3 Vgl. https://www.welt.de/politik/deutschland/article185495028/Rote-Hilfe-Jusos-kaempfen-fuer-Zukunft-des- Vereins.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2018 um 15:25 Uhr. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10518 - 2 - und kontinuierlicher Informationsaustausch des Verfassungsschutzes des Landes Brandenburg mit Polizei, Justiz, Kommunen und Ordnungsämtern. Insgesamt hat der Verfassungsschutz seit 2014 in mehr als 80 Veranstaltungen u. a. linksextremistische Ideologien und deren Ausprägungen - wie etwa die RH - thematisiert. Frage 2: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, wo die „Rote Hilfe e.V.“ seit 2014 in Brandenburg Veranstaltungen durchgeführt hat? (Bitte aufschlüsseln nach Kalenderjahr, konkretem Ort Veranstaltung sowie Art und Thema der Veranstaltung.) zu Frage 2: Die RH in Brandenburg organisierte im angefragten Zeitraum im Schwerpunkt Informations- und Diskussionsveranstaltungen. Strukturell stellt Potsdam die größte Ortsgruppe , währenddessen Cottbus die aktivste ist. Im Gegensatz zur wachsenden Mitgliederentwicklung stehen die wenigen öffentlich beworbenen Veranstaltungen, die die einzelnen Ortsgruppen auf ihren Internetseiten veröffentlichen. Im Folgenden werden die Aktivitäten der RH in Brandburg nach Jahren aufgeschlüsselt. 2014 Eine große Zahl der von der RH beworbenen Veranstaltungen fand 2014 in Cottbus statt. Bereits am 23. Januar 2014 bot die RH im „quasiMono“ unter der Überschrift „Was tun, wenn’s brennt? Ruhe bewahren!“ zu den Themen „Demo 1 × 1“ und „Verhalten bei Festnahmen “ eine Informationsveranstaltung an. Laut Einladungstext ging es unter anderem um „Opfer polizeilicher Übergriffe“ und Schutz „vor solchen Repressionen“. Und darum: „Was sollte vor einer Demonstration beachtet werden, was sollte eingepackt und was lieber zu Hause gelassen werden und was passiert, wenn ihr doch mal festgenommen werdet ? Das sind einige der Fragen, die uns an diesem Abend beschäftigen werden und die wir mit euch zusammen diskutieren wollen.“ Der Einladungstext bezog sich auf Maßnahmen gegen einen Aufzug der rechtsextremistischen NPD am 15. Februar 2014 in Cottbus. Zu einer Gegendemonstration rief erneut unter anderem die „Antifa Cottbus“ auf, welche sich auf ihrer Homepage als Unterstützerin der RH Cottbus ausweist. Auch in Brandenburg will die RH Unterstützung für „politische Gefangene“ organisieren. Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat wird als „Repressionsapparat“ diffamiert. Dessen Gefangene sind „Opfer“, selbst wenn es sich um Gewalttäter handelt. Bezeichnend dafür waren 2014 zwei „Soli“-Veranstaltungen der RH Cottbus. Zunächst gab es am 9. Mai 2014 ein „Soli-Konzert“ im „Muggefug“. Die Einnahmen sollten „von der Repression betroffenen Antifaschist*Innen“ zugutekommen. Bei einem „Soli-Brunch“ am 1. Juni 2014 wurde die Solidarisierung ausgedehnt. Um nicht nur finanzielle Hilfeleistung zu bieten, sollten auch Briefe an Inhaftierte geschrieben werden, „um ihnen zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind“. Ebenso fand eine „Antirepressions-Party“ am 06.12.2014 in der „Zelle 79“ in Cottbus statt. Im Vergleich zu den Cottbuser RH-Aktivisten zeigten sich die anderen Ortsgruppen eher zurückhaltend. Die RH Königs Wusterhausen beließ es bei einem Spendenaufruf für Griechenland, während die RH Potsdam einmal im Monat einen Beratungstermin anbot. Bei der RH Neuruppin konnten 2014 keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten festgestellt werden. Und die RH Strausberg verfügte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal über eine eigene Internetseite. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10518 - 3 - 2015 Im Jahr 2015 mobilisierte die RH vor allem gegen Rechtsextremisten. Im Februar 2015 wurden auf den Homepages der Ortsgruppen Königs Wusterhausen und Cottbus anlässlich regionaler rechtsextremistischer Demonstrationen Aufrufe zu Gegendemonstrationen eingestellt. In der späteren Darstellung auf der Homepage der RH zu der Cottbuser Demonstration wird insbesondere das angebliche Fehlverhalten der eingesetzten Polizeikräfte thematisiert und an Einzelbeispielen vermeintlich überhartes Vorgehen gegen Gegendemonstranten dargelegt. Dies alles geschieht unter dem Aspekt, die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns in Frage zu stellen und es zu diskreditieren. 2016 Im Jahr 2016 unterstützte die RH unter anderem Demonstrationen und Aktionen gegen Versammlungen des POGIDA-Bündnissees in Potsdam. Die RH versorgte verschiedene Gruppen und Akteure mit Know-how und veranstaltete Vorträge und Schulungen zum Umgang mit Polizeibeamten und Sicherheitsbehörden. Damit hatte sie maßgeblich zur Professionalisierung der gewaltbereiten autonomen Szene beigetragen und die Gewalteskalation im Frühjahr 2016 befördert. 2017 Die RH hatte auch im Jahr 2017 in der gesamten linksextremistischen Szene Einfluss. Sie diente ihr als Scharnier und unterstützt die Szene mit Know-how, organisiert Veranstaltungen , Schulungen und Trainings. Bei den Aktions- und Blockadetrainings werden Strategien und Taktiken regelmäßig den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Darüber hinaus betrieb die RH auch 2017 ihr Kerngeschäft mit der Verteidigung und Beratung linksextremistischer Straftäter und veröffentlichte zahlreiche Demonstrationen und Versammlungen zum Umgang mit Polizeibeamten und Sicherheitsbehörden. 2018 Die Aktivitäten der RH im Jahr 2018 werden im Verfassungsschutzbericht abgebildet. Insgesamt ist festzustellen, dass der sich seit Jahren festzustellende Trend zu einem klandestinen Vorgehen der RH sich im Jahr 2018 fortsetzt. Termine für Treffen der RH werden nur noch selten öffentlich bekannt gegeben und können daher in der öffentlichen Berichterstattung nicht erwähnt werden. Weiterhin rief die RH alljährlich zu Versammlungen anlässlich des 18. März “Internationaler Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen” auf. Laut eigenen Angaben der OG Potsdam, welche auf deren Homepage veröffentlicht sind, finden regelmäßige Beratungen am 1. Mittwoch im Monat um 19 Uhr im Kontext Hermann-Elflein-Str. 32 in Potsdam statt. Frage 3: Ist der Landesregierung bekannt, ob seit 2014 Werbematerialien der „Roten Hilfe e.V.“ in staatlich genutzten Gebäuden erhältlich waren? (Bitte auflisten nach Kalenderjahr, Gebäudestandort, Gebäudenutzer und Art des jeweiligen Werbematerials.) zu Frage 3: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 4: Wie bewertet die Landesregierung, dass Anfang 2015 der „Spartacus e.V.“ den von der Stadt Potsdam verliehenen Ehrenamtspreis der örtlichen „Roten Hilfe e.V.“ widmete ? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10518 - 4 - Frage 5: Wurde diese „Widmung“ durch staatliche Stellen des Landes Brandenburg sanktioniert (beispielsweise durch den Entzug von Fördermitteln oder durch die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem „Spartacus e.V.“)? zu den Fragen 4 und 5: Die Widmung des Preises an die RH ist eine Widmung eines Preises an eine extremistische Organisation. Die RH wird in dieser Hinsicht in der Antwort zu Frage 8 ff umfassend bewertet. Nach außen stellt sich die RH zunächst als Organisation dar, die angebliche Opfer polizeilichen Fehlverhaltens oder angeblicher Justizirrtümer und Linksextremismus unterstützen will. Ebenso will die RH über ihre Ortsgruppen Unterstützung für angebliche „politische Gefangene“ organisieren und diesen eine Plattform geben. Sie ist dabei stets darauf bedacht , jegliches staatliches Handeln als Repression zu diffamieren. In diesem Kontext ist auch der Verfassungsschutz ein erklärter Gegner der RH. So widmete im Januar 2015 das auch von Linksextremisten besuchte Potsdamer „Kulturzentrum Spartacus“ den ihm von der Stadt Potsdam verliehenen Ehrenamtspreis der RH Potsdam. Als Begründung wurde deren Einsatz gegen die „Bespitzelung und Kriminalisierung von Besuchern von Kulturprojekten , Fußballfans und Bands“ durch den Verfassungsschutz genannt. In diesem Zusammenhang erklärte die Sprecherin der RH Potsdam, man freue sich über die Spende und werde nunmehr noch intensiver gegen „die Bespitzelung durch den Verfassungsschutz “ vorgehen sowie sich „gegen die geheimdienstliche Beobachtung der Alternativkultur in Potsdam wehren“. Frage 6: Ist nach Auffassung der Landesregierung eine Mitgliedschaft oder Funktionsträgerschaft im Verein „Rote Hilfe“ mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst vereinbar? zu Frage 6: Die Frage, ob eine Mitgliedschaft oder Funktionsträgerschaft in dieser Organisation mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst vereinbar ist, kann nicht ohne weiteres abstrakt beantwortet werden. Dazu bedarf es immer einer Einzelfallprüfung und - entscheidung, für die die jeweiligen Dienstvorgesetzten zuständig wären. Frage 7: Wurden in der Vergangenheit Verfahren gegen Beamte und/oder Tarifbeschäftigte des Landes Brandenburg eingeleitet, weil eine Mitgliedschaft oder Funktionsträgerschaft in der „Roten Hilfe e.V.“ bekannt wurde? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Anzahl der Verfahren und Verfahrensstand bzw. Verfahrensausgang.) zu Frage 7: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Frage 8: Wurde in den letzten zwanzig Jahren vom brandenburgischen Innenministerium beim zuständigen Bundesminister angeregt, ein Vereinsverbot gegen die „Rote Hilfe e.V.“ zu erlassen? Frage 9: Falls die vorgenannte Frage verneinend beantwortet wird: Weshalb wurde vonseiten des Landes Brandenburgs kein Verbotsverfahren angeregt? Frage 10: Wie bewertet die Landesregierung ein mögliches bundesweites Verbot des Vereins „Rote Hilfe“? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10518 - 5 - zu den Fragen 8, 9 und 10: Die RH ist zentraler Bestandteil der linksextremistischen Szene . Sie fungiert als organisationsübergreifender Betreuer von Straftätern aus den unterschiedlichsten Bereichen des Linksextremismus. So leistet sie Straf- und Gewalttätern aus dem linksextremistischen Spektrum politische und finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei anfallenden Anwalts- und Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Darüber hinaus betreut die RH rechtskräftig verurteilte Straftäter während ihrer Haft, mit dem Ziel diese stärker an die Szene zu binden Selber agiert sie jedoch nicht gewalttätig. Sie bekämpft die freiheitliche demokratische Grundordnung und sieht in der Bundesrepublik Deutschland einen Willkürstaat, von dem politische Verfolgung ausgehe. Dazu versucht die RH, mit Hilfe einer meinungsbildenden Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise im Rahmen von Publikationen, Vorträgen oder Demonstrationen die Sicherheits- und Justizbehörden sowie die rechtsstaatliche Demokratie zu diskreditieren. Schwerpunkt bilden hier Informations - und Diskussionsveranstaltungen zu Themenfeldern wie „staatlicher Repression“. Dabei fordert die RH dazu auf, grundsätzlich die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Aus diesen Gründen wird der Verein „Rote Hilfe e.V.“ als linksextremistisch bewertet. Die RH ist eine bundesweite Organisation, die politisch Aktive aus dem gesamten linksextremistischen Spektrum auf vielfältige Weise unterstützt. Ihr Vereinssitz ist Göttingen. Als bundesweiter Verein obliegt die Entscheidung der Einleitung eines Verbotsverfahrens allein dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI); im Falle eines Verfahrens erfolgen auch Zuarbeiten der Landesbehörden. Im Übrigen beteiligt sich die Landesregierung nicht an Spekulationen über die Möglichkeit einer solchen Verbotsmaßnahme.