Datum des Eingangs: 02.04.2015 / Ausgegeben: 08.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1054 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 350 des Abgeordneten René Wilke der Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/752 Deutsch-Polnischer Gesundheitsverband Wortlaut der Kleinen Anfrage 350 vom 03.03.2015: Am 12. Februar fand in Slubice die 1. Deutsch-Polnische Gesundheitsfachtagung statt. Thema war die grenzüberschreitende medizinische Versorgung. In Vorträgen der deutschen und polnischen Krankenkassen und in Gesprächen über Fachkräftesi- cherung und die Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für die Zusam- menarbeit von Brandenburg und Polen bei der medizinischen Versorgung und in der Gesundheitswirtschaft wurde die Gründung eines Interessenverband erörtert, der die Gesundheits- und Sozialbranche beiderseits der Grenze vertreten könnte. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung diese Initiative? 2. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten für eine Unterstützung? 3. Wie viele grenzüberschreitende Notfälle gab es in Brandenburg in den ver- gangenen fünf Jahren? (Auflistung nach Jahren) 4. Sind der Landesregierung Probleme in der grenzüberschreitenden medizini- schen Versorgung bekannt? Wenn ja, welche? 5. Welche gesetzlichen Regelungen des Bundes oder des Landes müssten für eine unkompliziertere grenzüberschreitende medizinische Versorgung geändert werden? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Ge- sundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung diese Initiative? zu Frage 1: Eine Zusammenarbeit von polnischen und deutschen Verwaltungen und Fachkräften wird im Sinne eines partnerschaftlichen und grenzüberschreitenden Miteinanders begrüßt. Auch im Koalitionsvertrag ist niedergelegt, dass die Zusammenarbeit mit der Repub- lik Polen und regional mit den Partnerwojewodschaften weiterhin ein zentrales Anlie- gen der Landesregierung ist. Die Regionen diesseits und jenseits von Oder und Nei- ße haben heute bereits in vielen Bereichen ähnliche Rahmenbedingungen. Es soll weiter daran gearbeitet werden, dass durch die grenzüberschreitende Zusammenar- beit eine Modellregion für die europäische Integration entsteht. Die bereits bestehen- de gute Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden soll deshalb weiter ausge- baut werden. Dies gilt für die gesundheitliche Versorgung ebenso wie für den Ret- tungsdienst und auch für den Brand- und Katastrophenschutz. Die Landesregierung begrüßt derartige Instrumente einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Ein entsprechender Interessenverband kann hier Unterstützung bieten und zu einer Bündelung von Akteuren und Wissen beitragen. Frage 2: Sieht die Landesregierung Möglichkeiten für eine Unterstützung? zu Frage 2: In einzelnen Bereichen vermittelt die Landesregierung ressortbezogen bereits ent- sprechende Unterstützung. So betreut das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MdJEV) beispielsweise den Ausschuss für grenznahe Zusammenarbeit der „Deutsch-Polnischen Regierungs- kommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit“ und kann damit Ideen für Weiterentwicklungen anstoßen. Das MdJEV sieht sich dabei in einer Vermittlerrolle zwischen den zuständigen Stellen und auch als Impulsgeber für die Gestaltung und Anpassung von Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung vor Ort. Auch mit finanziellen Mitteln kann ggf. eine landesseitige Förderung erfolgen. So ist beispielsweise das Projekt des gemeinnützigen Vereins Telemedizin Euro-Region POMERANIA e.V. mit EU- und Landesmitteln unterstützt worden. In dieser Modellre- gion arbeiten insgesamt 32 Gesundheitsversorger, 19 in Deutschland und 13 in Po- len, auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten zusammen. Frage 3: Wie viele grenzüberschreitende Notfälle gab es in Brandenburg in den ver- gangenen fünf Jahren? (Auflistung nach Jahren) zu Frage 3: Aus dem rettungsdienstlichen Bereich der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) wurden folgende Einsatzzahlen mitgeteilt: Frage 4: Sind der Landesregierung Probleme in der grenzüberschreitenden medizi- nischen Versorgung bekannt? Wenn ja, welche? zu Frage 4: Grenzüberschreitende Rettungseinsätze finden auf Anforderung derzeit einseitig in Frankfurt (Oder) zur Nachbarregion Slubice statt. Diese Rettungseinsätze können auf Grund des Rahmenabkommens stattfinden. Polnische Rettungsfahrzeuge werden auf deutschem Gebiet nicht tätig. Der Grund dafür ist eine nicht ausreichende Haft- pflichtversicherung der polnischen Einsatzfahrzeuge. Um diese zu schaffen, ist eine Änderung der polnischen rettungsdienstlichen Gesetzgebung notwendig, die sich derzeit noch in der Umsetzung befindet. Grenzüberschreitende Lücken existieren auch bei der Kostenübernahme aufgrund der Behandlung von lebensbedrohlichen Notfällen von polnischen Bürgern, die ent- weder in ein deutsches Krankenhaus eingeliefert werden, wenn polnische Kranken- häuser die Behandlung nicht übernehmen können oder kein Krankenhaus regional zur Verfügung steht. In den vergangenen Jahren hatte sich der Nationale Gesund- heitsfonds in Polen i.d.R. geweigert, die Kosten zu erstatten. Weiterhin ist es polnischen Krankenhäusern nicht erlaubt, gleichzeitig Verträge mit deutschen und polnischen Trägern abzuschließen. Dies behindert die Entwicklungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten der Krankenhäuser, da Investitionen in Einrich- tungen und technische Geräte schneller an Rentabilitätsgrenzen stoßen. Die Zu- Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Einsätze von Frankfurt (Oder) zum Krankenhaus Slubice – polnische Patienten 18 24 28 29 8 Einsätze vom Krankenhaus Slubice zu einem Krankenhaus in Frankfurt (Oder) – deutsche Patienten 0 2 8 12 31 Polnische Bürger vor Ort in Frank- furt (Oder) versorgt - ohne rettungsdienstliche Trans- portleistung 0 18 16 23 27 ständigkeiten liegen hier auf der nationalen Ebene und werden durch die Landesre- gierung in den entsprechenden deutsch-polnischen Gremien thematisiert. Darüber hinaus behindern auch Sprachprobleme eine Zusammenarbeit im Gesundheitswe- sen. Frage 5: Welche gesetzlichen Regelungen des Bundes oder des Landes müssten für eine unkompliziertere grenzüberschreitende medizinische Versorgung geändert wer- den? zu Frage 5: Die EU-Richtlinie zur Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ermöglicht allen Bürgern im gesamten Bereich der Europäi- schen Union Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Für alle Patientinnen und Patienten sind ihre Kostenerstattungsrechte nun europaweit klar geregelt. Die Kosten für die Auslandsbehandlung werden von der Krankenkasse bis zu der Höhe erstattet, die auch bei entsprechender Behandlung im Inland angefallen wären. Die tatsächliche Inanspruchnahme in der deutsch-polnischen Grenzregion scheint jedoch aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssätze in beiden Ländern zumindest für die polnischen Bürger bislang keine große Rolle zu spielen. Das Vergütungsniveau in Deutschland unterscheidet sich stark von jenem in Polen, so dass für polnische Pati- entinnen und Patienten, die Leistungen in Deutschland in Anspruch nehmen, eine finanzielle Beteiligung verbliebe. Das kann aber weder landes- noch bundesrechtlich in Deutschland beeinflusst werden. Aus rettungsdienstlicher Sicht würde eine Lösung zur Refinanzierung von Kosten für grenzüberschreitende Einsätze zur Verbesserung der Versorgungsmöglichkeiten für Notfallpatienten in der Grenzregion führen.