Landtag Brandenburg Drucksache 6/10639 6. Wahlperiode Eingegangen: 19.02.2019 / Ausgegeben: 25.02.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4221 des Abgeordneten Danny Eichelbaum (CDU-Fraktion) Drucksache 6/10440 Zusammenarbeit mit polnischen Justizbehörden Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Seit einigen Jahren hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt /Oder eine Schwerpunktzuständigkeit im Bereich Organisierte Kriminalität sowie für grenzüberschreitende banden- oder gewerbsmäßige Eigentumsdelikte inne. Der Rechtsausschuss hat sich anlässlich seiner Ausschussreise im Jahr 2017 über die Zusammenarbeit mit den Partnerbehörden in Polen ausgetauscht. Insgesamt funktionierte die Zusammenarbeit gut. Allerdings kamen auch zahlreiche angestoßene Projekte zur Sprache, die die Zusammenarbeit weiter verbessern sollten. Frage 1: Wie viele Staatsanwälte arbeiten in der oben genannten Schwerpunktzuständigkeit (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? zu Frage 1: In der Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind seit 2015 durchgehend ein Abteilungsleiter und fünf Dezernenten tätig. Der Abteilungsleiter und drei der Dezernenten bearbeiten anteilig auch Rechtshilfesachen. In der Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden banden- oder gewerbsmäßig begangenen Eigentumskriminalität sind seit 2015 durchgehend ein Abteilungsleiter (mit 50 % seiner Arbeitskraft) und fünf Dezernenten (davon eine Dezernentin mit 50 % ihrer Arbeitskraft) tätig. Frage 2: Wie viele Joint Investigation Teams wurden bisher gebildet (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? zu Frage 2: Im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) sind bislang vier Gemeinsame Ermittlungsgruppen (Joint Investigation Teams, JITs) gebildet worden, davon eine im Jahr 2013, zwei im Jahr 2015 und eine im Jahr 2018. Derzeit wird die Bildung eines fünften JIT geprüft. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10639 - 2 - Frage 3: Gibt es fest angestellte Dolmetscher für die Sprachen Deutsch bzw. Polnisch an der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder oder wird im Bedarfsfall ein externer Dolmetscher beauftragt? a. Wie hoch sind die Kosten pro Jahr? Bei Beauftragung eines externen Dolmetschers: b. Wie oft wird ein Dolmetscher benötigt? c. Wie schnell kann ein Dolmetscher gefunden werden? Kommt es ggf. hierdurch zu Verfahrensverzögerungen ? zu Fragen 3 a) bis c): Seit dem Jahr 2008 ist an der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) durchgehend mindestens ein deutscher Staatsanwalt tätig, der die polnische Sprache fließend beherrscht. Dieser kann auch außerhalb der von ihm selbst bearbeiteten Verfahren für kleinere schriftliche und mündliche Sprachmittleraufgaben eingesetzt werden. Für größere Sprachmittleraufgaben werden externe Übersetzer oder Dolmetscher beauftragt, die ohne Schwierigkeiten zu finden sind. Etwaige Verzögerungen halten sich in dem bei der Inanspruchnahme externen Sachverstands üblichen Rahmen. Die Kosten für Dolmetscher- und Übersetzerleistungen (deutsch-polnisch und polnischdeutsch ) betrugen dabei 204.358,43 Euro im Jahr 2015 (für 51 Dolmetscher- und 512 Übersetzerleistungen) und 251.979,30 Euro im Jahr 2016 (für 107 Dolmetscher- und 453 Übersetzerleistungen). Anschließend erfolgten zwar keine entsprechenden Erhebungen in Bezug auf deutsch-polnische, polnisch-deutsche Sprachmittlungen; aufgrund des etwa konstanten Geschäftsanfalls in diesem Bereich geht der Leitende Oberstaatsanwalt in Frankfurt (Oder) jedoch von ähnlichen Größenordnungen aus. Derzeit prüft der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg die Möglichkeit der Beschäftigung eines fest angestellten Sprachmittlers bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach der Landeshaushaltsordnung . Frage 4: Wie ist der Verfahrensstand zur Verbesserung und Beschleunigung der Kommunikationswege im Rahmen der Rechtshilfe? Ist insbesondere eine sichere E-Mail- Kommunikation inzwischen möglich? Wenn nein, wann wird mit dem Abschluss des Projekts gerechnet? zu Frage 4: Schnelle Übermittlungswege für die Übermittlung von Ersuchen und Erledigungsstücken sind in der Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen von hoher Bedeutung. Sowohl zum Schutz des Ermittlungsverfahrens als auch zur Wahrung der Rechte der Verfahrensbeteiligten ist dabei jedoch die Daten-sicherheit zu beachten. Vor diesem Hintergrund werden derzeit vorwiegend die herkömmlichen Übermittlungswege (Post und ggf. Telefax) genutzt, da die Kommunikation per E-Mail, soweit die Nachrichten personen- oder verfahrensbezogene Daten enthalten, als nicht hinreichend sicher zu bewerten ist. Da Rechtshilfeersuchen in Strafsachen grundsätzlich nicht an eine bestimmte äußere Form gebunden sind, kann schon gegenwärtig mittels fernmündlicher Vorabersuchen auf Situationen reagiert werden, die besondere Eile gebieten. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10639 - 3 - Die Einrichtung gesicherter elektronischer Übermittlungswege, die den rechtlichen und technischen Anforderungen der Justizbehörden mehrerer beteiligter Staaten entsprechen, stellt eine Herausforderung dar. Der Einrichtung eines EU-weiten gesicherten Kommunikationssystems ist insoweit grundsätzlich der Vorzug vor einer rein bilateralen Lösung zu geben. Die Landesregierung verfolgt daher aufmerksam die seit geraumer Zeit andauernden Bemühungen insbesondere der EU-Kommission zur Einrichtung eines alle Mitgliedstaaten der EU umfassenden Systems zum sicheren Datenaustausch in Angelegenheiten der Rechtshilfe in Strafsachen. Die Einsatzreife der geplanten, auf der e-CODEX- Architektur basierenden Plattformlösung zum gesicherten elektronischen Austausch von Europäischen Ermittlungsanordnungen und sonstigen Rechtshilfeersuchen „E-Evidence Digital Exchange System“ könnte innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre erreicht werden ; sodann wäre die Umsetzung in Brandenburg vorzunehmen. Die Landesregierung hat mit Schreiben vom 25. Mai 2018 gegenüber der Bundesregierung angeregt, die Frage der sicheren elektronischen Übermittlung von Rechtshilfeersuchen - soweit bis dahin noch nicht erfolgreich umgesetzt - zum Thema der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 zu machen. Frage 5: Verfolgt die Landesregierung weitere Projekte und/oder Ideen, um Rechtshilfeverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen? zu Frage 5: Da die Ausgestaltung des Rechtshilfeverkehrs weitgehend durch völkerrechtliche Verträge, Rechtsakte des Unionsrechts, Bundesgesetze und untergesetzliche bundeseinheitliche Vorschriften (etwa die Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, RiVASt) determiniert ist, sind den Möglichkeiten der Landesregierung , Rechtshilfeverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, enge Grenzen gesetzt. Zur Beförderung des fortlaufenden Austausches mit den damit befassten Gerichten und Staatsanwaltschaften richtet das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz etwa alle zwei Jahre ein „Arbeitstreffen strafrechtliche Rechtshilfe“ aus. Neben einem Erfahrungsaustausch und der Unterrichtung über aktuelle Entwicklungen auf Unionsund Bundesebene dient das Treffen auch der Identifizierung aktueller Schwierigkeiten und der Verbesserung der laufenden Zusammenarbeit. Die Landesregierung beabsichtigt zudem noch in der laufenden Legislaturperiode die Änderung des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums des Innern vom 30. März 2012 über die Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (JMBl. [Nr. 5] S. 42). Neben erforderlichen Anpassungen an zwischenzeitlich erfolgte Änderungen des Bundesrechts sind weitere Verfahrensvereinfachungen beabsichtigt. Auf die Antworten zu den Fragen 4 (letzter Absatz) und 7 (letzter Absatz) wird ebenfalls verwiesen. Frage 6: Welche Projekte zur weiteren Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen den Staatsanwaltschaften Frankfurt/Oder und Polens wurden oder werden durchgeführt? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10639 - 4 - zu Frage 6: Neben einer Vielzahl von Arbeitstreffen zwischen Vertretern polnischer Staatsanwaltschaften und der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) im Rahmen der konkreten Verfahrensbearbeitung und regelmäßigen wechselseitigen Hospitationen finden statt: a) wöchentlich ein Arbeitstreffen des polnisch sprechenden Vertreters der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit einem Vertreter der Bezirksstaatsanwaltschaft Gorzów Wlkp. im Gemeinsamen Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Świecko (Polen); b) mindestens einmal jährlich ein Arbeitstreffen zwischen Vertretern der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) und der Bezirksstaatsanwaltschaft Gorzów Wlkp.; c) alle zwei Jahre ein von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ausgerichteter zweitägiger Erfahrungsaustausch polnischer und brandenburgischer Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sowie deutscher und polnischer Grenzschutzbehörden. Frage 7: Ist die weitere Liegenschaft in Słubice inzwischen bezogen? Welche Aufgaben werden dort wahrgenommen? zu Frage 7: Die Landesregierung nimmt an, dass sich die Frage auf das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit bezieht. Dessen Aufgaben ergeben sich aus Artikel 27 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen vom 15. Mai 2014 über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden (Deutsch-Polnischer Polizeivertrag), BGBl. 2015 II S. 234. Die Rechtsgrundlage für dieses Zentrum ist - neben dem Deutsch-Polnischen Polizeivertrag - die deutsch-polnische Vereinbarung über die Einrichtung eines Gemeinsamen Zentrums der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit (Einrichtungsvereinbarung ), BGBl. 2011 II S. 731. Das Gemeinsame Zentrum ist derzeit in Świecko (Polen) eingerichtet. Gegenstand von Überlegungen ist eine Verlagerung des Gemeinsamen Zentrums nach Słubice. Die Planungs - und Entscheidungsprozesse für diese Verlagerung, für die nach Nummer 13 der Einrichtungsvereinbarung die polnische Seite verantwortlich ist, sind noch nicht abgeschlossen . Ungeachtet dessen hat die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung mit Schreiben vom 25. Mai 2018 angeregt, im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 einen EU-weiten Rechtsrahmen für derartige Gemeinsame Zentren zu initiieren, der neben einer polizeilichen auch eine justizielle Zusammenarbeit zum Gegenstand haben könnte. Frage 8: Wie gestalten sich der Austausch und die gerichtliche Verwertbarkeit von Beweismitteln ? zu Frage 8: Die im Zuge von Rechtshilfeersuchen erhobenen Beweismittel werden an die zuständige Behörde des ersuchenden Staates übermittelt. Dies erfolgt innerhalb der EU grundsätzlich auf dem unmittelbaren Geschäftsweg, d. h. direkt zwischen den beiden beteiligten Staatsanwaltschaften oder Gerichten, vgl. Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen vom 3. April 2014 (ABl. L 130 vom 1. Mai 2014, S. 1). Landtag Brandenburg Drucksache 6/10639 - 5 - Im ersuchenden Staat sind diese Beweismittel nach Maßgabe des nationalen Strafprozessrechts gerichtlich verwertbar, in Deutschland grundsätzlich nach denselben Maßstäben wie im Inland erhobene. Im Rahmen von Gemeinsamen Ermittlungsgruppen erlangte Informationen bedürfen keines förmlichen Austausches. Für sie gilt nach Artikel 13 Absatz 9 und 10 des EU- Rechtshilfeübereinkommens vom 29. Mai 2000 (ABl. C 197 vom 12. Juli 2000, S. 1) ein vereinfachtes Verfahren. Frage 9: Wie gestalten sich der Austausch und die gerichtliche Verwertbarkeit von Informationen , die die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder informell von polnischer Seite erhält? zu Frage 9: Informationen, die anders als auf den in der Antwort zu Frage 8 dargestellten Wegen erlangt werden, etwa bei Gelegenheit formloser Besprechungen, sind grundsätzlich erst dann gerichtlich verwertbar, wenn sie im Rechtshilfewege nachträglich bestätigt werden. Dasselbe gilt für Informationen, die im Zuge des polizeilichen Informationsaustauschs erlangt werden, es sei denn, die polnische Seite erklärt nach Artikel 5 Absatz 7 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen vom 15. Mai 2014 über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden ihre Zustimmung zur Verwendung als Beweismittel.